Die Gastronomie ist immer ein Füllhorn wundersamer Begebenheiten und einige können es und andere eben nicht. So hatte ich tatsächlich an einem kalten Dezembertag in Berlin die Möglichkeit beide Extreme kennenzulernen.
Mit einer Freundin verbrachte ich einige Tage in Berlin. Wir buchten im Hotel nur Übernachtung und so planten wir jeden Tag unser Frühstück in einer anderen Lokalität. Da man uns das Café „Sinn & Sinnlichkeit“ empfohlen hatte, begaben wir uns dorthin. In einer Seitenstraße war ein unscheinbares Lokal mit Fensterfront. Als wir eintraten waren dort nur wenige Tische, so fiel uns die Entscheidung des Sitzplatzes nicht schwer. Ein Kellner mittleren Alters brachte uns die Karte und fragte uns nach unserem Getränkewunsch. Cappuccino und Latte Macchiato waren kein Problem. Meine Begleitung nahm Pfannkuchen in süß, ich entschied mich für ein Frühstück mit Käsespezialitäten und unterschiedlichen Brotsorten. Leider waren auch diverse Wurstsorten dabei und ich fragte, ob das in etwas anderes umgewandelt werden könne. Da ich die Frage nach Fisch bejahte, versprach er, etwas herzurichten. Wir tranken unsere Kaffeespezialitäten und warteten, während er in der Küche werkelte. Da wir nichts besonderes für den Tag vorhatten, konnten wir gut warten... Und es dauerte. Irgendwann kam er und deckte den Tisch mit Teller und Besteck und nahm die zweite Runde Kaffee auf. Danach kam er mit den Pfannkuchen. Drei an der Zahl. Nicht wirklich groß, aber vortrefflich hergestellt. Meine Begleitung stutzte kurz, meinte aber lakonisch, sie sei ja keine Frühstückerin und es wäre durchaus ausreichend. Dann brachte er für mich eine Etagere mit diversen Käsespezialitäten und Lachs. Ein Körbchen mit unterschiedlichsten Brot und Brötchen. Selbstverständlich auch Schälchen mit Soßen für den Lachs. Ich überlegte schon, ob ich nicht noch einen Gast hereinbitten sollte, der mir bei der üppigen Portion helfen könne. Wie gesagt, wir hatten Zeit, so zog sich unser Frühstück bis Mittag. Die eigentlich kleinen Pfannkuchen mit Ahornsirup entpuppten sich als Mogelpackung, denn sie waren zwar klein aber oho. Und wie oho, das bemerkte meine Begleitung erst später, denn sie aß mit Appetit alles auf, aber es war eindeutig ein zu viel. Dieses Zuviel wurde sie aber erst bei unserem Gang Richtung Synagoge gewahr, für den wir uns kurzfristig entschlossen hatten. Wer kennt nicht das angenehme Gefühl des Suppenkomas, in das wir uns gerne nach einem opulenten Mahl fallen lassen? Aber bei einer Sightseeingtour ist es doch eher kontraproduktiv. Wie auch immer, sie schleppte sich zur Synagoge, machte es sich in einer Sitzgruppe gemütlich, während ich die Ausstellung besichtigte.
Da es an diesem Dezembertag in Berlin doch recht kalt war, entschlossen wir uns, ein teehaltiges Heißgetränk zu uns zu nehmen. Da meine Begleitung rauchen wollte, suchten wir ein Lokal mit Außengastronomie. An der Oranienburger Straße wurden wir fündig. Tische mit Korbsesseln und Decken luden zum Verweilen ein. Aufgestellte Heizpilze suggerierten Wärme. So nahmen wir Platz und rauchten. Sie aktiv und ich passiv. Besagtes Suppenkoma kam noch hinzu. Nach vielleicht 20 Minuten hatte wir noch keine Bedienung gesehen und der Heizpilz heizte nicht. Deshalb beschloss ich hineinzugehen, um eine Bestellung aufzugeben und um das Einschalten des Heizpilzes zu bitten. Im Schankraum waren einige Gäste, aber nicht so viele, dass die Bedienung überfordert hätte sein können. Schnell hatte ich eine Kellnerin ausgemacht und kam mit einem Lächeln auf sie zu.
„Guten Tag, wir sitzen draußen und hätten gerne eine Tasse Earl Grey und eine Tasse Minztee.“
Ehe ich mein Anliegen des Heizpilzes anbringen konnte wurde ich unterbrochen.
„Wir haben kein Earl Grey. Geht auch Assam?“
„Dann doch lieber einen Darjeeling und bitte den Heizpilz einschalten.“
Sie schaute mich mit großen Kuhaugen an. Sie war blond, wenn ihr mich versteht. Sie drehte sich um, scheinbar um meine Bestellung zu bearbeiten und ich ging wieder hinaus. Draußen berichtete ich von meinem Erfolg, die Bestellung aufgegeben und jemanden für den Heizpilz gefunden zu haben. So warteten wir wieder und rauchten in gewohnter Manier eine zweite Zigarette. Ein junges Fräulein mit kleiner Servierschürze erschien, wider erwarten mit leeren Händen.
„Für Sie einen Kakao und einen Cappuccino?“ fragte sie schüchtern.
„Nein“, erwiderte ich, „einmal Earl Grey und einen Minztee, bitte. Und der Heizpilz ist aus.“ Ich deutete nach oben.
„Oh.“ Antwortete sie. „Ich sage drinnen Bescheid.“ Und sie schwebte davon.
Wir schauten uns an und wunderten uns nur. Kurz darauf erschien ein junger Mann mit langer Schürze. Ihr ahnt es bestimmt, er brachte uns keinen Tee. Er schaute uns fragend an.
„Der Heizpilz, bitte.“ Sagte meine Begleitung und wies auf das nicht heizende Heizgerät. Er lächelte wichtig, als wenn er sagen wollte „Frauen und Technik“ und machte sich ans Werk, die Höllenmaschine zu starten. Nach dem dritten Versuch züngelten blaue Flammen am Schutzgitter. Zufrieden positionierte er das Gerät neu, damit wir die optimale Wärmeabstrahlung erhalten könnten und rauschte davon. Während wir die dritte Zigarette rauchten und die Türe hinter dem Kellner ins Schloss fiel, erlosch der Heizpilz. Meine Versuche, das Gerät neu zu starten, waren unterdessen nicht von Erfolg gekrönt. So blieb nur die Hoffnung, dass endlich unsere Heißgetränke serviert werden, damit wir uns immerhin von innen wärmen konnten. Die Tür öffnete sich erneut und eine weitere Bedienung trat hinaus und brachte endlich das Ersehnte. Zwei Tassen Tee. Pfefferminze und Assam. Was auch sonst. Wir baten wiederum, dass der Heizpilz eingeschaltet werden sollte, doch irgendwie sahen wir in leere Augen und überlegte, ob jemand zu Hause wäre. Vielleicht hatten wir Glück und sie nannte nochmals dem jungen Mann unseren Wunsch. Doch dem wurde leider nicht entsprochen. Unterdessen kamen weitere Gäste und setzten sich an den Nachbartisch. Nachdem sie ihre Zigaretten aufgeraucht hatten, blickten sie fragend und sehnsüchtig zu uns herüber. Wir teilten ihnen mit, dass es von Vorteil wäre, im Lokal eine Bestellung aufzugeben und zu hoffen, dass das Verlangte in der Außengastronomie serviert werde. Sie blickte skeptisch erst zu uns und dann auf die geschlossene Eingangstür und entschieden sich dann gegen das Experiment Außengastronomie und verlagerten ihr Begehren ganz in die Lokalität. So blieben wir die einzigen Gäste, die der Berliner Kälte trotzten. So hatten wir nun recht zügig unser Heißgetränk, das nicht mehr ganz so heiß war, ausgetrunken und überlegten, ob es ratsam sei, eine zweite Runde zu bestellen. Während unserer Überlegung kam eine weitere Bedienung nach draußen, um... ja genau... um eine Zigarette zu rauchen. Wir nahmen die Gelegenheit wahr, um nochmals Tee zu bestellen, nun ja wir machten es ihr nicht einfach, wir gaben ihr das Leergut und verlangten das Gleiche nochmal. Erwähnte ich die Kuhaugen? Wie auch immer, auch dieses Froollllein war nicht die hellste Kerze auf der Torte und ich sah schon schwarz für unserer Bestellung. Nun ja, irgendwann kam die Bedienung, die uns Cappuccino bringen wollte, mit unserem Tee. Die Sache mit dem Heizpilz konnte während unseres Aufenthaltes nicht mehr befriedigend gelöst werden. Schade eigentlich, es waren viele Leute auf der Straße und ich hätte an dieser Stelle eine Taverne eröffnet. Als wir nach gut zweieinhalb Stunden bezahlen wollten, taten wir gut daran, ins Lokal zu gehen. Da meine Begleitung vorher nicht mit hereingekommen war, lernte sie eine weitere Bedienung kennen, es war die, der ich zuerst meine Bestellung genannt hatte, sie durfte wohl als einzige kassieren.