Gegen halb Fünf am Nachmittag des 14. Mai 1752 waren drei Männer zu Pferd und ein weiterer zu Fuß auf dem Weg durch den Wald von Lettermore am Südufer des Loch Linnhe, gut zwei Kilometer westlich von South Ballachulish, unterwegs. Ein Schuss ertönte. Einer der Reiter stürzte zu Boden. Alldieweil dessen Begleiter versuchten, dem Sterbenden zu helfen, nahm einer von ihnen eine Gestalt in einem dunklen Mantel wahr, die sich auf dem Hügel davonmachte.
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Wald von Lettermore
Dieser Vorfall ist als der Appin-Mord in die Geschichte eingegangen. Es handelte sich dabei um die Ermordung von Colin Campbell of Glenure, auch bekannt als The Redfox (der Rotfuchs). Campbell war zum Bevollmächtigten ernannt worden und verwaltete die Ländereien, die die Regierung nach dem Aufstand von 1745 und der Schlacht von Culloden, die selbigen beendete, von jakobitischen Anhängern beschlagnahmt hatte.
Unmittelbar nach der Rebellion war das Vorgehen der Regierung in den Highlands barbarisch und kann mit dem verglichen werden, was man heute als Völkermord oder ethnische Säuberung bezeichnet.
Im Gegensatz dazu erfüllte Colin Campbell seine Aufgaben auf vergleichsweise humane Art, nichtsdestotrotz war er immer noch der Vertreter einer zutiefst verhassten Regierung, die einige der verbliebenen jakobitischen Sympathisanten, größtenteils Stewarts, von dem Land vertreiben wollte, auf dem sie seit Generationen gelebt hatten.
Der Appin-Mord gilt als eines der umstrittensten und faszinierendsten Ereignisse der schottischen Geschichte. Dies ist zum großen Teil auf den grotesken Justizirrtum zurückzuführen, der folgte.
Der Anführer der Opposition gegen die geplanten Räumungen war James Stewart of Acharn, der Halbbruder des im Exil lebenden Charles Stewart of Ardshiel, Clanchef der Appin Stewarts, deren Ländereien beschlagnahmt worden waren und nun von Colin Campbell verwaltet wurden.
Am Tag nach dem Mord wurde James Stewart als Mittäter verhaftet, und es wurde nach dem Hauptverdächtigen Allan Breck Stewart gefahndet, einem Berufssoldaten und Jakobiten, von dem bekannt war, dass er Drohungen gegen Colin Campbell ausgesprochen hatte.
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James Stewart Monument auf dem Last Clansmen Trail
Allan Breck wurde niemals gefasst. Es wird angenommen, dass er nach Frankreich entkam.
James Stewart wurde in Inveraray vor Gericht gestellt, ohne dass er die Möglichkeit erhielt, sich angemessen zu verteidigen. Unter den 15 Geschworenen befanden sich 11 Campbells, von denen einige auf Empfehlung des Bruders des Opfers, des Duke of Argyll, ernannt wurden.
James wurde für schuldig befunden, obwohl keinerlei Beweise gegen ihn vorlagen, Am 8. November 1752 wurde James Stewart gehängt und zwar an einem Galgen, der sich am heutigen südlichen Ende der Ballachulish Bridge befunden hatte. Die Leiche wurde vier Jahre lang dort belassen. Seine sterblichen Überreste wurden letztlich im Geheimen in der Kapelle von Keil beigesetzt.
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Überreste der Keil Chapel
Der Appin-Mord steht im Mittelpunkt der Handlung von Robert Louis Stevensons beiden Roman-Klassikern Entführt und Catriona, wenn auch mit einigen dramaturgisch bedingten Änderungen.
Einige der wichtigsten Schauplätze in der Geschichte des Appin-Mordes wurden unter dem Banner des Last Clansman Trail miteinander verbunden. Der am leichtesten zu erreichende Ort ist Cnap a' Chaolais, wo James Stewart hingerichtet wurde. Die Gedenkstätte ist über eine Treppe von der Straße am südlichen Ende der Ballachulish Bridge aus zu erreichen, oder besser gesagt über weitere Stufen von der unteren Straße, der A828, die an dieser Stelle dem Ufer des Sees folgt. Eineinhalb Kilometer weiter westlich führen Schilder von der A828 zu einem Waldparkplatz im Wood of Lettermore. Von hier aus führt ein Weg von etwa 500 Meter zu dem Appin Murder Cairn, der die Stelle markiert, an der Colin Campbell ermordet wurde.
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Appin Murder Cairn
Acht Kilometer südwestlich der Ballachulish Bridge weisen weitere Schilder zu einem Parkplatz, von dem aus ein Waldweg zum Geburtshaus von James Stewart begangen werden kann. Was das Schild am Parkplatz nicht erwähnt, ist die Entfernung, die man zu Fuß zurücklegen muss, um sein Ziel zu erreichen. In der Praxis ist der Weg zum heutigen Bothy nur etwa drei Kilometer lang. Wer die Entfernung nicht kennt, dem kann es jedoch weiter vorkommen, vor allem an einem Tag, an dem man die Schneefallgrenze an den steilen Hängen der umliegenden Berge deutlich erkennen kann.
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James Stewart's Birthplace
Der nächste Punkt des Weges ist der Bauernhof von Acharn. Hier ist kurz davor ein Parkplatz ausgeschildert, allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, welche Gebäude hier zu James Stewarts Lebzeiten standen. Man bekommt schnell das unangenehme Gefühl, dass man in einem Hinterhof herumläuft.
Ebenfalls auf dem Weg - etwas weiter unten an der A828 in Richtung Oban - liegt die verfallene Kapelle von Keil. Das Problem hier ist, dass man nirgendwo parken kann, weder an der stark befahrenen Hauptstraße noch zwischen den landwirtschaftlichen Gebäuden, die sich in der Nähe der Kapelle befinden.
In Glenure House, dem Geburtshaus von Colin Campbell im Glen Creran, das gleichfalls an der Route zu finden ist, gibt es keinerlei Parkprobleme.
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Glenure House
Wenn also James Stewart Colin Campbell nicht getötet hat, wer war es dann? Es heißt, dass die Wahrheit über Generationen innerhalb der Stewarts of Appin weitergegeben wurde. Wahrscheinlich war es nicht Allan Breck, und allem Anschein nach auch nicht der andere Verdächtige, der in der umfangreichen Literatur zu diesem Thema benannt wird, nämlich Donald Stewart aus Ballachulish.
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