„Peter besuchte mich vor kurzem. Wir saßen zusammen draußen im Park. Er bat mich um ein Gespräch, er war total fertig und runtergekommen. Ich habe ihm dann auch tatsächlich zugehört. Es war eine längere, traurige Geschichte. Natürlich ist mir klar, dass dir Peter ziemlich egal ist. Er wollte auch nichts beschönigen. Fremdgehen ist eine riesengroße Sauerei, ich bin da ganz klar auf eurer Seite.“
„Komm auf den Punkt Victor, ich bin müde“, Georg wurde ungeduldig.
„Es geht mir wirklich nur um unsere Situation auf Station K1. Wir brauchen Peter wieder hier bei uns. Er würde alles dafür tun! Natürlich schiebe ich weiterhin, bis ein Ersatz gefunden wurde, den doppelten Dienst, so wie ich es versprochen hatte.“
„Gut, danke. Also, was willst du dann? Uwe und ich wollen diesen Typen nie wieder sehen.“
Victor kniff die Augen zusammen, „Ja, ich weiß. Kann das auch verstehen. Aber dennoch... Meine Idee wäre, ein gemeinsames Gespräch mit Peter, seiner Frau, Uwe, dir und mir. Vielleicht finden wir einen Kompromiss? Wir könnten die Dienste so einteilen, dass Peter und Uwe nicht zusammen arbeiten würden. Ich...“
„Stopp! Lass mich darüber eine Nacht schlafen, ja?“ Die beiden Ärzte standen auf, ein jeder lief in eine andere Richtung.
***
Uwe hatte schon die Augen geschlossen, so gerne würde sie ihn küssen, aber es ging nicht. Das konnte sie ihrem Herbert nicht antun. Auf keinen Fall.
Niemals.
Sie seufzte.
Er spürte ihre Zerrissenheit, löste sich langsam aus der Umarmung. Liebevoll streichelte er weiterhin ihre Hand. „Du bist noch nicht so weit, ich weiß. Aber wir haben alle Zeit der Welt“. Sie tranken schweigend den inzwischen kalten Kaffee, dabei lutschten sie an den Pralinen, die wirklich besonders lecker waren. Moni drückte wild auf der Fernbedienung herum, sie suchte nach einem Musiksender. Jetzt zeigte Uwe ihr den Inhalt von der zweiten Tasche. „Sieh mal, hier habe ich einige Prospekte von Einrichtungshäuser mit gebracht. Ich dachte, du könntest mir dabei helfen, ein paar schicke Möbel auszusuchen. Alleine schaff ich das nicht, bei dieser großen Auswahl. Außerdem hab ich dafür gar keine Zeit. Oder viel mehr, keinen Kopf für sowas.“
„Nicht dein Ernst, oder?“ Sie blätterte in einem Prospekt mit wunderschönen Naturholzmöbeln kombiniert mit Aluminium und Edelstahl. Sehr schick und exklusiv. Bestimmt auch sehr teuer. „Gibts auch eine Preisliste dazu?“
Uwe zuckte unwissend mit der Schulter, blätterte ebenfalls in einem der Hefte und legte sich dazu bequem neben Moni aufs Bett. „Der Preis ist doch jetzt erstmal egal.“ „Ach ja, stimmt. Das hattest du ja bereits erwähnt“, dann lachten beide laut und herzlich. Moni schlug scherzhaft mit dem Prospekt auf Uwes Kopf.
In diesem Moment klopfte es an der Zimmertür und Georg spazierte herein. „Uwe, hier bist du. Frau Häberle, schön Sie lachen zu sehen.“ Immer wenn er die beiden zusammen sah, verspürte er eine Art Eifersucht in sich. „Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich mich schlafen lege. Gute Nacht“.
Uwe blieb noch eine halbe Stunde bei Moni, da fing sie an zu gähnen. „Och, ich bin schon wieder so müde.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und wünschte ihr eine gute Nacht. „Wir sehen uns morgen, ja? Schlaf schön.“ „Nimmst du mich nochmal in den Arm? Das tut so gut.“ Moni hatte sich schon an ihn gewöhnt. Uwe genoss die Nähe, in der festen Umarmung spürte er Monis volle Brüste und gleichzeitig seine Erregung. Er stöhnte leise auf. „Ich bin jetzt auch sehr müde, die Einkäufe muss ich auch noch aufräumen.“ Moni hauchte ihm einen Kuss auf die die Stirn. „Danke für die vielen Geschenke, war ja wie Weihnachten.“ Sie schlief sofort ein.
In der großen Wohnung warteten einige Taschen und Getränkekästen auf den Chefarzt. Er riss die Fenster auf, stellte die Musik laut und suchte nach Alkohol. Thommy hatte ihm den Tipp gegeben, auf Bier umzusteigen. Das könne er sich schließlich in Massen hinter die Binde kippen, ohne gleich die Besinnung zu verlieren. Was hatte der Freund für eine gute Idee, dachte er und trank die erste Flasche in einem Zug leer. Anschließend drehte er kaltes Wasser auf und stellte sich unter die Dusche. Die Sehnsucht nach Moni wurde täglich stärker. Nackt tanzte er durch die Wohnung, öffnete sich ein zweites Bier, nahm einen großen Schluck und rülpste laut. Er nahm sein Telefon und wählte Thommys Nummer.
***
Olga war wieder einmal enttäuscht von Käthe, denn sie hatte so wenig Zeit. In der Handarbeitsstube hatte sie den ganzen Abend gewartet. Bis Rita ihr mitteile, Käthe würde schon tief und fest schlafen. Das Käsen hatte sie scheinbar sehr angestrengt. Seufzend erhob sich Olga, schlurfte die Treppe hoch in ihr Zimmer. Das Wochenende stand vor der Tür, Käthe würde nach Innsbruck fahren und sie selber war wieder alleine. Traurig blickte sie aus dem Fenster. Sie erschrak, denn es hatte angefangen zu schneien. Was für eine schöne Überraschung. Sie öffnete die Balkontüre und trat hinaus Kälte. Ganz tief atmete sie die frische Luft ein. Es roch nach Winter und Weihnachten. Wie schön, sie liebte den Schnee. Gleich morgen wollte sie mit Tinas Kinder einen Schneemann bauen.
Rita saß alleine in der Küche, sie war ebenfalls enttäuscht. Schon wieder blieb Georg über Nacht in der Klinik, weil dort Not am Mann war. Und das alles nur wegen des sexuellen Triebes eines Oberarztes. Wie konnte man nur so eine Dummheit begehen? „Ach ja, die jungen Männer, ach ja, wie schade“, jammerte Rita. Aaron legte den Kopf zur Seite und schaute sie fragend an.
***
Moni lag wach in ihrem Bett und wartete auf den Arzt. Sie hatte schon wieder diese nervigen Kopfschmerzen, außerdem sollte ja der Gips abgenommen werden. Die Tür ging auf, Georg brachte ihr das Frühstück. „Einen wunderschönen Morgen“, rief dieser fröhlich. Moni lächelte verwundert, setzte sich aufrecht hin, „Danke Herr Ortner“. „Nenn mich doch bitte Georg. Es gab einen schweren Unfall, deswegen ist Victor unten in der Notfallaufnahme.“ „Oh je. Danke, dann muss ich eben noch warten. Kann ich was gegen diese blöden Kopfschmerzen haben?“ Georg stutzte, „Seit wann hast du die?“
„Seit ein paar Tagen, immer wieder mal. Allerdings habe ich das Gefühl, sie werden täglich heftiger.“
„Weiß Uwe davon?“
„Ja klar, er hat erst gestern Untersuchungen gemacht und auch Blut abgenommen.“ Nun streckte Moni ihre linke unverletzte Hand nach ihm aus. Georg sah diese gepflegte wohlgeformte Hand mit den schlanken, langen eleganten Fingern und gab ihr seine Hand. Ein warmes Gefühl durchströmte seinen Körper.
„Vielen Dank auch für den wunderschönen Abend und der lieben Gastfreundlichkeit für meine Töchter und meine beiden Enkel. Sie verbrachten wunderschöne Tage bei euch. Käthe fühlt sich so wohl und gut aufgehoben auf dem Hof. Sie ist so begeistert von den lieben Menschen, die dort wohnen.“ Monis Augen wurden feucht. „Von dem Dorf Montan schwärmt meine Tochter seit dem ersten Tag. Gerne würde ich euch bald wieder besuchen.“ Moni schenkte dem Senior Chefarzt ihr schönstes Lächeln, welches sie unter diesen Umständen zustande brachte.
Das berührte ihn sehr. Georg schluckte und drückte zärtlich Monis Hand. „Aber immer wieder gerne. Zu jeder Zeit bist du herzlich willkommen bei uns auf dem Hof.“ Unerwartet piepste es laut und bedrohlich aus seiner Manteltasche. „Oh, Notfall in der Aufnahme, ich muss gehen“.
Moni hatte keinen Hunger und ignorierte das Frühstückstablett. Sie klingelte stattdessen eine Schwester herbei, die ihr helfen sollte beim Waschen. Heute war Freitag, Wochenende und der erste große Besuchstag. Schnell tippte sie eine Nachricht an Uwe: Guten Morgen lieber Chefarzt, wann sehen wir uns? Dahinter setzte sie ein Herz.
Doch diese Frage konnte er nicht mehr beantworten, denn auch bei ihm schrillte der Notfall-Piepser. Gerade in dem Moment als er fröhlich pfeifend seine Wohnung verlies.
Sie hörte es in den Nachrichten, fassungslos berichtete der Radiosprecher: Innsbruck. Ein Lastwagenfahrer hatte eine rote Ampel übersehen und war ungebremst in einen belebten Fußgängerüberweg gefahren. Es gab vermutlich einen Toten und viele Schwerverletzte. Die umliegenden Krankenhäuser waren alarmiert. Die Polizei ermittelt...