Als ich noch in der Haus-WG lebte, gab es dort eine Mitbewohnerin, die oft eine seltsame Sicht auf die Welt hatte. Dies wäre ja an sich nicht weiter schlimm, wenn sie nicht darauf bestanden hätte, dass ihre Sicht die einzig wahre Weltanschauung wäre und wir anderen niveaulose Banausen wären. Ihre mitunter kruden Ansichten kamen dann bei so einfachen Dingen wie Zubereiten von Mahlzeiten zum Vorschein.
So begab es sich, dass sie turnusmäßig für unsere warme Mahlzeit des Tages an der Reihe war. Es sah wirklich lecker aus und war auch vortrefflich zubereitet, dass niemand eine Klage vorzubringen wagte. So produzierten wir alle leere Teller und Schüsseln, was seit Alters her ein unausgesprochenes Lob an die Köchin darstellte. Da sie aber ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zog, dass selbst Milch sauer werden konnte, brachte ich mein Lob mit freundlichen Worten an sie zum Ausdruck.
„Danke, du hast lecker für mich gekocht“, sprach ich sie an und bedachte sie mit einem Lächeln.
Ihre Miene verzog sich nicht, wie zu erwarten zu einem Lächeln oder mindestens Schmunzeln, viel mehr schienen Blitze aus ihren Augen zu schießen.
„Das war kein kochen“, presste sie schließlich ärgerlich hervor und der Raum wurde um einige Grade kälter.
„Nicht?“ Fragte ich erstaunt. „Aber wir hatte doch warmes Essen.“
„Kochen ist es erst“, belehrte sie mich eines Besseren, „wenn man drei Töpfe benutzt.“
„Waren das...“, versuchte ich es erneut.
„Nein“, unterbrach sie mich barsch, „das war nur ein Auflauf-Ofengericht, dafür brauchte ich noch nicht mal einen Topf, nur eine Form für den Backofen.“
Irritiert schaute ich sie an, meine heutige Mitbewohnerin konnte sich vor Lachen kaum halten, scheinbar befand sie, genau wie ich eigentlich, diese Erklärung für reichlich absurd.
„OK.“ Hub ich erneut an. „Dann war das heute eine Zubereitung von warmen Speisen? Habe ich dich richtig verstanden?“
„Du hast es erkannt“, bestätigte sie meine Schlussfolgerung wenig erfreut.
„Dann vielen Dank fürs nicht kochen. Du hast lecker für mich eine Mahlzeit zubereitet.“ Bedankte ich mich nun freundlich, wie ich leichtsinnigerweise vermutete, ihrer Definition angemessen. Wer jetzt glaubt, dass sie den Dank nun hätte annehmen können, der irrt an dieser Stelle gewaltig. Ihre Miene verfinsterte sich immer mehr, abrupt stand sie vom Tisch auf, dass wir glaubten, der Stuhl falle nach hinten um und stampfte sichtlich wütend davon.
„Verarschen kann ich mich alleine“, schimpfte sie wenig damenhaft, ehe sie die Tür knallte und uns reichlich verwirrt am Tische zurückließ.