Elsbeth stand an dem sauberen Bottich mit der Ziegenmilch. Die Milchsäurebakterien hatte sie bereits zugegeben. Ständig beobachtete sie die Temperatur der Milch, was sehr wichtig war. Heutzutage ging das ja alles maschinell. Käthe stand fasziniert und hochkonzentriert gegenüber und achtete auf jeden Arbeitsschritt von Elsbeth. Diese erzählte ihr, wie mühsam das Käse machen früher ohne die ganze Technik war. Als man den Bottich über einem Feuer erhitzt hatte und mit den Armen stundenlang rühren musste.
Als nächstes gab Elsbeth das Lab dazu, jetzt wurde es Zeit für eine Pause. Käthe nutze diese und schrieb sich stichwortartig das bisher Geschehene in ein Notizbuch. Handschuhe, Haube und Stiefel zog sie aus, als sie nach draußen ging. Genüsslich rauchte sie ihre drei Zigaretten.
Nach einer guten halbe Stunde kehrten die beiden zurück. Die Milch war inzwischen geronnen. Elsbeth überprüfte mit einem Messer, ob die Masse gestockt war. Mit der Käseharfe konnte sie nun den Bruch schneiden. Käthe war total fasziniert, fand es aber auch schade, dass sie heute vor allem Zuschauerin war. Von außen nach innen wurde die Masse umgelegt. Bei diesem Vorgang trennte sich die Molke vom Käsebruch. Nun kam der Zeitpunkt der Entscheidung. Welches Gewürz sollte verwendet werden? Endlich durfte Käthe helfen, sie gab etwas Knoblauch und Bärlauch der Masse hinzu. Das Salz aber musste noch warten. Schnell schrieb sich Käthe weitere wichtige Fakten ins Notizbuch. Mit der Lochkelle fischten die beiden nun den weißen Käsebruch heraus. Diesen beförderten sie in saubere Plastikgefäße, welche mit einem Deckel verschlossen und gleichzeitig angepresst wurden. Wieder hatten sie eine Stunde Pause. In dieser Zeit wurde der Käse fest und nahm die Form des Gefäßes an. Käthe schrieb, rauchte und ging zu Franz in den Stall. Aufgeregt erzählte sie ihm von der Käserei.
„Hey Käthe, super des gfreit mi. Gerade war auch dr Karl hier, der fragte nach deiner Mutter“. Franz hatte einen seltsamen Dialekt. Ein wenig österreichisch gemischt mit einem sehr korrekten Hochdeutsch. „Echt? Warum das denn?“ Franz zuckte mit den Schultern, „Keine Ahnung, aber der war komisch sag ich dir“.
Später durfte sie den Käse salzen. Das war wichtig für Haltbarkeit und Geschmack. Käthe erfuhr, dass Frischkäse nur einen Tag benötigte, bis er für den Verzehr gereift war. Sie liebte das Käsen sofort an diesem ersten Tag. Schon jetzt dachte sie sich Gewürzmischungen aus, fielen ihr witzige Namen ein, die sie ihrem Ziegenfrischkäse geben konnte.
Hartkäse musste 24 Stunden in der Form bleiben und mehrere Monate reifen. Aber das würde Käthe später lernen.
Da Tina und Max nur eine kleine Herde hatten, wurde die Ziegenmilch zwei bis drei Tage im Tank gesammelt, bis sich das Käsen wieder lohnen würde. Die Milch der Kühe wurde derzeit noch in die kleine Bergmolkerei in den Nachbarort gebracht. „Erst wenn der Winter Einzug hält, dann machen wir daraus Heumilchkäse. Dann behalten wir auch die Kuhmilch hier und machen sogar Butter.“ Elsbeth erzählte Käthe vom Buttern und all den weiteren Molkereiprodukten, die man gut selber herstellen konnte
Am Ende des Tages wurden die Gefäße, der Bottich und alle benutzten Utensilien gründlich gespült und gesäubert. Hygiene war sehr, sehr wichtig. Elsbeth ließ Käthe von der Molke probieren. „Mhmmm, ist ja wirklich lecker“, stellte diese überrascht fest. „Ja, oder? Und so gesund!“
Von der Molke füllten sie zwei große Flaschen ab und gaben sie an Rita. Den Rest verfütterte Franz an die Kühe und Ziegen, eine willkommene Abwechslung für die Tiere.
Glücklich und erschöpft schlief Käthe mit einem Lächeln im Gesicht direkt nach dem Abendessen ein.
***
Georg blieb über Nacht in der Klinik, er hatte sich um Schreibkram, Werbung und verschiedenen Anfragen gekümmert. Jetzt war er viel zu müde, um heimzufahren. Bei den spärlichen Bewerbern für die ausgeschriebene Stelle des Oberarztes, war leider noch kein passender Kollege dabei. Was vielen fehlte, war die wichtige, mehrjährige Erfahrung als Hirnchirurg. Mit Victor lief er die Abendrunde durch Station. „Georg, ich würde gerne mit dir über Peter reden. Wär das für dich in Ordnung?“ Georg schaute ihn düster an, „Wenn es unbedingt sein muss“.
Uwe hatte schon zwei Mal bei Moni angerufen, scheinbar schlief sie noch immer. Er disponierte um, holte seinen Wagen aus der Tiefgarage und erledigte jetzt gleich seinen Großeinkauf. Bier, Säfte, Kaffee, Milch und Wasser mussten angeschleppt werden. Nicht nur für das Wochenende mit Thommy wollte er gewappnet sein. Zusätzlich würde er seinen Kühlschrank füllen. Er hatte sich fest vorgenommen, ab jetzt öfters in der Wohnung zu sein, auch um dort zu kochen und zu essen. Nachdem er alles verstaut und aufgeräumt hatte, war es schon nach acht. Hastig eilte er auf seine Station, da sah er Georg und Victor eifrig ins Gespräch vertieft im Schwesternzimmer sitzen. Sie nickten ihm abwesend zu. Aus seinem Zimmer holte er die Geschenke für Moni. Aufgeregt stand er vor ihrer Tür und klopfte.
„Herein!“
Erstaunt sah Moni zu ihrem Besuch, den man nicht sofort erkannte, da der riesige Strauß alles verdeckte. „Einen wunderschönen Abend, meine Liebe. Wie geht es dir inzwischen? Habe dir eine Kleinigkeit mitgebracht.“
„Ach herrje, du bist ja völlig verrückt. Ja, ähm. Nun, nachdem ich den halben Tag verschlafen habe, geht es jetzt eigentlich. Ach Gott, wie wunderschön sie sind“, Moni strahlte, während sie versuchte, den Strauß zu fassen. Das war mit nur einer Hand kaum möglich. Sie sog den wunderbaren Duft der Rosen ein. „Mhmmm, wow. Wie wunderbar sie duften. Dankeschön, das ist so lieb von dir.“ Sie nahm die Karte, die zwischen den Dornen steckte heraus, sah das dicke rote Herz, grinste, war dann aber doch ziemlich perplex.
Sie fragte Uwe nach einem Kaffee. „Oder ist es dafür schon zu spät?“ Uwe schüttelte den Kopf, „Ist ok, ich trinke einen mit.“ Frech drückte er auf die Taste des Schwesternrufs, durch die Gegen-Sprechanlage forderte er zwei große Kaffeebecher an.
Nachdem Moni ihm die Fortschritte der auszuführenden Übungen zeigte, erzählte Uwe von seinem anstrengenden Tag. „Ich habe mir tatsächlich für 240,00 € Lebensmittel angeschafft“, lachte der Chefarzt. Dann hielt er die beiden übergroßen Taschen in die Höhe. „Tata, ich habe noch viel mehr eingekauft“. Moni runzelte die Stirn, „Was hast du denn vor?“
„Alles für dich!“
„Hä? Und warum?“
Da begann Uwe das erste Paket auszupacken, mit einer ausladenden Geste überreichte er Moni die Trüffel. „Oh danke! Wie lecker, die essen wir jetzt gleich zu unserem späten Kaffee. Ein Betthupferl sozusagen.“
Neugierig versuchte Moni einen Blick auf den weiteren Inhalt zu erhaschen. „Was hast du denn noch so dabei?“ Uwe fuhr sich aufgeregt mit der Zunge über die Lippen, dabei kratzte er sich am Hinterkopf. „Ich, ähm, ich wollte dir heute unbedingt eine Freude machen. Und weil deine beim Unfall zerstört wurde habe ich dir...“, er wühle ungeschickt in der Tasche und übergab ihr einen hübsch dekorierten Karton. Moni runzelte wieder die Stirn. Vorsichtig öffnete sie die goldene Verriegelung und klappte den Deckel nach hinten. Eine glänzende, aber dennoch schlichte Uhr lag auf einem roten Samtkissen. Sie war wunderschön. „Was? Für mich?“ Uwe nickte. „Aber das kann ich doch nicht annehmen!“
„Doch, bitte“.
In Windeseile packte er sämtliche Magazine und Strickvorlagen aus der großen Tasche und plapperte munter drauf los. „Da du bald wieder stricken kannst, brauchst du unbedingt die neuen Modelle. Was denkst du?“ Jetzt wurde es der schwäbischen Frau zu viel. Tränen liefen ihr aus den Augen, eine ihr unbekannte Schwesternschülerin brachte genau in diesem Moment den Kaffee. Dankend nahm Uwe ihr die beiden Tassen ab, verschüchtert zog die junge Mitarbeiterin wieder von dannen.
„Oh mein Gott. Du bist wohl ein völlig übergeschnappter Chefarzt, oder?“ Moni lachte und weinte gleichzeitig. Des Weiteren zauberte Uwe verschiedene bunte Wollknäuel aus der Tasche, warf sie lachend aufs Bett, „Das hier ist neu, und das hier und die hier, total modern und die...“, Moni streckte die Hand nach ihm aus. Vorsichtig nahmen sie sich in den Arm, Uwe streichelte ihr über den Rücken.
„Danke. Danke für alles.“
Chefarzt Dr. Uwe Ortner schaute seine Patientin ernst an. Seine Hände waren feucht, sein Herz schlug schneller. Er schluckte, „Moni, du bedeutest mir sehr viel. Mein größter Wunsch ist es, dass du wieder ganz gesund und glücklich wirst.“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust, er drückte sie zu sich heran, fest und gleichzeitig zärtlich. Sie fühlte die Geborgenheit und Wärme, die er ausstrahlte. Ein wohliges Gefühl breitete sich aus. Langsam drehte sie ihr Gesicht zu ihm, sie waren sich so nah, nur ein paar Zentimeter bis zu seinen Lippen.