Georg hatte den Mädels ein Abteil in der ersten Klasse gebucht. So hatten die vier eine komfortable, angenehme Zugfahrt. Für Bruno hatte man sogar einen Napf mit Wasser und Trockenfutter bereitgestellt. Käthe las dem kleinen Gerhard eine Geschichte vor, Irene kritzelte in einem Malbuch mit Bauernhoftieren. Lina blätterte die Unterlagen und Broschüren vom Mirabellenhof durch. Georg hatte die großartige Idee mit dieser Mutter und Kind Einrichtung, welche sich speziell um junge überforderte, psychisch angeschlagene Mütter kümmerte. Allerdings müsste sie dafür nach München ziehen. Aber genau das konnte sich Lina überhaupt nicht vorstellen. Alles hinter sich lassen, den Kindern die Umgebung und Familie wegnehmen? Es fühlte sich komisch und fremd an. Doch sie hatte jetzt alle Zeit der Welt, um sich die Sache gründlich zu überlegen, denn im Moment gab es keine freien Plätze. Die Wartezeiten waren lang, Georg konnte eventuell seine Beziehungen spielen lassen, falls sie sich dazu entschließen sollte. Lina war bei weitem nicht so mutig wie ihre Mama oder Käthe.
Jedes Mal wenn der Zug anhielt, flüchtete ihre Schwester nach draußen, um hastig eine Zigarette zu rauchen. Lina schüttelte den Kopf, „Du bisch so dumm!“
„He! Lass mich! Ich mache was ich will!“, schimpfte Käthe.
„Mir wolle doch koi Grach mehr!“ „Dann lass mich doch in Ruhe, blöde Kuh!“ Die Kleinen starrten sie entsetzt an. Bruno kläffte ein einziges Mal dann döste er weiter. Am Ende nahmen sich die Mädels wieder in den Arm und gelobten Besserung.
***
Moni zog ihre Sportklamotten an. Das Gästezimmer war inzwischen ein Mini-Sportstudio, ausgestattet mit einem Ergometer, einer Rudermaschine sowie einigen Hanteln. Sie legte die Gymnastikmatten auf den Boden, knipste die Stereoanlage an und begann mit den Dehnungsübungen. Nach einer Stunde schwitzen öffnete sich die Tür, herein trat ein strahlender Uwe.
„Hey, mein Engel,“ er nahm sie zärtlich in den Arm. „Warst du erfolgreich beim shoppen?“ „Ach du, das ist einfach nicht meine Welt, Geld ausgeben und solche Schnösel dort.“ „Ja das verstehe ich, meine auch nicht!“ Sie lachten laut, dann küssten sie sich leidenschaftlich. „Hast du schon Feierabend?“, freute sich Moni.
„Nein, leider das Gegenteil. Deswegen bin ich hier. Es wartet eine Notoperation, der Patient wird in diesen Minuten vorbereitet. Werde gleich wieder verschwinden. Du musst leider alleine den Robert-Termin managen.“ Fassungslos starrte sie Uwe an. „Wie bitte? Nö, nö, nö. Ich sag ihm ab!“ „Ach mein Engel, bitte. Für mich ist es wichtig, wenn das Finanzielle endlich geregelt wird. Robert macht dir verschiedene Vorschläge. Ich kenne sie nur grob, hör ihm genau zu und entscheide dich. Bitte!“
Moni zog eine Schnute, verdrehte die Augen. „Wenn es sein muss.“ Uwe zog sie noch einmal zu sich, streichelte ihren Po, ihre Schenkel, küsste sie dabei wild. „Ich freu mich auf heute Abend, auf dich!“ Schon war er weg.
Nach einer zweiten Dusche an diesem Tag überlegte sie lange, was sie anziehen sollte. Nicht zu aufreizend, war ja klar. Nicht zu leger und sportlich, war ja auch klar. Sie telefonierte daher mit Nicole. „Ach meine Liebste, nimm eine schicke Jeans, eine sportliche Bluse und Pumps. Oder so ähnlich.“
„Kannst du nicht mitkommen?“ Die Freundin lachte schallend, „Aber nein, Süße, das geht auf keinen Fall.“
Mutig, mit hoch erhobenem Kopf, öffnete Moni die Tür zum Besprechungszimmer Nummer drei. Sie hatte sich Nicoles Klamotten-Vorschlag zu Herzen genommen, dazu ein dezentes Make-up aufgelegt. Mit einem kleinen Spritzer ihres Lieblingsparfüms am Hals war sie bereit. Robert, ganz Gentleman, sprang sofort vom Stuhl auf, um sie elegant zu begrüßen. Von seinen funkelnden Augen wurde sie blitzschnell von oben bis unten gescannt. Sie zeigte ihm ihr gütigstes Lächeln, neigte dabei den Kopf leicht zur Seite. „Hallöchen, ich bin die schwäbische Moni. Uwe steht im OP und kann leider nicht beim Termin dabei sein.“ Sie stand ein wenig unbeholfen da. Robert nickte, dabei lächelte er freundlich zurück. „Ja dann, gut. Ähm, wie schön, Sie kennenzulernen Frau Häberle. Willkommen in Innsbruck“, fröhlich zwinkerte er ihr zu.
„Vielen Dank, tja, in so einer tollen Umgebung fällt es einem sehr leicht, sich wohl zu fühlen“, dabei blickte sie vergnügt aus dem Fenster. Monis offene, sympathische Art, ihre natürliche Schönheit kamen auch beim Finanzwirt gut an.
Auf dem Tisch lagen verschiedene Stapel mit Dokumenten, Briefumschläge und Formulare. Nicole hatte sich wie immer Mühe gegeben, denn wie so oft standen Kalt- und Heißgetränke sowie Obst und Kekse bereit. Robert fragte nach ihrer Heimat und sie kamen auf das Thema Wein. „Gerne bringe ich Ihnen von dem kostbaren Gesöff ein paar Flaschen vorbei.“
"Dieses... Gesöff würde ich sehr gerne kosten, ja! Aber nun gut". Er räusperte sich, es wurde ernst.
Er nahm das oberste Formular in die Hand. „Also dann, wollen wir mal. Bereit?“ Aufgeregt nickte Moni, man sah ihr die Unsicherheit an. „Okay, schießen sie los!“
„Möglichkeit eins, Sie bekommen jeden Monat einen Betrag X, dessen Höhe Sie selbst entscheiden, auf ihr eigenes Konto." Er grinste und fügte hinzu, "Das Konto wird natürlich mit einem gewissen Dispo ausgestattet sein, welches Ihnen ermöglichen wird, auch mal über die Stränge schlagen zu können.“ Dabei lachte er laut und schlug sich auf die Schenkel.
Moni runzelte die Stirn, dann zwinkerte sie ihm keck zu. „Sie meinen, falls ich spontan ein Hotel kaufen möchte?“ Beinahe verschluckte er sich beim Lachen.
Moni schloss die Augen, ihre Hände zitterten und sie sehnte sich zurück in das alte Haus in der schwäbischen Heimat, an den Tisch mit der klebrigen, löchrigen Tischdecke ihres Schwiegervaters. Das waren noch ganz andere Probleme gewesen als diese hier.
„Möglichkeit zwei, Sie bekommen eine Zweitkarte von Uwes Konto, eine sogenannte Partnerkarte. Mit der Sie jederzeit über sein Konto verfügen können...“ Moni fiel ihm ins Wort, „Sollte es gedeckt sein...“
Lange war es still im Raum. „Ist das der typische schwäbische Humor oder handelt es sich hier um Ihren ganz eigenen Stil? Uwe geht es darum, dass Sie sich wohl fühlen!“ Robert schmunzelte leicht.
„Ist es nicht schnurzpiepegal, ob ich von seinem Geld mein eigenes Konto füttere oder gleich sein Konto benutze? Ich dachte, es geht um meine Selbstständigkeit! Was hat denn Geld mit Wohlfühlen zu tun“, maulte Moni.
Robert legte die Formulare zurück, setzte seine Brille ab, schenkte Kaffee ein und reichte eine Tasse freundlicherweise an Moni weiter. Diese nahm sie dankend an. Schweigend nippten sie an der schwarzen Brühe.
„Hattet ihr vergessen, vor dem Termin über diese Angelegenheit zu reden? Das traue ich Uwe durchaus zu, er macht sich nämlich nichts aus seinem Vermögen.“
„Gott sei Dank, ich nämlich auch nicht! Aber ich möchte auf jeden Fall mein eigenes Konto haben. Schließlich habe ich ja in Deutschland schon eines. Kann ich das nicht mit hierher übernehmen?“ Robert blickte auf die Uhr, „Wäre es nicht besser, wenn wir einen neuen Termin vereinbaren? Mit Uwe?“
Moni zuckte mit den Schultern, „Mir doch egal!“ Der Vermögensverwalter und langjähriger Freund vom Chefarzt fuhr sich mehrmals mit der Hand übers Gesicht.
„Gut, Sie nehmen jetzt diese Partnerkarte“, er fuchtelte mit einer goldenen Kreditkarte vor Monis Augen herum, „Die nutzen Sie so lange bis wir einen Gütetermin gefunden haben. Wäre Ihnen das Recht?“ Moni biss sich auf die Unterlippe. Lächelnd stimmte sie der Idee zu. „Ok, Waffenstillstand.“
Sie nahm die Karte an sich. Robert schob ihr die Formulare zu, die sie zu unterschreiben hatte. Er händigte ihr PIN und PUK Nummern aus. Zum Schluss gab er ihr seine Telefonnummer. „Bitte sofort anrufen, falls die Karte geklaut oder verloren wurde.“ Sie tranken ihre Tassen leer, aßen ein paar Kekse. Moni erzählte von ihrer Familie, Robert hörte interessiert zu. „Wie bitte? Schon Oma? Ach, das ist ja goldig. Das gefällt dem Uwe, oder?“
Sie verabschiedeten sich freundlich, Robert hakte ein letztes Mal nach: „Ihr redet nicht über Geld oder Reichtum?“ Moni schüttelte den Kopf, „Nein, ich kann es nicht leiden!“ Der Finanzexperte erkannte die Ehrlichkeit in ihren Augen.