Es war sonntags morgens, als mein Telefon schellte. Meine Mitbewohnerin fragte mich, ob ich sie auf dem Weg zur Matinee nicht bei der Bekannten abholen könne. Natürlich, kein Problem. So lernte ich Frau Doktor doch noch kennen. Eine Dame mit zwei wohltönenden Vornamen und einen durch Heirat gewöhnungsbedürftigen Nachnamen. Vergleichbar mit Leutheusser-Schnarrenberger oder Petschke-Eigenbrodt nur eben in österreichischer Manier. Da sie verkehrsberuhigt wohnte, war die Parksituation sehr angespannt und ich solle am Bahnhof parken, da ihre Wohnung fußläufig zu erreichen sei. Just als ich am Bahnhof vorfuhr, meldete sich mein Handy.
„Hallo, ich parke am Bahnhof“, meldete ich mich bei meiner Mitbewohnerin.
„Klar. Ich stehe auf dem Balkon und sehe dich“, antwortete sie.
Suchend blickte ich mich um und sah eine wild gestikulierende Person auf einer Dachterrasse stehen. Ich winkte zurück.
„Ich reiche dich mal an Frau Doktor weiter. Sie will dir den Weg erklären...“
Weg erklären? Warum das denn? Ich sehe doch das Haus und folge einfach der Straße. Aber egal, wenns sche macht, erinnerte ich mich an einen Werbeslogan.
„Hallo. Hörst du mich?“
„Hallo. Laut und deutlich.“ Ich versuchte ein Lächeln.
„Du musst nach links, dann etwas gerade aus und dann hinter das Haus. Die oberste Schelle“, erklärte sie mir.
Skeptisch schaute ich in die angewiesene Richtung. Nein, das werde ich gewiss nicht machen.
„Nach links“, setzte ich an.
„Rechts rum geht es nicht“, sie klang wie eine Lehrerin, die ihren unnützen Schülern zum x-ten Mal etwas erklärte.
„Sicher“, murmelte ich. „Ich sehe, was du meinst.“
Ihren wohlgemeinten Rat ignorierend, ihr erinnert euch gewiss an die Geschichte mit den Akademikern?, ging ich rechts vom Parkplatz herunter, direkt auf die Häuser zu, danach links herum dem Straßenverlauf folgend um die Gebäude herum. Dann erreichte ich das letzte Haus und nutzte die oberste Schelle, die rechte, um genau zu sein, die mit dem Doppelnamen aus der Alpenrepublik. Kurze Zeit später fand ich mich auf der bereits erwähnten Dachterrasse mit einer Tasse Kaffee wieder. Ein herrlicher Blick.
Während wir saßen, Kaffee tranken und quatschten, fragte sie mich, ob ich handwerklich geschickt sei. Sie habe ein Bild aufhängen wollen und dafür einen rahmenlosen Bilderrahmen gekauft. Ihr wisst schon, die mit der Glasscheibe und den seitlichen Nubsies, teils aus Metall teils aus Kunststoff. Sie sagte mir, dass sie dieses Objekt nicht wieder zusammenbrächte. Es müsste sich um einen Produktionsfehler handeln. Ich versprach, mich darum zu kümmern.
Sie führte mich zu ihrem Arbeitstisch und sie zeigte mir das Objekt der Begierde. Es sah wirklich seltsam aus. Metallklammern, die wie Ohren seitlich über den Bilderrahmen hinweg ragten. Ich nahm die Rückenplatte auf. Wie zu erwarten war die Glasscheibe nicht fest und dementsprechend das Bild auch nicht.
„Siehst du, eindeutig ein Produktionsfehler.“ Sie schaute mich herausfordernd an.
Ich biss mir fasst auf die Zunge, damit ich nicht laut loslachte. Herrje. Wenn ein Teil nur auf zwei Arten eingebaut werden kann, richtig oder falsch, nehmen Akademiker mit schlafwandlerischer Sicherheit die falsche Methode. Der Haken, der theoretisch und später auch praktisch die Scheibe mit dem Rückenteil verankern sollte, war in das Loch für die Klammer eingehakt und die Klammer, klammerte am Rand und konnte nicht wirklich etwas klammern.
Mit dem nötigen Ernst machte ich eine gewichtige Miene.
„Ja, ich sehe das Problem.“ Ich tat so, als müsste ich darüber nachsinnen, was nun zu tun sei. Aber am liebsten hätte ich mich vor Lachen auf dem Boden gekugelt... rofl. Unterdessen versuchte ich, die Klammern aus den Ösen zu lösen, was gar nicht so einfach war. Irgendwann klimperten endlich alle über den Tisch. Dann nahm ich das Glas, legte das Bild darauf und positionierte die Rückenplatte. Hernach klammerte ich die Klammern, die zuerst Glas und Rückenteil verbindend in den Ösen verankert wurden. Eigentlich kein Hexenwerk doch für meine Akademiker müsste eine Zeichnung mit 36 Sprachen beigefügt werden.
„Oh, du hast es geschafft“, ehrfürchtig schaute sie mich an. „Ich zeige dir, wo es hängen soll. Kannst du das?“
Bild aufhängen? Nagel in Wand. Bild an Nagel. Ist der Papst katholisch? Verständnislos folgte ich ihr in die Küche. Sie zeigte auf eine Stelle an der Wand. Fast schon zu lässig, was sollte jetzt auch noch passieren, wollte ich das Bild an den bereits eingeschlagenen Nagel hängen. Pling! Entfleuchte eine der Klammern. Verdammter Vorführeffekt. Wo war das Ding nur hingesprungen? Ein kurzes Abrücken des Kühlschrankes brachte das Ersehnte und so manch anderen Schatz zum Vorschein. Noch einmal geklammert und das Bild hing zur Freude von Frau Doktor an seinem dafür vorgesehenen Platz.