Am späten Nachmittag fuhr Uwe mit den Kindern zu einem Ponyhof, nur wenige Kilometer von der Finca entfernt. Selbst zweieinhalbjährige kleine Knirpse wie Linus konnten hier ihre ersten Erfahrungen beim Reiten sammeln. Uwe verhandelte auf Spanisch mit den freundlichen Mitarbeitern. Es dauerte nicht lange und die drei saßen überglücklich in einer Mini-Kutsche. Uwe hatte Linus auf seinen Schoß genommen, da er nun doch ein wenig ängstlich wurde. Die Kinder hielten stolz die Zügel in der Hand. Auf schmalen Feldwegen zuckelte das Gefährt zwischen Orangenbäumchen durch.
Zärtlich streichelte Uwe Linus über die verschwitzten Haare, „Na du kleiner Spatz, macht es dir Spaß?“ „Jaaa, söön!“ Die Freude der Kinder ließ sein Herz höher schlagen. Neben dem Ponyhof gab es einen Rummelplatz mit Karussell, Riesenrad und einigen Kirmesbuden. Wieder einmal zeigte sich Uwe sehr spendabel und verwöhnte die Kinder.
Abends saßen alle gemeinsam auf der schattigen Terrasse. Hier genossen sie die von Uwe bestellten Pizzen, Salate und Nudelgerichte.
„Ich möchte euch sagen, dass ich morgen Nachmittag zurückfliegen werde. Thommy, mein Flug geht kurz nach sechzehn Uhr, kannst du mich bitte zum Flughafen bringen? Margit, ich geh morgens noch einmal mit den Zwergen an den Strand, so dass du die Zeit für dich nutzen kannst.“
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Schon von weitem erkannte Moni die beiden gesattelten Pferde. Karls Hengst Sam, ein Shire Horse, überragte Rondo um einen halben Meter. Trotz dieser Größe besaß diese Rasse einen sanftmütigen Charakter. Früher einmal waren das die typischen Ritterpferde, aber auch sehr oft in der Landwirtschaft genutzt. Mit Sam hatte Karl auf seinem Hof gearbeitet. Es war das einzige Tier, welches den Brand überlebt hatte.
Fröhlich fragte Moni: „Was gibt das?“
„Wir beide reiten aus.“
„Das ist glaube ich keine so gute Idee. Ich kann das nämlich gar nicht,“ gab Moni zu verstehen.
Tina und Max waren soeben fertig mit dem Füttern der Ziegen und kamen ebenfalls zur Koppel gelaufen. Max freute sich, von weitem rief er ihnen zu: „Ah wie ich sehe, planen wir einen gemeinsamen Ausritt. Das ist eine perfekte Idee. Karl, hilfst du uns bitte bei den Haflinger?“
Moni stand bei Rondo und hielt sich vor Lachen den Bauch. „Na klar kann ich reiten, ich weiß nur noch nicht, wie ich da hoch kommen soll.“ Tina half ihr beim Aufsteigen und brachte für Moni einen Reithelm. „Was denkst du wie Uwe schimpfen wird, ohne Helm geht gar nicht!“
Nach dem Ausritt tranken die vier noch ein Bier zusammen. Tina hakte sich bei Moni unter, dann liefen sie ein paar Schritte. „Wie gehts dir inzwischen?“ Moni biss sich auf die Lippe. „Nicht so gut. Spätestens am Samstag möchte ich in meine Heimat. Gerne für ein paar Wochen.“ „Man sieht dir deine Traurigkeit an, liebe Moni! Ich kann dich auf der einen Seite verstehen. Du musst das Alte abschließen. Aber was ist mit meinem Bruder? Weiß er es schon?“ Moni schüttelte den Kopf, ihr Blick auf den Boden gerichtet.
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An diesem Abend erhielt Uwe folgendes Foto: Moni, Tina, Max und Karl hoch zu Ross vor dem Biergarten in Montan.
Es war ihm überhaupt nicht nach Lachen zumute. Er hielt seine geballte Faust an den Mund und biss sich verzweifelt in die Fingerknöchel. Großzügig schenkte er sich ein Glas Rotwein ein. Beim anschließenden Telefonat fragte er seine Moni fassungslos: „Mein Engel, warum hast du mich belogen?“
„Wie bitte? Was meinst du? Ich habe dich doch nicht belogen.“
„Du magst keine Pferde und kannst nicht reiten, das waren glaub ich deine Worte.“
„Ach das meinst du. Uwe Schatz, das hat sich so ergeben. Erst seit ich Rondo kenne, mag ich Pferde, ehrlich. Ich wusste nicht, dass es so wunderbare Tiere sind.“
Auch in dieser Nacht lag Uwe ewig zwischen den schlafenden Kindern wach und grübelte über seine Zukunft mit Moni nach. Merkte sie denn nicht, wie sehr er sie liebte? Nahm sie ihn und seine starken Gefühle nicht ernst?
Da spürte er das zarte Füßchen von Linus, welches sich gegen sein Schienbein drückte, gerade so, als würde er sich vergewissern, dass der Onkel auch wirklich bei ihm lag. Sein tief sitzender Schmerz wurde immer größer. Uwe ließ seinen Tränen freien Lauf.
Das Meer lag ruhig in der schmalen Bucht. Es strahlte in einem atemberaubenden Türkis. Nachdem er beide Kids dick mit Sonnencreme eingeschmiert hatte, blies Uwe die Schwimmflügel auf. Vorsichtig stülpte er sie über die dünnen Ärmchen von Linus. Dann schnappte er sich den Zwerg und warf ihn hoch in die Luft. „Na mein Großer, gehst du mit dem Onkel schwimmen?“ Tapfer nickte Linus und schenkte Uwe ein zuckersüßes Lächeln. Der Kleine klammerte sich wie ein Äffchen an seinen Onkel und gemeinsam tappten sie durch die sanfte Brandung. Immer wieder hob Uwe sachte die Beine von Linus ins Wasser, dabei machte er lustige Geräusche. So spielten die beiden eine ganze Weile, bis Linus vor Freude laut schrie: „Linus alleine machen, Linus danz droß!“
Thommy schoss von den beiden ein paar Erinnerungsfotos, der Anblick faszinierte sogar ihn. Dann stellte Lara ebenfalls Ansprüche an ihren Onkel. „Uwe, spielst du mit mir Walfisch-Blubbern?“ Er übergab Linus an seinen Kumpel, nahm Lara an die Hand und lief mit ihr ins Meer. Sie planschten und spuckten beide in hohen Bögen das Wasser aus dem Mund, dabei kreischte das Mädchen glücklich.
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Moni starrte genervt auf ihre To-do-Liste. Da klingelte ihr Telefon schon wieder, sie erhielt einen Anruf von Herrn Rudel, dem Chauffeur. „Frau Häberle, fahren Sie mit nach München? Dann würde ich Sie in einer Stunde abholen.“ Sie benötigte einige Sekunden, ehe sie begriff, „Ach so, meinen Uwe am Flughafen abholen? Ähm nein, das schaff ich leider zeitlich nicht, es tut mir sehr leid. Ich habe viel Arbeit hier auf dem Hof.“
Mit einem schlechten Gewissen half sie Olga, die Küche wieder in Ordnung zu bringen. „Mensch Moni, das Essen war heute wieder soo lecker!“ „Danke meine Liebe, hast du dir die Rezepte aufgeschrieben?“ Das Mädchen nickte und lächelte zufrieden. Moni hatte für die Vorspeise eine große Schüssel Flädlesuppe gekocht. Als Hauptspeise servierte sie den Mitarbeitern schwäbische Maultaschen und Kartoffelsalat. Sie stürzten sich wie ausgehungerte Tiere auf das Essen. Bis auf den aller letzten Krümel war alles weg.
Der wichtigste Termin für Moni war wieder eine Videokonferenz mit den Strickfreundinnen. Heute klärten sie weitere Details. Käthe hatte erste Entwürfe vom Logo und den verschiedenen Flyer geschickt. Aufgeregt und fröhlich plapperten die Frauen durcheinander. Es war wunderbar, denn das Projekt Strickcafé nahm immer mehr Gestalt an. Moni freute sich so sehr auf das kommende Wochenende, jetzt musste sie es nur noch ihrem Uwe Schatz klar machen. Aber da er sie liebte, würde er sie sicherlich verstehen.
Dann hörte sie Franz laut rufen und Moni klatschte sich mit der Hand an den Kopf, „Ach herrje, ich muss jetzt in den Stall“. Sie verabschiedete sich, zog sich um und raste hinaus.
Später ging sie nur eine kleine Runde mit Rondo und Bruno. Sie nutzte diese Zeit, um mit Lina zu telefonieren. Ihre jüngste Tochter erzählte lachend von Simon und den Kindern. „Schdell dir vor, der würd mi trotz den Kids heirate.“