Dass die vergehende Zeit messbar ist, das weiß vermutlich jedes Kind. Und wie lang eine Minute dauert, ist auch bekannt, nämlich 60 Sekunden. Genauso ist es einem bewusst, dass die Wahrnehmung der Zeit, dann doch recht subjektiv ist, je nachdem ob uns bei einer Tätigkeit langweilig ist oder eben nicht. Mal kriecht die Zeit dahin, mal vergeht sie wie im Fluge. Doch nun ist es meiner Mitbewohnerin oder soll ich eher sagen dem ortsansässigen Nahverkehrsunternehmen gelungen, genau diese subjektive Empfindung der Zeit zu messen. Wie konnte das nur passieren?
So saß sie mal wieder an irgendeinem Bahnsteig und wartete auf die U79, die schon mehrfach Gegenstand von Anekdoten und Geschichtchen war. Laut Anzeigetafel sollte die Bahn in einer Minute ihr Ziel erreichen. Gedankenverloren schaute meine Mitbewohnerin auf ihre Armbanduhr, obwohl neben der Anzeigetafel sich ebenso eine befand. Sieben Minuten nach, murmelte sie. Somit wäre die Bahn pünktlich, da sie immer um acht nach fuhr. Voller Erwartung machte sie sich bereit. Nach einem kurzen Blick auf die Anzeigetafel zog sie erneut ihre Uhr zu Rate. Die Bahn sollte immer noch in einer Minute einfahren, doch mittlerweile war es zehn nach. Mhmm, seltsam. Doch sie wunderte sich nur einwenig. Zwei Minuten zu spät wäre immer noch pünktlich in den Augen des Verkehrsverbundes. So setzte sich wieder bequem auf die wenig kommode Bank. Immer wieder wanderte ihr Blick zur Anzeigetafel, die ihre Information mitnichten veränderte. Bahn fährt in einer Minute ein. Dann endlich um achtzehn nach war es so weit. Rumpelnd fuhr die U79 in den Bahnhof ein und stoppte just an der Bank, auf der meine Mitbewohnerin saß. Schmunzelnd stellte sie fest, dass die Wartezeit von einer Minute auf die Straßenbahn genau elf Minuten dauerte.