Schockiert betrachtete Uwe das hübsche Foto. Nur Thommy bemerkte seinen Gesichtsausdruck. „Was um alles in der Welt ist passiert?“
Uwe schüttelte langsam den Kopf, zuckte mit Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“ Dann gab er ihm sein Handy.
Thommy lächelte, „War das nicht schon immer dein Wunsch?“ „Sicher, aber ich wäre gerne dabei gewesen, verstehst du?“
Thommy klopfte seinem Freund fröhlich auf den Rücken, „Na komm schon, Uwe! Bleib locker, schenk uns noch ein Glas ein.“ Doch da erhob sich Oma Margit und schimpfte los: „Jetzt ist aber Schluss mit der Sauferei! Sonst ruf ich mir ein Taxi und geh mit den Kindern alleine zurück.“
Die allgemeine Stimmung war sofort hinüber. Resi versuchte, die Situation zu retten. „Wir trinken jetzt alle leer und machen uns gemeinsam auf den Rückweg, ist ja sowieso schon spät. Danke für die Einladung, das Essen war wunderbar.“ Uwe nickte, „Gerne meine liebe Resi.“ Dann wurde seine Stimme laut: „Margit, ich bitte dich! Es waren drei Gläser Wein, ja. Aber wir sind erwachsene Männer, wir benötigen keinen Babysitter!“
***
Rondo stand inzwischen brav vor einem überdimensionalen Haufen Heu bei den anderen Pferden im Stall. Karl brachte noch zwei weitere Flaschen, sie setzten sich damit auf die Bank neben der Koppel. Gemeinsam betrachteten sie den nächtlichen Himmel, an dem sich gefährlich wirkende Wolken auftürmten.
„Diese dunklen Wolken erinnern mich an den schlimmsten Tag meines Lebens.“ Karls Stimme klang traurig.
„Möchtest du mit mir darüber reden?“ Moni wirkte ehrlich interessiert.
„Langweile ich dich nicht? Du hast doch bestimmt was besseres vor.“
Moni nahm Karls Hand, drückte sie und antwortete: „Wir haben beide unseren Partner durch ein tragisches Unglück verloren. Das Thema langweilt mich überhaupt nicht! Ich stecke ja selber noch in meiner Trauerarbeit.“
Die ersten grellen Blitze beleuchteten die Dämmerung. Karl fing an zu erzählen:
„Gerade an diesem Abend hatte ich einen über den Durst getrunken, was ich ansonsten nie tat.
Doch es gab etwas zu feiern im Dorf. Ich habe inzwischen vergessen, was es war.
Ich schlief so tief und fest, hörte das böse Knistern nicht. Ich erwachte durch einen furchtbaren Hustenanfall. Dann kam der Schmerz. Ich... ich spürte einen furchtbaren Schmerz in der Lunge, konnte nicht mehr atmen. Da war er bereits zu spät für meine Frau. Bis ich kapiert hatte, was geschah, fraßen sich die Flammen schon durchs Haus. Ich trug meine ohnmächtige Frau durch das brennende Treppenhaus. Mein Sohn, der im obersten Stockwerk wohnte, alarmierte die Feuerwehr. Irgendwie schaffte er es, sich zu retten, indem er sich eine Bettdecke umlegte und wie ein Wahnsinniger nach draußen stürmte. Er erlitt lediglich eine leichte Rauchvergiftung.“
Dann fing Karl zu weinen an, Moni legte tröstend ihren Arm um ihn, drückte ihn fest an sich. Mit seinem Kopf an ihrer Brust schluchzte er laut. Sie suchte nach passende Worte, fand aber keine. Stattdessen weinte sie leise mit.
Karl hatte sich wieder beruhigt, trank seine Flasche leer, dabei wischte er sich die Tränen ab. „Entschuldige bitte. Weißt du, wir hatten es nicht einfach. Ich habe nicht nur meine Frau verloren, sondern alle Tiere, unseren Hof, unser ganzes Leben, für das wir so hart geschuftet haben."
„Ja, ich glaube ich verstehe dich ganz gut. Auch ich weiß, wie es ist, gemeinsam durch dick und dünn zu gehen. Gerade wenn es einmal nicht so gut läuft. Ein arbeitsreiches, schweres Leben zu führen ohne viel Geld und Macht, das schweißt zusammen. Auch bei mir und Herbert war das Leben nicht immer einfach.“
Karl nickte wissentlich, „Oh wie recht du hast. Du bist so eine kluge und noch dazu hübsche, sympathische Frau...“
Er hielt inne, sie waren sich so nah wie noch nie, er bräuchte nur den Kopf zu drehen, schon würden sich ihre Lippen berühren. Er kämpfte dagegen an, gähnte übertrieben laut und erhob sich.
„Moni,“ seine Stimme war heiser und leise, „Komm, wir müssen gehen.“
„Ja du hast recht! Danke Karl, für diesen schönen Abend.“
Bruno stand ebenfalls auf, kläffte laut und gemeinsam marschierten sie zurück zum Hof, der bereits im Dunklen lag.
Sie verabredeten sich für den nächsten Abend. Moni eilte die Treppen hoch in die Wohnung, erst jetzt kramte sie das Handy aus. Auf dem Display stand: wie eine Bedrohung: Sie haben4 verpasste Anrufe, 6 Nachrichten.
„Uwe Schatz, entschuldige ich bin im Stall versumpft.“ Sie erhielt keine Antwort, sondern hörte nur sein Schnaufen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte Moni ihn leise reden.
„Mein Engel, ich habe mir solche Sorgen gemacht.“
„Aber das brauchst du doch nicht, Uwe Schatz! Es geht mir gut. Rondo und ich sind jetzt richtige Freunde und Partner. Erzähl, wie war dein Tag?“
Jetzt wurde es dennoch ein schönes Telefonat. Jeder erzählte von den Erlebnissen des Tages. Uwe berichtete stolz, dass Linus Muscheln, Scampi und sogar Hummerfleisch gegessen hatte. Bei allem, was Lara und Thommys Kinder mit „Igitt – wie eklig“ kommentiert hatten, sperrte der Kleine den Mund auf, streichelte sein Bäuchlein und murmelte „Mhm lecka“. Moni lachte laut. Sie freuten sich auf das baldige Wiedersehen, beteuerten ihre Liebe und küssten sich innig durchs Telefon.
***
Uwe hielt sein Telefon noch eine Weile in der Hand und starrte es traurig an. Warum nur war er so verdammt eifersüchtig? Was war bloß mit ihm los? Er liebte seine Moni eben unendlich, ein anderer Grund fiel ihm nicht ein. Leise schlich er sich zurück ins Zimmer. Die Kinder schliefen tief und fest, vorsichtig legte er sich dazu. Es dauerte sehr lange, bis ihn seine furchtbaren Gedanken einschlafen ließen.
***
Obwohl sie sehr müde war, duschte Moni ausgiebig. Sie wusch ihre Haare, massierte eine Kurpackung in ihre langen Locken und nahm sich viel Zeit für die Körperpflege. Aus dem Radiogerät dudelten bekannte Schlagermelodien, sie summte vergnügt mit. Während sie ihre Haare föhnte, dachte sie über den Tag und über den Stallburschen Karl nach. Er tat ihr sehr leid. Zudem hatte sie das Gefühl, sein Schicksal war weit schlimmer wie ihr eigenes. Karl war ein netter, gewöhnlicher und unproblematischer Kerl. Er war nicht vermögend, nicht berühmt, sondern nur ein einfach gestrickter, sympathischer Typ. So einer, wie Herbert es war, mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Ein Realist, der den Tatsachen ins Auge sah, die Ärmel hochkrempelte und für den es nur schwarz oder weiß gab. Sie mochte ihn wirklich sehr, hatte aber natürlich seine schmachtenden Blicke bemerkt. Abstand halten, das war ab morgen ihre Devise. Denn sie liebte schließlich ihren Chefarzt.
Moni kuschelte sich ins Bett, knipste das Licht aus und nahm in Gedanken ihren Uwe Schatz in den Arm. Sie vermisste seine Nähe, die liebevollen Zärtlichkeiten und seine verliebten Blicke. In dieser Nacht allerdings träumte sie völlig verrückte Dinge.
***
Karl lag hellwach in seinem Bett, unruhig drehte er sich hin und her. Sein Körper stand in Flammen. An Schlaf war nicht zu denken, seine Gedanken kreisten nur noch um Moni. Heute hatte er versehentlich ihre wohlgeformten, üppigen Brüste gespürt. Diese Erinnerung nahm ihm den Atem. Sie waren sich so nah, er malte sich aus, wie seine Zunge lustvoll in ihrem Mund spielte, wie er ihre großen Busen streicheln würde, dabei stöhnte er laut auf. Gierig begann er damit, sich selbst zu befriedigen.