Sie humpelte zurück zur Couch, suchte nach ihrer Tasche. „Ich nehm gerne alle Schlüssel an mich. Ich werde sie hüten wie mein Schatz. Doch ich bleibe lieber in der Klinik, gehe zurück in mein Krankenbett, da fühle ich mich sicherer, wenn du nicht da bist.“ Uwe stand auf, nahm sie fest in den Arm. „Ich liebe dich, mein Engel“. Sie küssten sich wild und leidenschaftlich.
„Übrigens, dieses Wochenende bekomme ich keinen Besuch.“ Uwe stutzte, das hatte er nicht gewusst. Nervös kratzte er sich am Kopf, „Achso?“ „Ist aber kein Problem, ich hab ja alles was ich brauch.“ Sie schüttelte die Handtasche.
Langsam packte er seinen Koffer, lies den Geschirrspüler an, ungern brachte er Moni zurück auf Station. Beim Abschied flüsterte er ihr ins Ohr, „Ich wünschte, wir wären ein Paar! Ich melde mich heute Abend!“ Sie küssten sich ein letztes Mal, dann war er endgültig verschwunden.
Moni saß wie angewurzelt auf ihrem Bett und dachte nach. Das kleine Ding saß frech in aller Größe auf ihrer Schulter und kommentierte jeden Gedanken. Wie konntest du nur, bist du sexbesessen oder was? Ach, du bist mannstoll? Ich gehe davon aus, der Mann hat Geld wie Dreck, du kannst solche Menschen nicht leiden, weißt du das? Vor allem! Trauerst du nicht um deinen Herbert, sag mal spinnt du? Blöde Kuh!
Uwe war nicht nur ein erfolgreicher Chefarzt, sondern auch stinkereich. Sie spürte es, eine Art Intuition.
Schnell wurde sie müde. Sie fiel in einen traumlosen Schlaf. Der liebe Georg brachte Kaffee und Kuchen vorbei. Er verabschiedete sich damit in das Wochenende. „Hallo Moni, ganz alleine? Hier eine kleine Süßigkeit für dich.“ „Danke, das ist aber sehr lieb. Ja, leider hat dieses Wochenende niemand Zeit, um mich zu besuchen.“ Georg reagierte blitzschnell. „Möchtest du mit nach Montan kommen? Sozusagen als eine kleine Abwechslung? Zu Käthe und den Tieren? Uwe wird es bestimmt erlauben. Es ist ja ein Arzt vor Ort“, der alte Mann schmunzelte über seinen eigenen Witz, seine Augen blitzten und Moni fühlte sich in seinen Bann gezogen. Das kleine Gewissen hüpfte vor Schreck, ja und jetzt schnappst du dir auch noch den Alten, oder was? Dein Kopf hat einen Schaden, auf jeden Fall!
„Eine großartige Idee“.
Georg half ihr beim Packen und Umziehen. Dabei konnte er einen Blick auf ihren nackten Oberkörper erhaschen, sah das Antlitz ihrer herrlichen Brüste. Dem Seniorchef wurde es warm und kalt gleichzeitig. Sie packten Unterwäsche, zwei neue Jogging-Anzüge, den Kosmetikbeutel vom Bad, sogar zwei Flaschen Rotwein in die kleine Reisetasche. „Mein Strickzeug muss natürlich auch mit!“
Moni saß mit den Krücken im Rollstuhl, die Handtasche mit Handy und dem Schlüsselschatz von Uwe hatte sie sich um den Hals gelegt. Oben drauf legte Georg ihren langen Wintermantel. „Den brauchst du, in Montan liegt Schnee“. Sie fuhren am Schwesternzimmer vorbei. Schwester Heidi grinste, „Ich wünsche ein wunderschönes Wochenende!“ „Danke, sagts du bitte den Oberärzten Bescheid?“
Georg fuhr mit Moni in die Tiefgarage. Er war mit dem Range Rover gekommen, in dem Schnee, war es der bessere Wagen. Tatsächlich war Monis Kleinwagen verschwunden. Sie biss sich auf die Lippen, schüttelte den Kopf. So ein verrückter Kerl.
Sie fuhren durch die schöne Bergwelt, da wurde es Moni wieder einmal klar, wie wunderbar es hier war. Georg setzte den Blinker, Moni erkannte die Tankstelle und schon war auch das Ortsschild zu sehen. Sie fuhren dieses Mal den etwas weiteren Weg, hier war der Straßenverlauf nicht so steil, dafür hatte man von oben einen Gesamtblick auf Montan. Er parkte am Biohotel, half Moni beim Aussteigen, mit der freien Hand zeigte und erkläre er ihr alle Berge und Gipfel, die man von hier aus sah. Der Blick reichte bis weit in die Stubaitaler Alpen. Moni war begeistert, nein, sie war schwer beeindruckt. „Wow, das ist ja herrlich!“ Außerdem erkannte sie die kleine Ansammlung wunderschöner Berghäuser, eine kleine Kapelle lag mitten in dem Zentrum. Verstreut lagen einige Bauernhöfe zwischen dem weißen Land. Weiter hinten sah man den Wald, daneben einige Felsformationen. Dafür gab es keine großen Hotels oder gar Bettenburgen. Das hier war kein Wintersportort, das war klar.
„Hier ist es sehr ursprünglich, oder? Mein Gott ist es schön hier.“ Moni nickte zufrieden, sog die kalte frische Winterluft ein. Hier und da hatten die Menschen bereits Lichterketten an Dächern oder Tannen angebracht. Ja, es wurde schließlich Advent, eine Tatsache, die Moni absolut vergessen hatte.
„Wir setzen hier auf nachhaltigen, sanften Tourismus. Es gibt nur das Bio-Hotel hier, ein Gasthof, drei Pensionen und ein paar wenige Ferienwohnungen. Ich bin übrignes Mitglied im Dorfgemeinschaftsrat, habe einiges mitbestimmt und umgesetzt“. Moni nickte, fing an zu zittern, da es verdammt kalt war. So fuhren sie langsam weiter. Sie kamen von der anderen Seite ins Dorfzentrum, wo Kirche, Gasthof und die Bushaltestelle lagen, Orte, welche Moni schon kannte. Von hier aus führte eine schmale Straße etwa drei Kilometer Richtung Wad und Felsen, bis der Huberhof sowie der Wagnerhof zu sehen waren.
Georg fuhr direkt vor die Haustüre, Aaron sprang kläffend heraus. Er half der aufgeregten Moni beim Aussteigen. Rita sah die beiden durchs Fenster und schüttelte traurig den Kopf. „Dieser alte Bachel!“ Käthe war begeistert, „Wie geil!“, sie stand mit offenem Mund am Küchenfenster. Olga freute sich mit ihr, „Schööööön, deine Mama kommt dich besuchen“.
Moni war überwältigt von der Freundlichkeit der Menschen hier auf dem Hof. Selbst Franz taute auf, erzählte von den Kühen und von seiner Arbeit als Knecht. Letztendlich humpelte Moni mit ihm in den Stall, um sich vor Ort den Kühen vorzustellen. Durch den vielen Schnee zu laufen war ziemlich anstrengend. Franz stützte sie, damit sie nicht ausrutschte. Rita hatte Gulaschsuppe zubereitet, es duftete köstlich durch das ganz Haus.
„Mama, die Kim kommt später auch, wir haben das schon ausgemacht. Ist das schlimm?“ „Aber natürlich nicht, alles kein Problem. Ich habe doch mein Strickzeug dabei!“
***
Nervös lief Uwe auf und ab, warum kam er bei Moni nicht durch? Ihr Handy schien wie tot zu sein, „Scheiße“, rief er laut. Er nutzte immer wieder die kleinen Pausen und wählte ihre Nummer. An der Bar wartete man schon auf ihn. Doch er blieb standhaft, bestellte lediglich Espresso, Cola oder Apfelsaft. Die Vorträge waren erfolgreich gehalten, es waren viel wichtige KollegInnen hier. Die Japaner interessierten sich sehr für seine Arbeit und Forschung. Steffi kam immer wieder zu ihm, fragte nach, ob er noch einen Wunsch hätte.
Nach dem Abendessen ging Uwe zum Telefonieren nach draußen, da endlich hörte er das Freizeichen. Eine große Last fiel von ihm herab.
„Jaaaaa? Halloooo?“, Moni meldete sich frech.
„Hey, mein Engel. Wie schön, deine Stimme zu hören. Ich vermisse dich!“ Uwes sanfte und liebevolle Stimme in ihrem Ohr brachten ihren Körper zum Kribbeln. Als hätte man einen Ameisenhaufen über sie geschüttet.
„Ich vermisse dich auch. Du, stell dir vor, ich bin in Montan, Georg hat mich mitgenommen. Es ist ja so wunderschön hier. Leider hatte ich bis eben keinen Empfang.“
Uwe war sprachlos. Er brauchte ein paar Sekunden.
„Ach so? Hast du dich doch einsam gefühlt?“
„Ja, auf einmal dann doch, ja.“
„Geht es dir gut mein Engel? Ich komme morgen so schnell wie es nur geht zum Hof. Ist dir das Recht?“
„Na klar, ich freue mich schon. Ehrlich gesagt hat mich der Ausflug total geschafft. Aber es geht mir gut, ja. Mit Olga und Rita werde ich einen Handarbeitsabend machen. Kim ist bei Käthe, schlafen werde ich aber bei Tina im Gästezimmer. Durch den Umbau ist ja hier nichts frei.“
„Hast du dir die Wohnung oben schon angeschaut? Wegen den Möbeln“.
Moni kicherte, „Nö, noch nicht, mache ich morgen, ja? Was machst du heute Abend noch?“
Jetzt werde ich zwei, drei Gespräche mit interessierten Kollegen führen, schön brav mit Kaffee und Saft...“ Moni kicherte wieder. „Tja und dann, ich bin auch schon müde, deswegen werd ich bald ins Bett gehen. Heute leider ohne dich, aber gerne würde ich dir später Gute Nacht sagen, nochmal deine Stimme hören, ja?“ Den letzten Satz flüsterte er wieder ganz leise und liebevoll.
„Ok, bis später,“ sie hauchten sich Telefonküsse zu, bevor sie auflegten.
Uwe schloss die Augen, hielt sein Handy an die Brust und sog laut die kalte Nachtluft ein. Meine Herren, hat es mich erwischt.