Der Beinbruch war dann doch noch etwas komplizierter, als die Erstversorgung vermuten ließ. Am Sonntag wurde nochmals geröntgt und ich käme um eine OP nicht herum. Der Operateur erklärte mir, dass eine Platte und vielleicht drei Schrauben eingesetzt werden sollten. Aber alles nichts Wildes. Dann machte mir der Anästhesist seine Aufwartung. Gerne erklärte ich ihm, wie es sich bei mir mit Narkosemitteln im Allgemeinen und Medikamenten im Speziellen verhielt. Sein Lächeln hätte mich, im nach hinein betrachtet, stutzig machen sollen. Aber alles der Reihe nach.
Zur Nacht bekam ich eine Tablette zur Vorbereitung für die Operation am Montag. Zum Frühstück erhielt ich eine weitere Vorbereitungstablette, die ich anstandslos einnahm. Dann wurde ich abgeholt und erhielt eine Spritze, die mich ein wenig beduselt machte. Es wurde ein Zugang gelegt und ein weiteres Mittel verschwand in meiner Vene. Der Rest ist Schweigen bzw. Schlafen.
Das nächste, an das ich mich erinnere, war, dass mir fürchterlich kalt war. Ich zitterte am gesamten Körper. Mir tat alles weh. Ich hatte einen Schädel wie ein Rathaus. Immer wieder versuchte ich, meine Augen zu öffnen, leider meist erfolglos. Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, bis ich einigermaßen ansprechbar war. Es muss lange sein, denn ich hatte ein Dauerblutdruckmessgerät am Arm, das bekanntlich alle 15 Minuten misst.
Von Zeit zu Zeit schaute eine Schwester nach mir, was ich nicht wirklich registrierte. Worte nahm ich nur wie durch Watte wahr. Irgendwas mit meinem Blutdruck war nicht in Ordnung. Stimmt, dachte ich nur, er ist immer viel zu niedrig.
„Was macht der Blutdruck?“ Hörte ich eine männliche Stimme.
„210 zu 150“, kam die Antwort. Ups, dachte ich nur, das ist aber verdammt viel.
„Wenn der Druck unter 200 ist, kann die Tibiafraktur auf Station.“
Tibiafraktur? Das war doch ich. War etwa mein Blutdruck so explodiert? Wie konnte das nur passieren? Aber da mein Gehirn immer noch wie in Watte war, interessierte mich das nicht die Bohne. Ich wollte nur schlafen. Irgendwann war mein Blutdruck dann doch nur noch auf 199 und ich wurde auf mein Zimmer geschoben. Es war immerhin schon später Nachmittag.
Nach einem ausgiebigen Nickerchen wurde ich wieder wach und wollte mich meines Abendbrotes erfreuen. Also sortierte ich meine Beine und wollte mich gemütlich setzen, als ich des Kilo Stahls an meinem Bein gewahr wurde. Was war das denn? Zwei Stahlstifte steckten im Oberschenkel und einer kam vorne aus dem Schienbein heraus. Verbunden war das ganze mit einem Gestänge, so dass ich mein Knie nicht beugen konnte. Ah ja. Das war ein bissel mehr als nur Platte und Schrauben.
Nach dem Essen kam tatsächlich noch der Operateur zu mir. Er lächelte.
„Wie Sie sicher schon bemerkt haben, wurde etwas mehr gemacht. Es war etwas mehr kaputt, als wir vermutet hatten. Wir mussten die Gelenkauflagefläche rekonstruieren. Der Fixateur bleibt für zehn Tage, dann wird er entfernt und der Bruch mit einer Platte und Schrauben fixiert.“
Er schüttelte mir die Hand und verschwand in seinen Feierabend. Ah ja. Was war mit dem explodierten Blutdruck? Vermutlich erfuhr ich erst darüber etwas bei der nächsten offiziellen Visite.
Am nächsten Morgen rauschten Operateur und Anästhesist zur Visite herein. Er entschuldigte sich bei mir, dass er mir nicht wirklich zugehört habe und meine Bedenken für etwas übertrieben gehalten habe. Danach erklärte er mir, dass während der Narkose mein Blutdruck derartig in den Keller gesackt sei, dass er quasi nicht mehr existent war. Eine erste Medikamentengabe war erfolglos und eine zweite brachte den Blutdruck zur Explosion. Und was man nun stattdessen tun könne? Der Narkosearzt meinte, dass die Medikamente zur Vorbereitung ruhig weggelassen werden könnten, damit der Blutdruck im nach hinein stabiler sei. Das wäre ein Plan.
Die Narkose beim Fixateur-Ex war schon besser, aber immer noch nicht optimal. Erst beim Metall-Ex im Jahr darauf war die Narkose super. Keine Vorbereitungsmedikamente nur Einleitung und Gas zum Halten. Das Anästhesie-Team war sichtlich irritiert. Aber besser ist das.