Klara, die Schwester von Herbert freute sich übermäßig, Moni nach so einer langen Zeit wieder zu sehen. „Wie schön, ach Moni, bisch dus wirklich? I hätt dich fascht nemme erkannt. Schlank und rank und so jung. Die Bergluft tut dir gut, odder?“ Die Schwägerin hatte Tränen in den Augen. Sie hielten sich lange im Arm.
Gemeinsam spazierten sie die paar Meter zum Haus von Adolf, Herberts und Klaras Vater. Hier in der Erdgeschoss-Wohnung hatten sie vor dem Unfall gewohnt. Inzwischen war Tim, Herberts jüngster Sohn, hier eingezogen. Klara hatte Kuchen gebacken, sie setzten sich alle zusammen an den alten Holztisch. Moni erzählte von ihrem neuen Leben in den wunderschönen Bergen. Adolf war schlecht gelaunt, es ging ihm körperlich nicht gut. Von Klara erfuhr sie, dass er erst vor kurzem eine Notoperation wegen eines Blinddarm-Durchbruchs hatte. Er war zwei Wochen im Krankenhaus gewesen. Jetzt war er wieder wohlauf.
Adolf starrte Moni böse an, „Wie konntest du nur ohne ihn zurück kommen?“ Der alte Mann war immer noch nicht über den Verlust seines Sohnes hinweg gekommen. Moni schluckte. „Adolf, es tut mir so leid.“ Sie überreichte ihrem Schwiegervater einen großen Korb mit allerlei leckeren Tiroler Spezialitäten. Wortlos nahm er ihn entgegen.
„Klara, für dich habe ich ebenfalls ein Geschenk mitgebracht“. Feierlich übergab ihr Moni einen großen Karton. „Echt? Bisch du lieb danke! Ach du meine Güte, isch des schwer. Mensch Moni des brauchsch doch net.“ Kaum hatte sie es ausgepackt, erstarrte Klara. „Oh mein Gott!“ Sie hielt eine einzigartige Swarovski Kristall-Obstschale in ihren Händen.
Der Termin bei Herr Hofmann, ihrem Sparkassenberater, den sie schon seit dreißig Jahren kannte, war recht amüsant. Moni erzählte ihm kurz und knapp, dass Glück und Unglück ganz nahe beieinander lagen. „Ich lebe jetzt in Österreich, würde aber gerne mein deutsches Konto behalten und es monatlich füttern. Wer weiß was die Zeit bringen wird. Geht das ohne weitere Kosten?“ Herr Hofmann blinzelte aufgeregt durch seine altmodische Nickelbrille. „Aber sicher, natürlich. An welche Summe hast du denn gedacht, meine liebe Moni?“ „Mindestens einen Tausender.“ „Dir gehört auch noch die Wohnung, das weißt du, oder?“ „Ja, aber eigentlich hatte ich sie den Jungs geschenkt. Ich benötige sie nicht.“
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Uwe hatte seinen Arbeitstag in der Klinik hinter sich gebracht. In seinem Büro wartete noch einiges an Schreibkram auf ihn. Doch inzwischen war er in der Wohnung, um eine Kleinigkeit zu essen. Gelangweilt zappte er durch die Programme. Dabei fühlte er sich sehr einsam. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es noch viel zu früh war, um seinem Engel Gute Nacht zu sagen. Er verspürte den Wunsch nach brennendem Whiskey in seiner Kehle. Doch er hatte ihr versprochen nicht zu trinken.
Nicht einmal Schnapspralinen waren erlaubt. „Alleine trinken macht dumm! Schnapspralinen machen dick!“ Moni hatte diesbezüglich immer einen Spruch parat.
Da er mit sich nichts anzufangen wusste, spazierte er durch den Park. Dabei telefonierte er mit Thommy, ihm konnte er sich anvertrauen. „Du bist scheinbar liebeskrank oder so. Sag mal Uwe, man könnte fast glauben du wärst das erste Mal verliebt.“
„Tja, auf eine bestimmte Art und Weise bin ich das ja auch.“
Zurück auf seiner Station übernahm er spontan die Nachtschicht, er schickte Eva heim. „Ich übernehme das heute!“
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Stürmisch und übermütig begrüßten Irene und Gerhard ihre Omi. Diese hatte für beide tolle Geschenke mitgebracht. Für Irene die geliebte Wunschpuppe Anni, die pinkeln konnte. Für Gerhard ein Krankenwagen mit viel technischem Schnickschnack, für den er noch viel zu jung war. Typisch Oma.
Lina hatte sich ihrer Mutter anvertraut. Nachdem Moni die Geschichte mit Flo gehört hatte, war sie ganz außer sich. „Also wirklich. Das musst du dir nicht gefallen lassen. Denk an die Kleinen. Pack deine Koffer und verschwinde von hier. Du kannst in meine Wohnung ziehen. Ich gebe den Jungs Bescheid!“ „Noi Muader, des brauchsch net. Flo isch bei seim Kumpl. Und i geh nach München.“ „Das ist ne tolle Idee. Aber das geht doch nicht von heute auf morgen“. Sie telefonierten lange mit Georg, dieser versprach ihnen, sich so schnell wie möglich um einen Platz im Mirabellenhof zu kümmern.
Lina räumte die Küche auf, Moni spielte mit ihren Enkelkindern in der Wohnung Verstecken. Sie hatten viel Spaß, es wurde trotz der schlechten Neuigkeiten ein schöner Abend. Nach dem Essen kuschelten sie alle zusammen ausgiebig im Bett. Zum Schluss las sie den kleinen Gutenachtgeschichten vor. Beinahe wäre Moni auch eingeschlafen. Doch das Vibrieren des Handys erinnerte sie an Uwe.
Aber es war überraschenderweise ihre Schwester Uta. „Moni, ich habe gehört du bist hier in der Heimat? Wie geht es dir? Möchtest du nicht vorbei kommen?“ „Hi Uta, danke mir geht es gut. Vielleicht klappt es morgen früh auf einen Kaffee? Ich bin bei Lina und habe eigentlich volles Programm.“
„Ich würde mich schon freuen, es wäre doch schade, wenn wir gar keinen Kontakt mehr hätten.“ „Naja, mein liebes Schwesterlein. DU wolltest mich nicht mehr sehen!“
Lina wartete im Wohnzimmer mit einer Flasche Sekt. „Aber hallo, seit wann trinkst du denn Alkohol?“ Auf dem Etikett sah Moni, dass es sich um alkoholfreien Sekt handelte. „Ok, dann testen mal wir das Gesöff“, Moni schmunzelte. Sie plauderten über Erlebnisse von früher, immer wieder aber kamen sie auf das Thema Mirabellenhof zu sprechen. Moni nahm ihre Tochter in den Arm. „Du schaffst das, ich bin mir sicher! Jetzt werde ich meinen Schatz anrufen, ist das in Ordnung für dich?“ Lina nickte, sie waren inzwischen beide müde. Der Sekt hatte überhaupt keinen Geschmack, deswegen leerten sie den Rest in die Spüle.
„Mami, dange fürs Audo, des isch so toll!“ „Gerne, meine Süße, du fährst mich dann morgen zum Bahnhof, gell?“
Moni kuschelte sie sich ins Gästebett, nahm lächelnd ihr Handy. Uwe hatte ihr ein Bild geschickt. Da saß er in seinem Arbeitszimmer mit Kaffee, Cola und einigen Äpfel. Daneben war ein riesengroßer Stapel Formulare zu sehen. Schnell wählte sie seine Nummer, sofort ertönte seine sanfte Stimme, „Mein Engel, wie schön deine Stimme zu hören. Alles gut?“
„Hey mein Liebling, ich vermisse dich. Ja hier ist alles gut, wie siehts bei dir aus?“
„Ich habe Eva heimgeschickt und arbeite durch.“ „Huch, warum denn das? Bist du hyperaktiv?“ „Ja, ich kann nicht alleine sein, weißt du.“ Sie lachten beide laut.
Nach über eine Stunde gaben sie sich immer wieder schmatzende Küsse durchs Telefon. Solange bis Moni es schaffte, auf den roten Button zu drücken. Dann dachte sie an morgen, an das Treffen mit den Strickfreundinnen. Lächelnd schlief sie ein.
***
Mit einem überdimensionalen Strauß roter Rosen lief er nervös auf dem Bahnsteig hin und her. Trotz seiner Müdigkeit war Uwe überpünktlich, nur der Zug eben nicht. Moni sah ihn durch das Fenster, sie freute sich sehr, sofort wurde ihr Puls schneller. Ja, sie liebte diesen verrückten, reichen, österreichischen Chefarzt. Ganz vernarrt war sie in seine sanfte, zärtliche Art. Dennoch war er ein echter Kerl und sah er verdammt gut aus. Schon jetzt freute sie sich auf seine Küsse und auf die Nacht mit ihm.
„Wo ist denn mein Bruno?“ „Er wartet in Montan auf dich, ich dachte der Abend und die Nacht gehören uns alleine.“ „Na klar, ich war ja auch zwei Wochen weg,“ vergnügt gab sie ihm einen Klaps auf den Po. Lachend schüttelte sie den Kopf. Er nahm sie liebevoll in seine Arme, ein langer leidenschaftlicher Kuss war seine Reaktion.
Sie kuschelten entspannt mit einem Glas Wein auf der Couch. „Mein Engel, wie war es in der Heimat? Konntest du alles erledigen?“ Moni erzählte ihm zuerst von Lina und Flo. „Nun, dann ist die Einrichtung in München bestimmt genau das Richtige. Georg wird alles in die Wege leiten.“
Die Idee vom Strickcafe mit den Freundinnen erwähnte sie nur ganz beiläufig.
„Stell dir vor, Uta hatte sich gemeldet. Wir haben uns heute morgen am Bahnhof getroffen. Nicht lange, aber es war der erste Schritt der Versöhnung.“ „Das ist schön, das freut mich! Es ist ja schließlich deine Schwester.“ Vorsichtig fragte er wegen des Banktermins nach, doch Moni lenkte den Abend geschickt mit einem langen Kuss in Richtung Liebe, Lust und Leidenschaft.