Dr. Holtmann, Jenne, nennt hübsche Gardinen sein eigen, denen er von Zeit zu Zeit eine Waschung zu Teil werden lässt. Selbstverständlich nutzt er dafür, wie er bereits von seiner Mutter gelernt hatte, Hoffmanns Gardinenwaschmittel, das nicht nur den Schmutz, sondern auch den Gilb verschwinden ließe, um sie hernach wieder wie neu im reinsten Weiß erstrahlen zu lassen, dass man wahrlich eine Sonnenbrille benötigte. Nachdem die Reinigungsarbeiten vollzogen waren, sollte das Fenstertextil wieder stilvoll an der dafür vorgesehenen Stange drapiert werden. Jede Falte hatte ein genaues Maß, welches exakt ermittelt worden war. Die Bäume an der anderen Straßenseite dienten, da diese wie aufrechte Zinnsoldaten gen Himmel strebten, als Hilfsmittel für die lotrechte Ausrichtung der Falten. Dann war sein Werk vollendet.
Voller Stolz betrachtete er, was ihm eigenständig und ohne fehl und Tadel gelungen war. Doch dann stutzte er. Bewegten sich die Falten? Fiel die Stange herunter? Lösten sich die Röllchen? Die Ausrichtung der Falten entfernten sich immer mehr vom Baum, der als Maß der Dinge diente. Jenne kam ins Schwitzen. Sollte er tatsächlich wieder als unfähigster Hausmann aller Zeiten eine Zitrone oder gar den goldenen Windbeutel gewinnen? Noch ehe er sich über das Ausmaß seiner Unfähigkeit im Klaren wurden, vernahm er ein lautes Splittern und Krachen. Mit ungeheuerlichem Getöse neigte sich der Baum zu Seite und fiel letztendlich zu Boden und begrub mehrere Fahrzeuge unter sich, die seinen Sturz zur Erde kreischend stoppten.
Nach kurzer Schrecksekunde eilte er zur Stätte des Grauens, nicht nur, um seine wachsende Neugierde zu befriedigen, sondern auch um eventuell Hilfe zu leisten. Schnell hatte er die Situation erfasst, dass es gottlob nur Blechschaden zu beklagen gab. Ruhig rief er die Polizei herbei, die den Schaden aufnehmen sollte. Unterdessen war schon allerlei Volk herbei geströmt, um das zufällige Stürzen des Baumes zu begutachten.
Den jungen Polizisten bot sich dann ein seltsames Bild des vermeintlichen Unfalls. So sahen sie, dass der Baum relativ fachmännisch angesägt worden war, um dann, unabhängig von diesem Tun, Wind und Gravitation die restliche Arbeit durchführen zu lassen. Schnell hatte man auch die Initianden ausfindig gemacht. Es waren Mieter des Hauses, da der Baum vormals stand, die glaubhaft zu Protokoll brachten, dass sie Wein anbauen wollten, um gefüllte Weinblätter, wie in ihrer Heimat Syrien üblich, zubereiten zu können. Um das Feld denn nun urbar zu machen, musste der Baum eben weichen, damit genug Raum und Licht für den Wein fürderhin vorhanden wäre. Mit Staunen nahmen die Umstehenden die Ausführungen der Ausführenden zur Kenntnis.
Nun denn, statt der Feuerwehr, die normalerweise umgestürzte Bäume beseitigt, wurden die sägenden Mieter aufgefordert, den Baum in handliche Stücke zu teilen, um ihn von Straße und Gehweg zu entfernen. Jenne überlegte noch, welche Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten durch das Fällen des Baumes zum Tragen gekommen wären. Zum einen die Sachbeschädigung an den parkenden Fahrzeugen, vielleicht auch gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, dann noch zerstören fremden Eigentums, da ihnen der Baum nicht gehörte und auch Teile des herrschaftlichen Zaunes nicht mehr als solcher zu erkennen war.