Moni war so froh darüber, wieder alleine zu sein. Nach langem hin und her schickte sie ihre Töchter heim, „Geht doch bitte zu den Kleinen, ich brauche noch viel Ruhe und schlafe sowieso die ganze Nacht. Ihr müsst wirklich nicht hierbleiben.“ Mit letzter Kraft sprach sie diese Worte und fiel zurück ins Bett. Sie fühlte sich hundemüde und schwach.
Sie zog die Bettdecke über den Kopf, schloss die Augen und träumte sich in die Vergangenheit zurück. Inzwischen waren alle Erinnerungen an den schrecklichen Unfall da. Immer wieder fing sie deswegen an zu weinen, sie vermisste ihren Herbert so sehr. Die Liebe zu ihm war nie erloschen, doch jetzt brannte die Sehnsucht lichterloh. Sie klingelte der Nachtschwester und verlangte eine Schlaftablette.
Das Duschen verschob sie ein weiteres Mal auf den nächsten Tag.
Für einen kurzen Moment dachte sie an Uwe. Wie konnte sie sich nur so schnell auf einen neuen Mann und auf eine neue Liebe einlassen? Sie hatte ihn bei dem Streit wohl heftig am Auge erwischt. Sollte sie ihn anrufen? Sich entschuldigen? Aber wozu, er kam ihr wie ein Verräter vor. So weinte sie sich in einen unruhigen Schlaf.
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Sofort nach dem Aufwachen meldete sich Uwe auf seiner Station. Von Schwester Maria erfuhr er, dass es Moni unverändert schlecht ging. „Sie hat kaum was getrunken, geschweige denn gegessen. Sie starrt nur Löcher in die Wand.“ „Danke, ich komme später vorbei.“ Er wunderte sich darüber, dass Maria im Dienst war. Hatte sie nicht ihr freies Wochenende? Komisch. Er wählte Monis Nummer, aber es meldete sich nur die Mailbox. Ihr Handy war also immer noch aus.
Endlich rief Georg an. „Pa, was ist mit Rita?“ „Wir fahren noch heute nach Linz in die Spezialklinik. Sie hat starke Schmerzen. Wir haben einen der wenigen freien Termine im Darm-Gesundheitszentrum ergattert. Es gibt aber noch einiges zu organisieren, wir sind am Koffer packen.“ „Alles klar, ich komme später auf den Hof. Ich möchte mich gerne von ihr verabschieden!“
Spielerisch boxte Thommy seinen Freund, „Mensch, bei so vielen guten Nachrichten heute, wie wäre es mit einem richtigen Männerfrühstück?“ Uwe nickte, „Gerne, aber vorher muss ich zu meinem Engel.“
Uwe zog den lediglich den Trainingsanzug an und rannte durch den unterirdischen Gang in die Klinik. Im Schwesternzimmer nahm er sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu Victor, um den heutigen Tag zu besprechen. „Kannst du meine heutige Schicht übernehmen? Ich muss dringend nach Montan, komme aber heute Abend und übernehme deine Nachtschicht.“ „Kein Problem, ich ändere den Plan. Was macht dein Auge?“ „Die Schmerzen sind fast weg, alles gut!“ „Herr Moser wartet auf dich und ähm, naja deine Moni, sie hat nach dir gefragt.“ Uwe nickte. „Danke Victor. Ich bin froh, dich als Freund und Oberarzt zu haben.“
„Noch was, sollen wir die Situation ausnutzen und den kleinen Eingriff planen? Jetzt da Moni sowieso hier auf Station liegt, könnten wir doch die Metalle entfernen? Dann hätte sie es hinter sich gebracht.“ „Ich weiß nicht so recht. Ob das eine gute Idee ist? Aber ich spreche sie darauf an. Bis später!“
Herr Moser musste sich gedulden, sein Engel war im wichtiger. Er klopfte energisch an die Tür, bevor er das Zimmer betrat. Mit lauter Stimme rief er fröhlich: „Halli Hallo!“
Er vernahm eine ihm unbekannte Stimme, „Wir sind im Badezimmer beschäftigt.“ Vorsichtig schob er den dicken Vorhang zurück. Eine Schwesternschülerin im ersten Lehrjahr stand schüchtern neben Moni und dem Waschbecken. „Hallo Herr Doktor Ortner, ich helfe ihr beim Waschen“. Uwe nickte dankend. „Mein Engel, wie geht es dir?“ Doch sie zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin müde und fühle mich leer.“ Uwe gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. „Ich muss nach Montan, Rita geht es leider sehr schlecht. Heute Abend bin ich zurück. Wenn was ist, bitte ruf mich an, ja?“ Moni schloss die Augen und nickte. Er schenkte der jungen Mitarbeiterin ein freundliches Lächeln und verabschiedete sich höflich.
Das richtige Männerfrühstück, auch Restevernichtung genannt, bestand aus kleinen Pizza-Stücken, angebissenen Keksen, mehrere, nicht fertig gerauchte Zigarren, einer halben Flasche Wein und zwei Bier.
Im Hintergrund quälte sich David Bowie durch einen unbekannten Song, dabei beredeten die Freunde die aktuellen Vorfälle. Nebenher versorgte Thommy Uwes Auge mit Augentropfen und einem neuen Salbenverband. „Du hast echt Glück gehabt, sieht schon viel besser aus!“ Zusammen mit Bier und Wein nahm Uwe eine weitere Schmerztablette, dann legten sie sich die beiden Männer auf die Couch und schliefen noch zwei Stunden.
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Die hellen Kinderstimmchen ihrer Enkelkinder ließen Moni endlich wieder lächeln. „Omi Omi, lieb haben!“ Mit einem großen Sprung landeten die Kinder bei ihr im Bett und kuschelten mit ihr ausgiebig. Aufgeregt riefen sie durcheinander. Sie gab den Kleinen einen dicken Kuss auf ihre süßen, zarten Gesichter. „Ach wie schön. Ich habe euch so vermisst. Omi hat euch ganz arg lieb!“ Die Abwechslung tat Moni sichtlich gut. Gerhard erzählte von seinen neuen Freunden, Irene sprang wie ein Pferdchen durchs Zimmer. Dabei versuchte sie zu wiehern und rief vergnügt: „Ich bin Horni, das Einhorn!“ Doch leider wurde Moni schnell müde, das lag bestimmt an den vielen Beruhigungsmitteln. Ihre Kraft ließ nach, ihre Augen flogen zu. „Es, es tut mir so leid.“ „Muader des isch doch net schlimm, mir kommed morge noch amol vorbei.“
Beim Abschied flüsterte Käthe ihrer Mutter ins Ohr, „Mama, was ist mit deinen Haaren? Sind sie nicht gewaschen? Bist du nicht geduscht? Es riecht komisch hier drin.“ „Nein, ich fühle mich viel zu schwach dafür. Hatte heute morgen nur eine Katzenwäsche,“ ganz leise sprach sie diese Worte. Die Pflege und ihr Äußeres waren ihr ziemlich egal, sie hatte wirklich ganz andere Probleme.
Mit dem Bus fuhren Käthe, Lina und die Kinder zum Innsbrucker Hofgarten. Im Park gab es einen tollen Spielplatz. Zum Abschluss des Nachmittags spendierte Käthe für jeden einen großen Eisbecher. „Jetzt müssen wir langsam zurück zu Kim und Bruno. Olga hat heute leider keine Zeit mehr, sie musste dringend zurück auf den Hof.“
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Da Uwe mit nur einem Auge unmöglich das Auto steuern konnte, übernahm Thommy die Fahrt nach Montan. Georg war gerade dabei, das Gepäck zu verstauen. „Ich werde bei ihr bleiben solange wie nötig!“ „Ja natürlich.“ Uwe tröstete die weinende Rita und nahm sie lange in den Arm. „Rita, ich bin in Gedanken bei dir, ja?“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. Aaron bellte laut und sprang an Georg hoch. Der Hund spürte die Aufregung und benötigte eine extra Portion Streicheleinheiten zum Abschied.
„Haltet mich bitte auf dem Laufenden. Gute Fahrt und alles erdenklich Gute!“ Traurig winkten Uwe und Thommy dem Wagen hinterher.
Stefan und Olga würden die Stellung halten. Zusammen mit Elsbeth, Franz, Tina, Max und Karl war es kein Problem, die anfallenden Arbeiten auf dem Hof und im Stall zu bewältigen. Auch Käthe und Kim hatten ihre Hilfe angeboten.