Die Frauen saßen gemütlich bei Tee und Keksen im Handarbeitszimmer. Von oben schallten entweder Gelächter oder musikalische Klänge herab. Kim und Käthe waren bester Laune, worüber sich Moni richtig freute. Georg, Franz und Max hatten einiges zu besprechen, sie saßen bei Bier und Wein in der Küche. Immer wieder hörte man die männlichen Stimmen murmeln, dazwischen auch mal lautes Lachen. Schnell hatte sie das ukrainische Mädchen, welches so hilflos und verängstigt wirkte, in ihr Herz geschlossen. Immer wieder lächelten sich die beiden zu.
Olga schien ebenfalls glücklich darüber, dass Käthes Mama so freundlich und liebevoll zu ihr war. Gleichzeitig verhielt sie sich wie ein scheues Reh. Sie unterhielten sich über Handarbeiten sowie ihrem Herkunftsland Ukraine. Der Abend dauerte für Moni jedoch nicht sehr lange, denn sie war furchtbar müde und übernächtigt. Georg fuhr sie mit dem Auto direkt vor Tinas Haustüre. Nach einem größeren, anstrengenden Akt lag Moni fix und fertig in dem gemütlichen Gästezimmer oben im ersten Stock.
Die Augen fielen ihr zu, dennoch erkannte sie die Nachricht auf ihrem Handy. Mein Engel, ich will dich küssen, du fehlst mir. Mit letzter Kraft wählte sie Uwes Nummer, um ihm eine wunderschöne Gute Nacht zu wünschen.
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Lina saß vor einer langen Liste, auf der schon einige Stichworte angehakt waren. Am kommenden Sonntag hatte ihr Sohn Gerhard seinen vierten Geburtstag, es gab noch viel zu erledigen. Die Einladungen hatte sie, wie immer, viel zu spät verschickt. Dennoch sagte die komplette Verwandtschaft zu. Bis auf Omi Moni und Opi Herbert kamen dieses Jahr alle zum Fest. Uta und Klara hatten sich freiwillig angeboten, einen Kuchen zu backen. Flo gab ihr das Versprechen, den Großeinkauf zu übernehmen. Auch hier setzte sie einen Haken. Ihr Papa Paul holte die Kids morgen ab, sie durften bis Sonntag bei ihm bleiben. Gerhard hatte sich ein großes Feuerwehrauto von Playmobil gewünscht, es lag bereits hübsch verpackt im Auto. Lina lehnte sich zufrieden zurück. Sie erwartete jetzt einen Rückruf von ihrer Mama, da sie einige Fragen hatte. Aber scheinbar hatte die ihr Handy aus oder keinen Empfang. Sie fühlte sich mal wieder von ihrer Mutter ihm Stich gelassen.
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Nach einem leckeren Schlemmer-Frühstück kam Olga vorbei. Sie hatte sich sofort bereit erklärt, Moni im Bad und beim Anziehen zu helfen. Gleichzeitig freuten sich Lara und Linus, mit ihr die Strohsterne für die Fenster zu basteln. Moni vergaß ständig, dass es inzwischen Adventszeit war. Kim und Käthe genossen die letzten Stunden alleine, da Kim heute zurück zum Wochenenddienst musste.
„Du bist ein wunderbares, liebes und freundliches Mädchen, weißt du das!“ Moni war restlos begeistert von Olgas sanfter, zurückhaltender Art. Olgas Wangen erröteten, sie senkte den Kopf. „Danke, das hat mir bis jetzt noch niemand gesagt.“ Noch dazu hatte das Mädchen einen überaus süßen Dialekt, so empfand zumindest Moni. Olga bürstete ihre langen Haare. „Sie sind wunderschön, darf ich sie Ihnen waschen?“ „Ach Mädel, ich bin doch die Moni, du musst mich nicht siezen.“ Vor lauter Freude fiel sie ihr um den Hals. „Vorsicht, Vorsicht!“, lachte Moni.
Später wurde Moni von Georg mit dem Wagen abgeholt. Sie sahen, wie Max die Pferde auf die Winterkoppel führte. Rita war in der Küche mit Kochen und Backen beschäftigt. „Magst du reiten?“, Georgs Augen blitzten.
Moni lachte, „Ich mag alle Tiere hier auf dem Hof, doch ich bin kein Pferdenarr, falls du das meinst? Mit Reiten habe ich es nicht so.“ Georg grinste amüsiert. Erst im Nachhinein kapierte sie die Anspielung. Karl stand neben der Stalltüre, er hob langsam seine Hand zum Gruß. Moni nickte dem sympathisch wirkenden Mann freundlich zu. Georg erzählte ihr seine traurige Geschichte. „Ohje mine, bei einem Brand alles verloren? Und die Frau gestorben? Wie furchtbar!“, Moni wirkte ernsthaft geschockt.
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Nicht ganz pünktlich fuhr Uwe von Salzburg los. Die Angestellten des Hotels konnten sich lustige Anspielungen bezüglich seines aktuellen Autos nicht verkneifen. Daher saß er gut gelaunt hinter dem Steuer. Gerne hätte er seiner Moni ein Mitbringsel aus der Stadt gekauft. Doch die Zeit lief ihm davon. Unterwegs kontaktierte er Victor für einen aktuellen Lagebericht. Mit Peter klappte es soweit gut, das war ja auch zu erwarten. Gemeinsam mit den Assistenzärzten würden sie abwechselnd das Wochenende bis Sonntag Nachmittag meistern. Das Telefonieren gestaltete sich etwas ungeschickt, da sein Handy nicht mit Monis Auto gekoppelt war.
„Du kommst auf den Hof oder? Wir haben heute Abend im Gasthof reserviert. So gegen halb sieben, mit der ganzen Sippschaft. Ich hoffe, das ist dir recht?“ Georg hatte wieder seine Ideen umgesetzt.
„Ja, natürlich. Wie geht es meiner Patientin?“ „Alles wunderbar, sie freut sich auf dich. Im Moment ist sie mit Franz im Stall. Die Kühe haben ihr es angetan, nicht die Pferde wie ich dachte.
Uwe verdrehte genervt die Augen, dann wählte er Thommys Nummer, um ihm endlich von seinen Liebesnächten zu erzählen. „Stell dir vor, mein Herz steht in Flammen!“ Thommy wollte einen der typischen Männerwitze zum besten geben, doch da fiel ihm ein, dass Uwe solche Späße gar nicht mochte, oder teilweise überhaupt nicht verstand.
Die Vorfreude auf seine Herzdame wuchs von Minute zu Minute. An der Tankstelle kurz vor Montan hielt er nicht nur zum Tanken an. Großzügig kaufte er drei Blumensträuße, zwei Überraschungseier für die Kleinen und ein großes, rotes Plüschkissen in Herzform mit der Aufschrift ICH LIEBE DICH Auf so eine Idee war er in seinem bisherigen Leben nicht gekommen, doch er war glücklich darüber, dass er jetzt einen Schritt weiter war.
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Lina war jetzt richtig sauer. Von Käthe hatte sie erfahren, dass ihre Mama übers Wochenende beurlaubt war. Und da fuhr sie lieber auf den Hof anstatt in ihre Heimat? Sie hätte ja genauso gut mit dem Zug fahren können, oder? Sie schrie Schimpfworte durch das Zimmer und wählte erbost die Nummer ihrer Tante, um ihr diese Unverschämtheit zu erzählen. „Was will en die dort? Hat se scho an andrn? Den Dokder odr was?“Uta beschwichtigte, dachte aber nach dem Telefonat ebenfalls darüber nach, zumal sie ihre Schwester nicht erreicht hatte. Da wäre ja nun wirklich das Letzte... also nein... das Allerletzte! Nicht auszudenken!
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Beim Bezahlen erst erkannte ihn der Ladenbesitzer. „Ach Uwe, du bischts“, mit dem Finger zeigte er auf den Kleinwagen, „Hascht a Audo klaut?“ Uwe zahlte grinsend. Herzklopfen begleitete ihn auf den letzten Kilometer.
Es war eiskalt, dreckiger Schnee lag auf den Wegen und Plätze am Hof. Uwe parkte und blicke sich suchend um. Moni fand es amüsant, als sie sah, wie ihr Wagen an der Einfahrt stand. Ein extrem schick gekleideter Mann stieg aus. Moni rieb sich die Augen, hä? Wer war das denn? In dem anthrazit farbigen Anzug, dem silbernen Hemd mit den dazu passenden silbrig glänzenden Halbschuhen, hätte sie ihn fast nicht erkannt. Die Haare hatte er streng mit Pomade nach hinten gekämmt, die Bartstoppeln waren weg. Seine aufrechte, stolze Haltung, seine Gestik und die Mimik. Alles zusammen gesehen, war ihr jetzt endlich klar, dass das kleine Ding auf ihrer Schulter vielleicht doch recht hatte. Ein Mann von Welt, ein Chefarzt, vermutlich stinkereich, war in der Tat nicht ihre Liga! Trotzdem humpelte sie ihm mit Franz Hilfe entgegen.
„Hey und hallo. Sind Sie die Magd?“ Rief er lachend, dann eilte er herbei, nebenher versuchte er, auffällig unauffällig seine Uhr unter dem Sakkoärmel zu verstecken. Liebevoll nahm er seine Herzdame in den Arm, küsste sie wild und zwickte ihr frech in den Hintern. „Bäh du stinkst nach Stall“. Moni zog ihn am Ohr. „Blödmann“. Georg kam zur Begrüßung ebenfalls dazu, nahm Uwe großzügig die Reisetasche ab. Eine extrem hübsche schwarze Ledertasche mit der Aufschrift Saint Laurent, Paris. Moni erkannte die Luxusgüter, die Uwe umgaben, erst heute. Das Ding hatte tatsächlich recht. Plötzlich spürte sie den Drang in sich, von hier zu verschwinden.
Sie wartete auf der Couch, während sich Uwe aus dem Anzug schälte. Doch heute sah er auch in seinen legeren, privaten Kleidern so ganz anders aus. Zu einer engen schwarzen Jeans trug er ein grau-weiß kariertes Designerhemd von Balmain Paris, dazu graue Stiefeletten im Cowboy Look. Moni schluckte, sie kam sich so schäbig vor in ihrem plumpen Jogging-Anzug.
„Ach, ist das der Ärztekongress-Look?“ „Ja, mein Engel, gefällt es dir?“, freute sich Uwe, doch bei Moni liefen die Tränen. Da stand er, wie ein begossener Pudel und verstand die Welt nicht mehr. Er biss sich auf die Unterlippe, fuhr sich durchs Haar. „Was habe ich denn nur falsch gemacht?“ Moni schüttelte den Kopf und hob ihre Hand.
Aus der Tasche holte er den Strauß, leise murmelte er, „Für dich“, dann hielt er sich das Kissen vor sein Gesicht. „Ach Uwe, du bist ein Schatz!“ Nun lächelte Moni wieder, gerne hätte sie es ihm erklärt. „Ich...“ Doch in dem Moment wurde die Türe aufgerissen, herein kamen die Kleinen und freuten sich wahnsinnig auf ihren Onkel.