Uwe blieb stehen und nahm seine Moni liebevoll in den Arm. Sanft küsste er ihre Stirn. „Mein Engel, das tut mir so leid.“ Er spürte, wie sie vor Kälte zitterte, deswegen marschierten sie schnell zurück zum Hotel. Sie packten die ersten Sachen in die Koffer und gönnten sich zum Abschluss noch einmal die Wellness-Wanne mit dem sinnlichen Duft, dabei genossen sie den wunderbaren Ausblick über den See. Die Lichter der kleinen Stadt und der Schiffe, welche vereinzelt auf dem See dümpelten, leuchteten mit den Sternen um die Wette. Moni fühlte sich pudelwohl, zufrieden und glücklich.
Doch dann hakte Uwe nach. „Du hattest mit sechzehn schon einen Freund?“ Moni nickte und grinste, die Augen hatte sie geschlossen. „So einen richtigen Freund?“
Genervt verzog sie den Mund, setzte sich auf. „Was meinst du mit so richtig?“
„Na du weißt schon. Mit Sex und so.“
„Nöööö.“
Uwe schien erleichtert.
„Ach Uwe-Schatz, logisch mit Sex und so. Sonst wär es doch nicht mein Freund gewesen.“ Er biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ab.
„Bist du jetzt auf meinen ersten Typ eifersüchtig?“ Sie konnte es nicht fassen.
„Nein, natürlich nicht. Ich wundere mich nur. So jung warst du.“ Moni boxte ihn in die Seite. „Ja, ich war eben frühreif. Und du?“ Sie schenkte ihm ein freches Grinsen.
„Ich? Ich hatte andere Interessen“, war seine knappe Antwort. Er nahm sein Handtuch und stieg aus der Wanne. Aus dem Kühlschrank holte er eine Flasche Cola. In einem Zug trank er diese leer. Eine Zeitlang starrte er einfach nur an die Wand. Langsam tappte er zurück auf den Balkon, es war inzwischen kurz vor Mitternacht. Beide waren immer noch aufgewühlt und überhaupt nicht müde.
„Entschuldige bitte, mein Engel, ich bin ein Idiot!“ Moni grinste, „Ja, manchmal schon. Du bist extrem eifersüchtig, das ist wirklich nicht normal.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Kommst du noch mal rein? Oder legen wir uns in das saugemütliche Bettle?“
Uwe deutete mit dem Finger Richtung Schlafgemach. Auf dem Beistelltisch stand eine Kanne mit kaltem Tee und eine verschlossene Flasche Wein. Moni griff nach ihr und brachte sie ohne Worte in ein anders Zimmer, bevor sie sich zu Uwe kuschelte. Engumschlungen küssten sie sich zärtlich, dann fragte er vorsichtig: „Und du? Bist du denn gar nicht eifersüchtig?“
„Nö, eigentlich nicht.“
„So gar nicht? Aber warum denn nicht? Liebst du mich nicht?“
„Ach mein Uwe-Schatz, sieh mal. Du hast mich kennengelernt, da war ich mehr tot wie lebendig. Verletzt, zerstört, wahrlich kein schöner Anblick. Mein Gesicht war grün gelb lila und geschwollen. Auf den Fotos sehe ich aus wie Frankensteins Frau. Du bist ein sehr attraktiver, erfolgreicher und sehr geschätzter Chefarzt, noch dazu mit richtig viel Kohle. Die Hälfte deiner weiblichen Belegschaft himmelt dich an. Du merkst das nicht mal, aber du könntest sie alle haben!“
„Wie bitte?“ Erstaunt runzelte Uwe die Stirn.
„Lass mich weiter reden. Ja, glaub mir das ist so!
Doch stattdessen hast du dich in mich verliebt. In eine einfache, gewöhnliche, zwei Jahre ältere Bürotussi, die mit vielen Problemen behaftet und voller Trauer war. Hast um mich gekämpft, solange bis wir ein Paar wurden. Sag mir, auf wen sollte ich eifersüchtig sein?“ Inzwischen hatte Moni Tränen in den Augen. Uwe biss sich auf die Lippe und vergrub seinen Kopf an ihrer Seite. Für ein paar Minuten blieb es still.
Geschickt wechselte Moni das Thema und sprach ihre Sorgen um Käthe und Lina aus. Doch bei diesen Themen war Uwe voller Zuversicht. „Sie sind beide starke Persönlichkeiten, sie kommen ja nach dir! Wir helfen ihnen auf den richtigen Weg für eine glückliche Zukunft. Vertraue mir.“
Moni war dankbar für seine Worte und spürte wieder diese Kraft und Energie, die von ihm ausging. Sie küsste ihn leidenschaftlich, zupfte frech an seinen Härchen am Po und kuschelte sich eng an ihn.
Uwe drehte sich auf den Rücken und schaute an sich hinunter. „Sag mal. Soll ich da unten was verändern?“ Moni blinzelte verstohlen auf seinen Schambereich. „Ähm, was genau meinst du damit?“
„Nun ja, vielleicht eine Rasur?“ Moni überlegte kurz, bevor sie kichernd antwortete. „Schatz, du bist von Kopf bis zu den Zehen ein stark behaarter Mann. Was denkst du wohl wie das aussehen würde?“ Erwartungsvoll schaute Uwe sie an.
„Wie ein Alien-Landeplatz vermutlich,“ beide lachten laut. Dann wurde es ruhig, ein jeder hing seinen Gedanken nach.
„Eins noch mein Schatz. Ein Alltag auf Station mit den kranken und verletzten Personen, das ist nichts für mich. Ich brauche ein Büro mit elektronischen Geräten, Stifte, Papier und Formularen.“ Uwe nickte, „Ja mein Engel, ich weiß. Hauptsache du bist in meiner Nähe.“ „Aber ich möchte auch in Montan sein, das war dir doch auch so wichtig!“ „Ja, natürlich. Es ist absolut wunderbar, wie gerne du auf dem Hof bist. Dafür liebe ich dich noch viel mehr. Trotzdem habe ich dich gerne bei mir.“ Zärtlich küsste er Monis Stirn. „Leider lässt mir mein Job nicht viel Freizeit. Ich benötige dein absolutes Verständnis dafür.“ Moni gähnte herzhaft. „Das hast du auf jeden Fall, ich dachte das weißt du bereits!“
Endlich schliefen sie erschöpft ein.
***
Langsam spazierte Uta mit den Hunden eine Abendrunde durch den Park. Sie setzte sich auf eine Bank und starrte ins Leere. Sie fühlte sich hier völlig fehl am Platz und hatte schlimmes Heimweh. Ohne ihre Tabletten hätte sie es überhaupt nicht nach draußen geschafft. Johann und seine Frau kümmerten sich wirklich sehr um sie, dennoch war sie absolut unglücklich, noch dazu ein nervliches Wrack. Immer und immer wieder kamen die gleichen Gedanken. Otto! Oh mein Gott! Wie konntest du uns das antun?
Das ganze Leben eine Lüge!
Mit dem Anruf aus der Innsbrucker Klinik hatte damals alles begonnen. Das Unglück ihrer Schwester am Monte Piano brachte einen großen Stein ins Rollen. Nun saß sie auf dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Jetzt ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Die kleinen Hunde sprangen kläffend umher und zerrten an der Leine.
Aus ihrer Tasche kramte sie ihr Handy und wählte Monis Nummer. Doch diese meldete sich leider nicht. Ja, ihre Schwester hatte es nun wirklich gut erwischt. Hatte sie sich einfach einen reichen Chefarzt geangelt. Kaum dass der eigene Mann beerdigt war. Sowas aber auch! Bis heute konnte sie diese Tatsache nicht so recht begreifen. Käthe kam ihr in den Sinn, sie tippte eine Nachricht für ihre Nichte. Es war Uta so furchtbar peinlich, dass sie das Drama, welches sich in ihren eigenen Wänden damals abspielte, überhaupt nicht mitbekommen hatte. Niemals wäre sie auf diese grauenhafte Idee gekommen, dass ihr fürsorglicher Ehemann ein Kinderschänder war. Sie schämte sich dermaßen, wieder flossen ihre Tränen, laut zog sie den Rotz hoch. Sie legte das Telefon zur Seite, dabei rutschte es zwischen die Spalten der Holzbank und landete im kniehohen Gras. Leider bemerkte sie es nicht. Mit kleinen Schritten trat sie den Heimweg an und stolperte beinahe über die Leinen, die sich mal wieder verhedderten.