Corona ist wirklich für einiges gut, denn man hat plötzlich so viel Zeit, da die Arbeit nicht mehr stört. So hat mein Nachbar für sich das Bier brauen entdeckt. Anfänglich war es nur ein großer Spaß am Rande gewesen. Aber nun artet es aus, dass er, wie es sich für einen getreuen Bürger gehörte, es sogar beim Zoll anmeldete, wie viel er denn schon produziert hätte. Im Sommer war ich ja bereits einmal zur Bierprobe geladen und nun stand er vor unserer Tür mit 5 Flaschen seiner Braukunst.
Zum Glück war der Novemberabend warm, so komplementierten wir ihn in unser Sommerwohnzimmer. Während er so in der Lounge saß, referierte er über das Bier brauen im Speziellen und seine Sorten im Besonderen. Er ist zwar nicht unbedingt eloquent, hört sich aber dennoch gerne selber und auch viel reden oder auch schwadronieren. Während er das Bier nicht ganz so gleichmäßig auf die dargebotenen Gläser verteilte, erklärte er wortgewaltig die Sorten und wie diese sich unterschieden. Er kam mir fast wie ein Sommelier vor, wie er die Würze des Bieres mit seiner leichten Note nach Kakao und dem fruchtigen Abgang lobte. Vielleicht bin ich an dieser Stelle keine Genießerin, Bier schmeckt oder schmeckt eben nicht. Was interessiert mich der fruchtige Abgang? Darauf picke ich doch noch mal eine Traube.
Nun denn, als er die dritte Flasche öffnete, war ich froh, dass wir in der Lounge saßen. Er hatte auch eines der berühmten Champagnerbiere gebraut. Also so ein Bier mit überschäumenden Charakter. Es war fast so wie beim Anstich am Oktoberfest in München, wenn es der Bürgermeister nicht kann und die hälfte des edlen Gerstensaftes sich spritzend in alle Richtungen ergießt. So wurde auch unserem Balkon eine Hopfentaufe zu Teil. Was soll ich sagen, irgendwann verabschiedete ich mich zur Nacht in der irrigen Hoffnung, dass er dies zum Anlass nähme nach Hause zu gehen.
Am nächsten Morgen erfuhr ich von meiner Mitbewohnerin, dass die Androhung von polizeilichen Maßnahmen dafür sorgte, dass er sein eheliches Bett aufsuchte, statt unsere gemütliche Gästecouch zu nutzen.