Die Gastronomie ist wahrlich eine unendliche Geschichte mit Absurditäten, dass ich vermutlich eine eigene Kategorie damit hätte eröffnen können, aber wer hätte das zu Beginn des Projekts über den Alltagswahnsinn vorausahnen können. So füllt die Gastronomie eben den Alltagswahnsinn über Gebühr.
An einem Sonntagnachmittag irgendwann im Winter waren meine Mitbewohnerin und ich in einer Ausstellung im Gasometer. „Der Berg ruft“. Nach so viel Kultur sei uns etwas Erquickung in Form von Kaffee und Kuchen gestattet, so strömten wir gen Schloss Gastronomie. Da auf der Terrasse tatsächlich Aschenbecher und Speisekarten gedeckt waren, nahmen wir dort vorwitzig Platz. Nun denn nach der zweiten Kippe, ich selbst bin aktive Passivraucherin, beschloss ich, im Inneren der Gastwirtschaft eine Bedienung aufzusuchen.
Als ich auf Personen in schwarzweißem Livree stieß, wollte ich souverän meine Bestellung aufgeben. Leider wurde mir dies mit der Bemerkung, dass dies nur am Tisch ginge, verwehrt. Nun denn, ich erbat mir eine Bedienung an dem von uns gewählten Platze. Als ich zurück bei meiner Mitbewohnerin war, teilte ich ihr meinen nicht erfolgreichen Bestellversuch mit. Sie wollte schon eine nicht damenhafte Bemerkung machen, als ein Kellner zu uns kam. Schnell einigten wir uns auf frische Waffeln, wahlweise mit Sahne oder gar mit Kirschen und Vanilleeis, dazu ein köstliches koffeinhaltiges Heißgetränk.
Wie zu erwarten kamen zuerst der Kaffee und das Besteck. Die Waffeln ließen auch nicht lange auf sich warten und sie dufteten verführerisch. Mhmm, frische Waffeln gerade aus dem Eisen und dazu Kirschen und Vanilleeis, so lobe ich mir einen kulturell wertvollen Sonntagnachmittag. Mit Gäbelchen und Löffelchen ging ich formvollendet zu Werke, als meine Gabel auf etwas Hartes stieß. Ein Kirschkern, dachte ich zuerst. Aber das konnte nicht sein, es war ja im Teig. Vielleicht Eischale? Doch diese ließe sich leicht zerbröseln. So stocherte ich mit dem Gäbelchen weiter. Zu Tage kam ein rundzylindrisches Dingsbums von vielleicht fünf Zentimeter Länge. Mit meinem Besteck befreite ich es von dem festgebackenen Waffelteig. An einer Schmalseite war ein Loch. Was konnte das nur sein? Dann hatte ich es. Es war ein gläsernes Aromagefäß, wie wir sie selbst vom Backen her kennen.
Etwas irritiert winkte ich einen Kellner heran, um ihm das Corpus Delicti zu präsentieren. Wenig beeindruckt nahm er es an sich und nuschelte so etwas wie, dass er sich kümmere. So labten wir uns weiter an der verbleibenden Waffel. Als wir dann die Rechnung erbaten, kam dann das Resultat seines „sich-kümmerns“. Auf dem Bon standen zwei Waffeln nebst Beilagen und zwei Heißgetränken. Erstaunt las ich ein zweites Mal. Hatte er mir tatsächlich die verunglückte Waffel mit dem vollen Preis berechnet? Als ich ihn anschaute, lächelte er mich unschuldig an. Ja, er meinte es Ernst.
„Sie wissen schon, dass wir etwas an der Waffel hatten, das zu beanstanden war?“ Fragte ich ihn unschuldig, aber nicht minder provokant.
„Gewiss, Sie hatten ja auch zwei Waffeln, so wie auf der Rechnung“, erwiderte er ohne Argwohn.
„Weiß die Geschäftsführung, dass ich mir beinahe an dem Gebäck einen Zahn ausgebissen hätte?“ Dramatisierte ich nun etwas.
Er wurde ein wenig blasser und dann erinnerte er sich an das Aromafläschchen und an die damit verbundenen Peinlichkeit.
„Oh, natürlich“, begann er wenig geistreich, „dann ziehe ich etwas von der Rechnung ab. Ist das für Sie in Ordnung?“
„Natürlich“, entgegnete ich zuckersüß.
In der Schloss-Gastronomie ist der Kunde dann doch immer noch König.