Urlaub nahe des Äquators ist in der heutigen Zeit ja eigentlich wenig spektakulär, dennoch geschehen dort Dinge, die es wert sind, in einer Anekdote gebührende Erwähnung zu finden. Wenn sich alle Erlebnisse lediglich auf den Strand beziehen, ist es ja nur natürlich, dass sie dem Vergessen anheimfallen. Aber so waren wir gerne zur Erkundung der Gegend und noch mehr Gegend, mit wachsender Vorliebe mit einem gemieteten Vehikel, bereit. Auf einer dieser Erkundungen entdeckten wir ein Rancho, so mit Pferden und Ponies, dort könnten wir gewiss einige Stunden auf dem Rücken eines edlen Rosses dem eintönigen Strandalltag entkommen. Wie alle Mädchen mochte ich reiten gerne, doch war es mir leider nicht vergönnt, tatsächlich Reitstunden nehmen zu dürfen. So beschränkten sich meine Künste auf Ponyreiten im Kreis und auf aufmerksames Zuhören. Vielleicht hatte ich bis dahin 20 Stunden im Sattel verbracht, also nicht wirklich viel, um als Reiter zu gelten. Theoretisch wusste ich, wie es geht, aber die Praxis fehlte halt.
Nun denn meine Freundin und ihr Bruder nahmen selbstverständlich vor dem Urlaub noch einmal Stunden, um für den Ausritt vorbereitet zu sein. Ich verließ mich nur auf mein Körpergefühl.
So mieteten wir jeder ein Pferdchen und natürlich einen Führer dazu. In den Sattel kam ich über einen vortrefflich Tritt oder auch Aufstiegshilfe genannt, ansonsten hätte die Peinlichkeit schon vor dem eigentlichen Start begonnen. So blieben meine fehlenden Kenntnisse noch unentdeckt. Zum Glück. Dann ritten wir vom Hof und strebten einer Steilwand zu. Etwas mulmig blickte ich nach oben und nahm schemenhaft einen Pfad wahr, der sich in engen Serpentinen nach oben schraubte. Da sollen wir hoch? Doch dann dachte ich mir, die Pferde machen das bestimmt täglich, die kennen den Weg. So ließ ich meinem Tier die Zügel locker, dass es den Weg alleine fände und ich hielt mich lediglich am Sattel, damit ich nicht hinabstürzte, fest. Ein Blick bestätigte mir, dass es alsbald verdammt weit nach unten war. Hinter mir hörte ich das Pferd meiner Freundin öfter schnauben und unregelmäßig treten. Vermutlich versuchte sie, zu reiten und irritierte ihr Trier damit. Manchmal muss man die Pferde einfach machen lassen, denn sie wissen genau, was sie tun.
Von einer anderen reitenden Freundin erfuhr ich nämlich, dass Schulpferde kleine Biester waren. Sie merkten meist sehr schnell, ob sie jemanden auf dem Rücken trugen, der Reiter war oder, wie in meinem Falle, eben nicht. Wenn jemand glaubte, Reiter zu sein, machten die Zossen genau nur das, was ihnen gesagt wurde, dem entsprechend nahmen sie schon mal die falschen Hilfen, die ihnen gerade angeboten wurden, und liefen fehl. Wenn der Getragene ihnen jedoch die Entscheidung überließ, dann sorgten sie dafür, dass alle Beteiligten wieder sicher nach Hause trabten.
Eingedenk dieser Tatsache ließ ich mein Pony machen und es trug mich sicher ohne zu stolpern nach oben.
Oben auf den Höhen ritten wir durch eine herrliche Landschaft abseits der normalen Wege. Dann wollte unser Führer scheinbar eine Abkürzung nehmen. Abkürzungen haben so die Angewohnheit sich als Verlängerungen zu entpuppen, da der Weg meist ohne Grund und ziemlich abrupt im Nichts endet. So war es auch dieses Mal. Erwähnte ich die Wege abseits der Wege? So befanden wir uns wohl auf einem Wildpfad inmitten eines Steilhanges und es ging nicht mehr vorwärts, sondern wir mussten den Weg zurück, den wir gekommen waren. Auf einer Seite ging es bergab auf der anderen Seite bergauf. Irgendwie musste ich mein Pferd wenden, aber wie? Meine Freundin und ihr Bruder stiegen ab und führten ihre Tiere herum, um dann wieder aufzusteigen. Ähm, genau... aufsteigen. Normalerweise steigen Reiter von links auf. Links wäre aber bergab, also unterhalb des Tieres und der Sattel wäre noch höher. Ich dachte nur, wenn du jetzt absteigst, kommst du nie mehr auf das Pferd. Also probierte ich mein Tier im Sattel sitzend zu wenden. Zuerst versuchte ich talwärts. Das mochte es nicht. Also die Wendung bergan. Siehe da, ich wendete mein Pferd formvollendet auf der Hinterhand, so als wenn ich nie etwas anderes in meinem Leben gemacht hätte. Gut, dass unser Führer meine Gedankengänge nicht mitbekam. Puh.
Irgendwann waren wir bereit, Richtung Rancho zu reiten. Nach einiger Zeit kamen wir an einem klaren Bergsee vorbei. Die Pferde wurden unruhig, vielleicht wollten sie trinken, als ein spitzer Schrei die Luft zerriss. Das Pferd des Bruders galoppierte an uns vorbei, die Zügel und Steigbügel flogen, der Reiter hing über dem Pferdehals und klammerte sich an den selbigen. Dann machte das Tier einen gewaltigen Satz in den See, dass das Wasser nur so spritze. Unser Führer reagierte sofort. Er sprang von seinem Tier, drückte mir seine und die Zügel meiner Freundin in die Hand und hechtete in die kalten Fluten, um Ross und Reiter wieder einzufangen. Sichtlich erstaunt, hielt ich nun dreierlei Zügel in Händen. Machte ich im Sattel so eine gute Figur, dass er mich für eine gute Reiterin hielt? Muss wohl.
Nun, auch der schönste Urlaub endete einmal. So stand ich nach knapp drei Wochen an der Anschlagtafel der Rezeption, um die Abfahrtzeit des Flughafenshuttels zu ermitteln. Dort waren ebenso allerhand junger Leute, die sich an besagter Anschlagtafel die Attraktionen des Tages besahen, um sich gegebenenfalls für eine, ihrer derzeitigen Stimmung angemessene, zu entscheiden. So passierte es, dass ich die Aufmerksamkeit eines nicht unattraktiven jungen Mannes auf mich zog.
„Hallo. Ich bin Klaus aus Köln“, stellte er sich in seiner rheinländischen Mundart vor. „Ich bin gestern angekommen. Wollen wir morgen den Ausflug gemeinsam machen?“
Er schaute mich mit seinem vermutlich unwiderstehlichsten Lächeln erwartungsvoll an.
„Hallo Klaus“, ich lächelte zurück. „Gerne...“
Weiter kam ich nicht, denn er unterbrach mich freudestrahlend: „Um 10 Uhr dann hier am Treffpunkt?“
„Öhm...“, räusperte ich mich und versuchte meinen unterbrochenen Satz erneut anzubringen, „gerne, aber leider fliege ich morgen bereits nach Hause. Sorry, Klaus.“
Ich legte etwas mehr Enttäuschung als notwendig in meine Stimme.
Klaus bekam eine Gesichtsentgleisung sonder gleichen.
„Aber...“
„Schau“, versuchte ich ihm zu erklären, „rothaarige werden nicht so schokoladenbraun. Mehr als dieser leichte Bronzeton ist bedauerlicherweise nicht drin.“
Zum Abschied tätschelte ich ihm noch die Wange und ließ ihn dann verwirrt in der Rezeption stehen.