Als Kind wohnte ich in einem wahrlich ehrenwerten Haus. Nicht so eins, von dem Udo so schön sang. Es war so ein Haus, wo alles seine Ordnung hatte, das selbst der Hausflur so geschniegelt war, dass man vom Fußboden hätte essen können, wenn man so etwas halt eben wollte. Es war ein übliches Mietshaus, in dem wir Kinder, so wir gleichaltrig waren, miteinander spielten und die Nachbarin sich schon mal ein Ei borgte. Nun wohnte in der ersten Etage eine Familie, die wohl irgendwie mit uns verwandt war, wenn wir nicht zufällig im gleichen Haus gewohnt hätten, gesiezt hätten. Ich glaube, mein Opa, den ich nie kennengelernt hatte, und der Ehemann der Oma waren Cousins oder Vettern, wie wir damals sagten.
Nun denn, deren Oma nannten wir nur liebevoll Tante Toni. Meine Oma und eben Tante Toni hatten so ihre liebe Not mit den neumodischen Namen, die in den 70ern langsam aufkamen. So wurde aus Jörg schon mal Görg, weil sie nicht verstanden, dass sich Georg derart verändern könnte.
Eines Tages kam dann Tante Toni ziemlich aufgeregt zu uns nach unten, um ihr Leid ob der Namensgebung für ihren ersten Urenkel zu klagen.
„Das Kind bekommt einen seltsamen Namen“, sprach sie entrüstet zwischen zwei Schlucken Kaffee. „Wenn es ein Junge wird, soll er Senf heißen.“
Alle schauten sie verzweifelt an. Wie konnte die Eltern ein unschuldiges Kindlein nur mit einem solchen Namen strafen. Meine Oma und meine Eltern versuchten sie nach besten Mitteln zu beruhigen, doch sie war so aufgebracht, dass dann doch etwas Stärkeres als Kaffee auf den Tisch kam.
Als Monate später der Kleine geboren war und zur Taufe geladen wurde, löste sich auch das Namensproblem in Wohlgefallen auf. Tante Toni hatte die Buchstaben nur in der falschen Reihenfolge benannt. So wurde aus dem unsäglichen Senf dann doch ganz harmlos und überaus schicklich der kleine Sven.