Das Lachen war laut und herzlich, seine Augen feurig. Sie zeigten ihr seine große Liebe. Sie neckten sich, alberten herum. Moni streichelte seinen Rücken, lange und ausgiebig. Glücklich strahlte er sie an. Dann küssten sie sich leidenschaftlich. Sie nahm Herberts Kopf zwischen ihre Hände. Plötzlich wurde er heiß und schwarz. Sein Kopf schien aus flüssigem Öl zu bestehen, ach nein, das war Blut! Sie schrie und schrie und schrie. Sie versuchte wegzulaufen, doch sie kam keinen Schritt voran. Sie würde in dem sprudelnden Blutbad ertrinken.
Die Nachtschwester kam, es dauerte lange, bis sich Moni beruhigte. „Alles ist gut. Frau Häberle, es war nur ein Traum“. In die Krankenakte schrieb sie folgenden Vermerk: Frau Häberle hatte wieder einen dieser schrecklichen Alpträume. Bedarf: ½ Tablette Valoron.
Diese neue Nachricht sah Uwe am nächsten Morgen auf seinem Tablet aufleuchten. Er schloss die übermüdeten Augen, atmete tief durch. Schnurstracks öffnete er Monis Zimmertür, doch sie schlief. Das Medikament wirkte, das war gut so. Zärtlich strich er ihr mit einem Finger über ihre Wange. Er wollte diese Frau. Er wollte sie unbedingt.
Fröhlich pfeifend kam Schwester Maria überpünktlich zum Frühdienst. Neben der Handtasche und einer Tüte mit frischen Brezeln, klemmten unter ihrem Arm, sage und schreibe drei Schachteln Schnapspralinen „Guten Morgen Chef, ich habe uns Süßikgeiten mitgebracht.“ Sie verstaute die Schnapskirschen im Kühlschrank und lächelte Uwe offen an. Er konnte es nicht fassen.
***
Auf dem Huberhof in Montan waren die Sennerinnen Elsbeth und Käthe wieder beim Käsen. Dieses Mal durfte Käthe richtig helfen. Dem ersten eigenen Ziegenfrischkäse mit Bärlauch und Knoblauch Geschmack, hatte sie den Namen Käthes Knobi-Meckerei gegeben. Außerdem wollte Elsbeth ihr heute zeigen, wie man Butter macht. Sie hatte extra einen Eimer mit ca. 20 Liter Milch zwei Tage stehen lassen. Den Rahm, der sich oben abgesetzt hatte, wurde mit einer Kelle abgeschöpft und in den Kühlschrank gestellt. Aus dieser Menge würde nun ungefähr 1 kg Butter entstehen. In der Zentrifuge trennten sie den Rahm von der überschüssigen Buttermilch. Dieser Teil wird danach in der Butterschleuder geschlagen, bis die Fettkügelchen verklumpten. Nun war sie fast fertig, die Butter. Man muss sie mit eiskaltem Wasser waschen, damit eventuelle Buttermilchreste entfernt werden. Sonst könnte die Butter ranzig werden. Zum Schluss wird feste geknetet, genau jetzt können verschiedene Kräuter dazugegeben werden, um eigene Kreationen zu erschaffen.
Käthe jubelte begeistert, „Wow, was für eine wundervolle Sache!“ Das war ihre Welt, ihr Hobby, eine Leidenschaft wurde geboren. Sie strahlte übers ganze Gesicht, vergaß dabei völlig, dass sie Raucherin war.
Rita und Olga freuen sich sehr darüber. Zum Abendbrot wurde heute Käthes Brennnessel-Butter gereicht.
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Erst spät am Abend fand Uwe Zeit, um nach seiner Moni zu schauen. „Hey meine Liebe, wie gehts dir? Was machen die Kopfschmerzen?“ „Naja, es geht so. Und wie wars bei dir? Sehr Stressig?“ „Ja, leider. Peter fehlt hinten und vorne. Ein echter Mist.“ Sie wollte antworten, doch sein Handy klingelte. „Sorry, ich muss da ran.“ Nickend wandte sich Moni dem Prospekt mit den schicken Möbeln zu. Sie hatte heute immer wieder darin geblättert. Nebenher lauschte sie Uwes Worte. „Ja, kein Problem, ich komme gerne, nein, nein. Ich habe es nicht vergessen. Ja danke auf Wiederhören. Ja, danke, bis Freitag.“ Neugierig blickte Moni ihn an.
Er setzte sich zu ihr aufs Bett, da raschelte es in seiner Tasche und heraus zog er den zusammengeknüllten Briefumschlag. Dieser war noch immer ungeöffnet. „Hier, von Susan!“ Er hob ihn unter Monis Nase.
„Und? Was steht drin?“
„Keine Ahnung, ich werde ihn vermutlich ungelesen verbrennen.“
„Quatsch, gib schon her,“ Moni riss sie ihm den Brief aus der Hand und las laut vor:
Lieber Uwe,
Hiermit möchte ich dich noch einmal um Verzeihung bitten. Ich habe einen sehr großen Fehler gemacht, das tut mir unendlich leid. Vergiss mich einfach, ja? Du hast eine Frau verdient, die dich aufrichtig und ehrlich liebt. Und die weiß, dass dein Beruf viele Entbehrungen mit sich bringt.
Ich werde nach München ziehen und zusammen mit Patrizia ein Fitnessstudio eröffnen.
Es tut mir wirklich leid,
Susan
P. S. Bitte, Gib Peter noch eine berufliche Chance, er ist ein sehr hervorragender Hirnchirurg. Ich habe ihn nur benutzt, er hat mir nie etwas bedeutet.
Nun hatten beide Tränen im Gesicht. Uwe schluckte und schwieg. Moni drückte zärtlich seine Hand. „Sei bloß froh, dass du diese verlogene Schnepfe los bist, so eine eingebildete dumme Kuh! Sie hat dich wirklich nicht verdient.“ Lange saßen sie nebeneinander, ohne etwas zu sagen. Uwe hatte seinen Kopf an ihre Schulter gelehnt, ständig vibrierte sein Telefon, doch er ignorierte es.
Uwe stand auf, zog den Arztkittel mitsamt Handy und dem Brief aus. „So, ich habe jetzt Feierabend“.
Er streichelte Monis Haar, spielte mit den langen Locken, indem er sie sich um die Finger wickelte. „Habe ich vielleicht dich verdient?“, es war nur ein Flüstern. Lange schauten sie sich tief und ernst in die Augen. „Bitte, geh mit mir aus, morgen. Vielleicht ein Abendessen bei meinem Lieblingsitaliener?“ Moni schaute an sich herunter, „So? Aber Uwe, das ist nicht schön für mich. So mag ich nicht unter Leute gehen“. Er seufzte, doch er lies nicht locker.
„Mhm. Dann komm zu mir in meine Wohnung, wir könnten uns was bestellen.“ Sein Mund war inzwischen ganz nah an ihrem Ohr. Sie spürte seine Lippen, seinen Atem. Da passierte es, ein völlig vergessenes Gefühl durchströmte ihren Körper, sie erschauderte, fühlte ein ziehen und Kribbeln im Unterleib. Heiser vor Erregung hauchte er ihr ins Ohr, „Hast du auch solchen Hunger“, in seiner Stimme erkannte sie die quälende Sehnsucht, die eine klare Entscheidung erwartete.
„Ja“.
Langsam befreite sich Moni von seiner festen Umarmung, sie strahlte Uwe an, „Wir könnten ja gemeinsam kochen? Nicole hilft uns bestimmt.“ Seit Moni wusste, dass Nicole die Cousine von Uwe war, hatte sie diese wunderbare Frau noch mehr ins Herz geschlossen.
„18 Uhr?“
„Und jetzt? Gehst du? Aber nicht wieder trinken, gell!“, entsetzt starrte Uwe seine Moni an. „Was soll denn das heißen?“ „Naja, ich rieche doch den Alkohol morgens“.
Als Schwester Heidi ihre Nachtrunde drehte, fand sie den Chefarzt friedlich schnarchend auf dem Bett neben Moni liegend. Er hatte sich mit seinen Arztkittel zugedeckt.
***
Nicole hatte einen stressigen Tag. Morgens rannte sie zusammen mit einer der Perlen in Uwes Wohnung. Bad, WC und Küche wurden geschrubbt. Gemeinsam verteilten sie die Umzugskartons auf große Stapel, so konnte man Staubsaugen und den hellen Granitboden wischen. Danach schob sie Moni im Rollstuhl zum Friseur, sie selber ging ins nächste Lebensmittel- Geschäft, tätigte den gewünschten Einkauf.
Der Chefarzt lief aufgeregt von Patient zu Patient. Noch zwei schwere Gespräche lagen vor ihm, dann war der Arbeitstag geschafft. Fröhlich, aber gleichzeitig nervös marschierte er in seine Wohnung. Es duftete frisch und sauber, alles war aufgeräumt oder zumindest weggeräumt. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch über eine Stunde Zeit hatte. Er lies sich ein Bad ein, öffnete eine Flasche Bier, drehte die Musik auf und schloss die Augen im warmen Wasser.
Moni stand vor dem schmalen Spiegel und betrachtete sich skeptisch. Sie hatte schon immer ihre Problemzonen an Bauch und Hüfte. Herbert nannte ihren Speck zwar Erotik pur, doch sie selber war da weitaus kritischer. Das grelle Neonlicht in dem Krankenhaus Badezimmer machte es nicht besser. Die ersten grauen Haare waren zwar aktuell übertüncht worden, doch man sah sehr wohl, dass der Zahn der Zeit an ihrem Körper nagte. Die blasse, an manchen Stellen noch grüngelbe Haut hing an Bauch, Hüfte und Oberschenkel leblos und schlaff herunter. Überall Narben, Schrammen, Pflaster und Verbände. Auch im Gesicht rote Flecken, Narben und sogar zwei kleine Pickel. Sie zupfte einige schwarze Härchen an ihrem Kinn heraus. Bei den Augenbrauen musste ebenfalls nachgeholfen werden. Inzwischen wusste sie, dass Uwe zwei Jahre jünger war!
Da plötzlich! Ein kleines Ding, so etwas wie ein Gewissen, setzte sich von einer Sekunde auf die andere bei ihr auf die Schulter, schaute ihr zu, klopfte dann aber freundlich an, Hallo! Gehts eigentlich noch? Was tust du hier? Was ist mit Herbert? Denkst du bitte daran, dass du schon Oma bist?
Genau in diesem Moment klopfte es, Nicole trat herein.