Tina überraschte ihren Bruder mit einer Schüssel vom heutigen Mittagessen aus dem Huberhof. Rita und Käthe hatten Tiroler Gröstl gekocht, Uwes Lieblingsspeise. „Du, hier? Meeeensch“, Uwe freute sich tierisch, hakte sich bei Tina unter, gemeinsam schlenderten sie in den Verwaltungstrakt. In einem leeren Besprechungszimmer aß er hastig das leckere Essen.
„Uwe, wie geht es dir? Du siehst übermüdet aus mit deinen Augenringen!“ „Ja ich weiß, schließlich bin ich heute Nacht nicht zum Schlafen gekommen. Aber es geht mir hervorragend, wirklich mein liebes Schwesterchen!“ Tina erzählte vom Hof, von den Kids und den Welpen. „Linus und Lara fragen ständig nach ihrem Onkel, komm doch mal wieder vorbei!“ Ebenso erkundigte sie sich nach Moni. Da sprudelte es nur so heraus. Er erzählte seiner Schwester die ganze Geschichte, auch von dem Brief von Susan. „Gleich werden wir ein Gespräch haben, wir werden Peter wieder einstellen!“
Tina nickte, nahm Uwes Hand und drückte sie. „Du musst selber entscheiden, was du tust. Dennoch mache mir ein wenig Sorgen. Das Unglück von Moni und ihrem Mann ist gerade mal zwei Monate her. Ob sie schon so weit ist?“ Er zuckte mit den Schultern, senkte den Kopf und mit zusammengepressten Lippen raunte er, „Wahrscheinlich nicht“.
Georg kam zu den beiden, da die große Besprechung kurz bevorstand. Tina verabschiedete sich von den Männern, küsste beide und drückte sie herzlich. Sie würde die Zeit in Innsbruck nutzen und sich mit einer Freundin treffen.
Uwe sah beleidigt seinen Vater an. „Du hast sie mir geschickt, oder?“
„Komm mit mein Sohn, die Ärzte erwarten dich.“
„Warte“, Uwe nahm sein Telefon zur Hand.
Moni wurde von einer ihr unbekannten Schwester sanft und freundlich geweckt. „Bitte aufwachen, der Chefarzt erwartet Sie im Besprechungsraum!“
Überrumpelt und verwundert humpelte sie ins Bad, wusch sich Gesicht und Hände. In Windeseile hüllte sie sich in eine Parfümwolke, steckte mit schnellen Griffen die wilden Haare hoch, um sich endlich in den Rollstuhl plumpsen zu lassen. Sie gähnte heftig, „Puhh, so ein Stress“. Die junge Krankenschwester kicherte.
Nicole hatte den Tisch mit verschiedenen Getränken und Köstlichkeiten decken lassen. Peter saß stocksteif und ernst dreinblickend auf seinem Stuhl, neben ihm seine Frau. Victor hatte Schwester Maria mitgebracht. Die Krankenschwester schob den Rollstuhl ins Zimmer. Sie parkte Moni direkt bei Uwe. Dieser nickte seiner Herzdame freundlich zwinkernd zu, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck zu einer strengen, ernsten Miene. „Servus alle zusammen, kommen wir gleich auf den Punkt. Herr Dr. Peter Wahl, wir beide werden nie wieder Freunde werden, das ist klar. Doch als Oberarzt schätzen wir Ihre Arbeit sehr.
Nach langen Überlegungen werden wir“, dabei zeigte er auf seinen Vater, „Werden wir Sie für die Station K1 wieder einstellen. Vor allem, damit ich mehr Zeit mit meiner Verlobten verbringen kann.“ Er gab Moni einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Die Probezeit wird ein halbes Jahr dauern, in diesem Zeitraum werden wir sehen, wie alles klappt. Der Dienstplan wird so eingeteilt werden, dass ich Sie höchstens von hinten sehe, oder am besten gar nicht. Lediglich Victor wird ihr Ansprechpartner sein.“ Uwe hielt inne, sah in die angespannten Gesichter der Anwesenden.
„Das wars, Sie können sofort anfangen.“ Peter hatte den Blick gesenkt, er zitterte, doch seine Frau streichelte ihn. „Danke, es freut mich sehr, vielen Dank.“ Peter fing an zu weinen.
Uwe hielt sich am Rollstuhl fest, um dann schnell mit Moni davon zu fahren. Den Rest sollte sein Vater regeln. In Monis Krankenzimmer steckte er seinen Kopf unter das kalte Wasser. Ihm war kotzübel, es kam ihm eine große Flasche Whiskey in den Sinn. Stattdessen gab er seiner Herzdame, die fragend auf dem Bett saß, einen innigen Kuss auf den Mund „Danke mein Engel, dass du für mich da warst. Leider habe ich heute noch wahnsinnig viele Termine.“ Mit diesen Worten schritt er eiligst hinaus.
Erst sehr spät an diesem Abend kam er ins Zimmer zurück. Moni saß strickend auf dem Bett. Strahlend erklärte sie Uwe, dass ihr das aufwändige Muster für seine Socken viel Spaß bereitete. Er schloss sie in die Arme und küsste sie zärtlich. Er liebte diese wunderbare schwäbische Frau über alles. „Ich habe mich so auf dich gefreut, mein Engel.“
In der Wohnung half ihm Moni, so gut es eben ging mit ihren Einschränkungen, beim Aufräumen. Uwe löste ein Pulver in einem Wasserglas. Moni sah in böse an. „Hey, keine Angst, das ist nur meine Energiemischung. Magnesium, Kalium mit viel Vitamin C.“
Nach einer schnellen, kalten Dusche fühlte er sich wieder frisch. Moni hatte sich in der Zwischenzeit mit dem hochmodernen Kaffeeautomaten angefreundet. Auf dem Tisch hatte sie zwei Cappuccino in äußerst schicken Gläsern gestellt, daneben eine Glasschale mit Schokokeksen. Das kleine Ding auf ihrer Schulter schaute ihr zu und schimpfte die ganze Zeit. Du bist so doof, du machst alles nur schlimmer, du hast hier nichts verloren!!!
Sie hörte nicht darauf.
Umständlich zündete sie die Kerzen an. Leise dudelte das Radio. Uwe nahm ihre Hand, vergrub sein Gesicht an ihrer Seite und atmete ihren weiblichen Duft ein. Sein Köper gierte nach ihr, doch sie tranken gemütlich den Kaffee, knabberten an den Keksen. Uwe erzählte von seinem anstrengenden Tag. Endlich kam Moni zu Wort, „Das war schon sehr überraschend heute Mittag wegen Peter!“ Uwe nickte, grinste frech, „Ja, aber es musste sein, bitte Entschuldige. Ich habe das gebraucht!“
Immer wieder küssten sie sich lange und leidenschaftlich. Moni stand auf, zeigte ihm ihre neuen Übungen und kicherte, weil sie umzufallen drohte. „Und das ohne Alkohol, gell!“ Das war das Stichwort für Uwe. Er tauschte die Kaffeebecher gegen zwei Gläser Wein. Auch in dieser zweiten Nacht erkundeten die beiden den Körper des anderen. Es dominierten Lust und Leidenschaft. Glücklich und engumschlungen schliefen sie wenigstens ein paar Stunden.
Am Klinikkiosk kaufte der Chefarzt zwei belegte Brötchen und Brezeln. Moni hatte Latte macchiato zubereitet. „Macht Spaß mit dem Ding“, grinste sie frech.
„Hör zu,“ Uwe hatte ihre Hand genommen. Sein Blick war ernst. „Bitte hör ganz genau zu!“ Moni erschrak. „Was ist?“
„Ich fahre heute nach Salzburg zu einem Ärztekongress. Meine Teilnahme ist wichtig, denn ich halte ebenfalls Vorträge. Das ganze Prozedere dauert meistens bis spät in die Nacht. Nach dem Frühstück sind ebenfalls Vorträge geplant. Deswegen werde ich über Nacht dort bleiben müssen.“ Moni nickte.
Aus seiner Tasche holte er verschiedene Schlüssel, die er auf den Tisch legte. „Das hier ist der Wohnungsschlüssel, du kannst einfach hierbleiben oder jederzeit herkommen. Auf Station habe ich Bescheid gegeben, es wird immer eine Schwester für dich Zeit haben. Auch Nicole ist bis 18 Uhr heute da.“
Wieder nickte Moni stumm. „Das hier ist der Schlüssel für das Proleten -Schnösel- Auto, ich habe mir gedacht, ich fahre mit deinem. Dann sieht das nicht so angeberisch aus.“ Moni zog ihn spielerisch am Ohr, kniff dabei die Augen zusammen.
„Das hier ist der Schlüssel zur noch nicht fertigen Wohnung auf dem Huberhof in Montan. Falls du dir das mit den Möbeln überlegt hast.“ Sie schaute an sich herunter und unterbrach ihn. „Toll, ich kann weder laufen noch Auto fahren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Nicht mein Problem. Das hier ist der Zentralschlüssel der Klinik. So kommst du immer und überall rein, ja? Verlier ihn nicht!“
Moni verdrehte die Augen und wippte auf dem Stuhl. Das kleine Ding auf ihrer Schulter hatte sich versteckt. Scheinbar hatte es Angst.
„Das hier ist meine Kreditkarte, damit es dir an nichts fehlt. Vor allem benötigen wir ja Bettzeug!“ Mit einem schwarzen Stift schrieb er die Zahlen 3346 auf ihre Hand. „Das ist die PIN, bitte, verlier auch sie nicht.“
„Ähm, wie lange bleibst du?“
„Wenn alles gut läuft, bin ich morgen spätestens um 15 Uhr wieder da. Hältst du es so lange ohne mich aus?“ Er zwinkerte frech.
„Du bist ein richtig verrückter Spinner, Herr Dr. Ortner. Bist du da in einem Hotel?“ Uwe nickte, fühlte sich sogleich ertappt. „Ja, ähm, wo soll ich denn sonst sein?“ „Hätte ja sein können, dass du auch in Salzburg ne Wohnung oder so hast.“ „Ne, ne ich bin da im Hotel“. Dass es sein Eigenes war, verschwieg er ihr. So ein Mist, er hasste Unehrlichkeit. Moni sah es ihm an, dass er schwindelte.