Nicole fand die gemütliche schwarze Stretchleggings mit ein wenig Glitzer an Moni wunderschön. An der Seite hatte sie einen schmalen weißen Streifen. Eine weiße sportliche Bluse schnitten sie an den Ärmeln auf, damit diese am Ellenbogen nicht unangenehm drückte. Scheinbar hatte Moni ein wenig zugenommen, denn die Bluse spannte an den Knöpfen. Nicole fand dazu eine passende kurze schwarze Strickweste ohne Ärmel. Ihr Outfit war zwar sportlich, wirkte dennoch schick. Die Freundin hatte ihren Schminkkoffer mitgebracht. „Mir reicht oftmals nur ein wenig Make-up, eine Abdeckcreme ja, damit meine Haut ebenmäßiger wirkt. Ein wenig Lipgloss ist ebenfalls ok. An den Augen bitte kein Lidschatten, ich seh damit aus wie ein Clown.“
Dennoch hatte es Nicole geschafft, mit Wimperntusche und Eyeliner Monis grüne Augen wunderschön hervorzuheben und sie auf natürliche Weise zum Strahlen zu bringen. Moni spritzte sich ihr Lieblingsparfüm dezent auf Hals und Nacken. Anschließend bedankte sie sich bei ihrer Freundin, packte eine Flasche schwäbischen Rotwein in ihre Tasche, nahm die Krücken und setzte sich in den Rollstuhl. Es war schon kurz nach 18 Uhr. Inzwischen war sie mächtig aufgeregt. Nicole deckte sie mit einer Kuscheldecke zu. Schwester Heidi wurde eingeweiht, sonst hätte man Moni womöglich als vermisst erklärt.
„Ahhh, okeeee!
Nicole entschied sich für den Weg durch die Tiefgarage, denn er war kürzer und sie mussten nicht draußen fahren. Es war inzwischen kalt geworden, noch regnete es in Strömen. Vielleicht aber würden heute Nacht schon die ersten Flocken hallo sagen. Entzückt erkannte Moni ihr Auto. „Ach nein, wie schön, da steht er ja. Guck mal hier, neben dem ollen Schnösel-Proleten-Karren“. Nicole lachte laut, „Ach, du meinst bestimmt die Luxus Limousine von Uwe.“ Moni klatschte sich mit der Hand auf den Mund. „Ach du dicke Sch...“ Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. Das auf der Schulter sitzende Ding schrie ihr laut ins Ohr, Das ist nicht deine Liga, siehst du das nicht? Was machst du eigentlich hier? Spinnst du?
Doch Moni ignorierte die Warnungen.
Wie ein Tiger im Käfig lief Uwe im Kreis. In die Küche schaute er aus dem Fenster, lief zurück ins Wohnzimmer, rückte hier ein Kissen zurecht, öffnete da noch einmal ein Fenster, ging ins Bad, besprühte sich mit Deo. Diese Runden wiederholte er so oft, bis es endlich klingelte. Sofort verdoppelte sich sein Herzschlag, beim Laufen spürte er seine weichen Knie, seine Hände waren feucht. Hatte er jemals so empfunden? Er konnte sich nicht erinnern. Mit großem Schwung öffnete er die Tür. Da saß sie, aufgehübscht und strahlend. Seine Herzdame.
In der engen Jeans, den Sneakers und dem karierten sportlichen Hemd sah er wieder umwerfend aus. Ein Prachtexemplar von einem Kerl, dem eine lange Haarsträhne ins Gesicht fiel. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, was freie Sicht auf die muskulösen, behaarten Männerarme bedeutete. Die Narbe an seiner Schläfe wirkte extrem maskulin. Eine Duftwolke schwebte über ihm, dazu sein Zahnpasta-Lächeln... so gesehen hatte er keinerlei Ähnlichkeit mit dem Gehirnchirurg von der Klinik.
Das Ding auf Monis Schulter räuspere sich und appellierte ein letztes Mal Mein Gott, hau ab hier! Der ist gefährlich! Das hier wird extrem gefährlich!
„Hey meine Liebe, wie schön, du bist da. Komm rein“, Uwes Stimme war heiser vor Aufregung. Schnell half er ihr beim Aufstehen, schob dann den Rollstuhl in die Diele. Sie gab ihm ihre Tasche und humpelte mit den Krücken in die Wohnung. „Halli hallöchen, wow , wie wunderschön hier!“ Die hellen, großen Zimmer waren im Landhausstil eingerichtet. Es war noch nicht alles fertig, doch das störte nicht. Moni sah sich um, auf den ersten Blick war klar, dass alleine die Couchgarnitur vermutlich doppelt so viel an Wert hatte, wie ihre komplette Wohnungseinrichtung zuhause. Sie hob die Augenbrauen und rief staunend: „Mein lieber Scholli, nur vom Allerfeinsten für den Chefarzt.“
Uwe war verunsichert. „Ähm, gefällt es dir nicht?“ „Doch doch, ich bin nur so aufgeregt, da mache ich immer Späße“, Moni lachte laut. „Übrigens, dein Proleten Auto habe ich auch schon gesehen.“ Uwe legte den Kopf zur Seite, diese Art von Humor kannte er nicht. Nervös führte er sie zur Couch, wo sie es sich bequem machen und das rechte Bein hochlegen konnte. Auf dem Tisch hatte Uwe viele Kerzen stehen. Daneben zwei Sektgläser, einen Sektkühler mit Eiswürfeln und einer geheimnisvollen Flasche ohne Etikett. Geschickt öffnete er diese mit einem dumpfen Knall, zündete die Kerzen an und schenkte ein.
„Hast du heute Schmerzmittel genommen?“
Moni schüttelte den Kopf.
Das kleine Ding auf ihrer Schulter hüpfte aufgeregt Lass die Finger weg! Von allem hier. Hau hab, schnell, noch ist es nicht zu spät!
„Na, dann Prost!“ Elegant reichte er ihr das halbvolle Glas.
„Moni hör zu, du darfst das nur gaaaanz langsam trinken. Ich muss eigentlich völlig verrückt sein, aber... Auf dich meine Liebe. Auf einen wunderschönen Abend.“ Dann gab er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange, sah dabei, die Knöpfe an ihrer Bluse, die in Höhe ihrer Brüste drohten, aufzuspringen. Er roch ihr Parfum, die frisch gewaschenen Haare und sog die weiblichen Düfte in sich auf. Er konnte ein leises Stöhnen nicht verhindern.
Der erste Schluck war für Moni eine Explosion der Sinne. Der erste Alkohol nach über zwei Monaten. Hui. Was für ein guter Tropfen! Und wie sehr ihr dieser Sekt schmeckte. „Du hast recht, ich sollte wirklich nur sehr, sehr langsam trinken.“ Auch Uwe nippte brav nur ein wenig. Der Sekt war ihm völlig egal geworden, er musste sich beherrschen, dass er nicht sofort über Moni herfiel. Doch schließlich wollten sie ja gemeinsam kochen und essen.
Nicole hatte einen fertigen Teig gekauft, den man nur noch auf dem Backblech ausrollen musste. Während Moni die Zutaten für den Salat klein schnippelte, kochte Uwe unter Monis Anleitung eine Art Tomatensoße. Umständlich hantierte er mit dem Kochlöffel. "Sieht aus, als hättest du noch nicht oft so ein Küchengerät in der Hand gehabt." Uwe zuckte mit den Schulter, "Ähm, tja, ertappt!", er kicherte fröhlich.
Natürlich war auch die Küche niegelnagel neu, modern und mit hochwertigen Elektrogeräten ausgestattet. Eine Kochinsel und eine Anrichte ragten in Richtung Esszimmertisch, an dem sechs wunderschönen Holzstühle zum Verweilen einluden. Alles, wirklich alles war traumhaft hier.
„Was ich nicht verstehe, warum soll ich Möbelprospekte anschauen, wenn du schon alles hast?“
„Nun, die sind ja nicht für hier gedacht. Wir bauen auf dem Hof meines Vaters den oberen Stock aus. Eine neue Wohnung wird dort für mich entstehen, eine Art Wochend-Wohnung oder Zweitwohnung.
Das kleine Gewissen auf ihrer Schulter schien zu schlafen, denn es blieb still. Sie unterhielten sich über belanglose Dinge, doch dann fragte Uwe: „Sag mal, ist alles gut bei dir? Gefällt es dir? Fühlst du dich wohl?“ „Aber klar, natürlich. Es ist alles noch ein wenig neu, verstehst du?“ Uwe nickte, holte die Sektgläser, streichelte Monis Hand und sie nippten ein zweites Mal.
Mit dem Glas in der Hand lenkte Moni das Gespräch auf das Thema Alkohol. „Weißt du, meine Oma hat früher immer gesagt: „Alleine trinken macht dumm!“ Uwe kratzte sich am Hals, überlegte lange bis er antwortete. „Ja, da hatte sie vermutlich Recht damit. Du magst das nicht, ich habe es schon verstanden.“
Die Pizza belegten sie mit Serrano Schinken, Rucola und Mozzarella. Moni hatte eine Zwiebel in der Hand, doch Uwe nahm sie ihr weg. „Heute keine Zwiebel“, zwinkerte er. Uwe deckte den Tisch, stellte drei der Kerzen auf den Esstisch. Moni humpelte zurück auf die Couch. Mit der Fernbedienung zappte sie durch die Programme doch legte sie gleich wieder zur Seite.
„Hilfst du mir bitte? Ich muss zur Toilette“. Auch das Badezimmer war modern und exklusiv eingerichtet und ausgestattet. Eine riesengroße graue Badewanne auf Füßen stand mitten im Raum, goldene Wasserhähne hatte man angebracht. Die Pflanzen an der breiten Fensterbank gaben dem Raum Gemütlichkeit. Moni erkannte Lautsprecher, Lichtspots an Wänden und Boden. „Wow, ist das genial.“ Uwe freute sich, endlich hatte sie einen Kommentar abgegeben. Das kleine Ding aber wurde hellhörig und flüsterte Moni zu vergiss es, nicht deine Liga! Bist du immer noch hier, verschwinde!
Uwe zeigte Moni den Rest der Wohnung. Im Schlafzimmer fand sie ein nur halb aufgebautes Bett vor. „Warum ist es nicht fertig? Wo schläfst du?“ „Nun, ich bin am Überlegen, ob ich es weiterhin benutzen möchte. Schließlich lag Susan darin.“ „Ach Uwe, das wäre ja wirklich schade, das passt doch alles so wunderbar zusammen. Ich würde an deiner Stelle eine neue Matratze kaufen. Noch dazu neue Kissen, Decken und Überzüge.“
„Das ist eine klasse Idee!“ Er nahm lachend ihre Hand und zeigte er ihr die Terrasse mit dem kleinen Garten, der zur Wohnung gehörte. Inzwischen war aus dem Regen Graupelschauer geworden. Da schrillte die Küchenuhr, die Pizza war fertig. Moni setzte sich auf den bequemen Stuhl, dann sprach sie es endlich aus. „Es ist gigantisch schön hier. Da kann ich einfach nicht mithalten.“