Die Kinder kitzelten ihren Onkel an den Zehen. Uwe erwachte mit einem Lächeln im Gesicht. „He ihr kleinen Rabauken, seid ihr aber frech heute.“ Lara und Linus lachten laut, denn Uwe krabbelte mit seinen Fingern zurück. Dann gab er ihnen einen Kuss auf die Stirn. „Ich hab euch ganz doll lieb!“ Linus umarmte seinen Onkel, „Auch lieb haben“.
Jetzt erst roch er den Kaffeeduft, so nahm er beide Kinder auf den Arm und eilte die Treppen hinunter. Da wartete schon ein liebevoll gedeckter Frühstückstisch auf sie. Margit lächelte ihn gütig an. „Uwe, entschuldige wegen gestern. Tina hatte mich beauftragt, auf deinen Alkoholkonsum zu achten. Es war eine blöde Idee das zu tun, schließlich bist du alt genug.“ Uwe dachte über diese Worte nach, bevor er antwortete. „Es ist ok Margit, ich weiß ihr meint es nur gut. Zusätzlich hat meine Schwester Tina ja recht. Ich... ich muss mich da wieder mehr zurückhalten.“ Uwe legte seine Hand beschwichtigend auf ihre Schulter und nickte ihr lächelnd zu.
Den Vormittag verbrachten die Männer mit den Kleinen am Meer. Die Frauen fuhren in die Hauptstadt zum Bummeln und Shoppen. Großzügig steckte Uwe ihnen seine Geldbörse sowie einen Notizzettel zu. „Kauft euch was Schönes, fühlt euch herzlich eingeladen. Könnt ihr bitte für meine Moni diese Sachen hier besorgen? Danke.“
Für sich, Thommy und den Kindern mietete Uwe für ein paar Stunden eine schicke Yacht samt Kapitän. Fröhlich und glücklich schipperten sie damit vor Mallorcas Küste. Immer wieder hielten sie an kleinen Buchten zum Staunen und Baden.
Zurück am Strand breiteten die Männer ihre Decken aus, stellten die Sonnenschirme auf und cremten die Zwerge sorgfältig ein. „Sandburg baue, Sandburg baue, baue, baue,“ Linus hüpfte kreischend umher und überredete Uwe damit zu einem weiteren Duell mit Thommy. Lara sammelte zusammen mit ihrer Freundin Muscheln und anderes Strandgut in ihrem rosa Eimerchen.
Mit Entsetzen beobachtete Uwe, wie Thommy beinahe jeder Frau hinterherschaute. Viele junge Strandschönheiten präsentierten sich oben ohne, teilweise nur mit einem Stringtanga-Badehöschen begleitet. Das war ja schon immer so am Strand. Scheinbar warteten manche nur darauf, von den Männern bewundert zu werden. Thommy flirtete nun ganz offensichtlich mit einem blonden Mädchen.
„Sagamal, du spinnst echt!“, stellte Uwe sauer fest.
„Hey Uwe. Bleib cool, gucken ist ja wohl erlaubt.“
„Was heißt hier erlaubt? Du hast eine wunderschöne Frau mit einer tollen Figur. Resi ist die liebevolle Mutter deiner Kinder und eine ehrliche, treue Ehefrau. Du hast nun absolut keinen Grund dazu, andere Weiber anzusabbern!“ Wütend stand Uwe auf und lief ans Wasser „Ich verstehe dich nicht!“
„Und ich verstehe dich nicht! Bist du prüde oder was? Gehst du mit deinen Kleidern ins Bett und hältst mit deiner Moni nur Händchen?“ Thommy schüttelte ungläubig den Kopf.
***
Nach ihrem Spaziergang mit den Hunden kochte Moni für die Mannschaft der beiden Höfe das zweite schwäbische Gericht: Rote Linsen mit selbstgemachten Spätzle und Saitenwürstchen. Olga schrieb sich Zutaten und Zubereitung fein säuberlich in ihr Kochbuch, damit sie es jederzeit nachkochen konnte.
Während sie aßen, musterte Karl Moni verstohlen aus den Augenwinkeln, doch diese ließ sich wegen des gestrigen Abends nichts anmerken. Sie war freundlich wie immer, vielleicht ein wenig reservierter. „Moni, bis wann kommst du heute zu Rondo?“ „Karl, heute wird es spät, ich fahr mit Olga nach Innsbruck. Ich gebe dir noch Bescheid.“
Der Termin mit dem Pfarrer war erst um fünfzehn Uhr, sie erreichten die Klinik viel zu früh. Moni spazierte mit Olga und einem großen Blumenstrauß sowie einem Käsekuchen zu Rita auf die Station. Ihr ging es schon viel besser, sie saß auf einem Stuhl am Tisch und löste Kreuzworträtsel. „Meine liebe Olga, das ist ja eine schöne Überraschung! Hallo Moni, ich freue mich sehr über euren Besuch.“
Moni blieb nur kurz, sie nutzte die Gelegenheit und lief in den Verwaltungstrakt zu ihrem und Uwes Arbeitsplatz. Sie wurde sehr freundlich begrüßt. Die Abteilungsleiterin reichte ihr wichtige Unterlagen mit der Frage, ob sie bevollmächtigt war, diese zu unterzeichnen. „Oh, das weiß ich leider nicht, ich werde gleich Dr. Ortner anrufen.“
Nur durch Zufall entdeckte Uwe diesen Anruf. Sie waren zurück auf der Finca, lagen faul auf den Liegen am Pool. Linus benötigte seinen Mittagschlaf, daher hatte Uwe das Handy leise.
„Mein Engel, wie schön, dass du anrufst.“
„Hallo mein Schatz. Ich bin gerade im Büro und hab ein paar Fragen.“ Uwes Gesicht erstrahlte hell. Seine Moni war in seiner Klinik an seinem Schreibtisch. Was für ein wunderbarer Gedanke.
Tatsächlich war Moni berechtigt, Verträge und Finanzielles offiziell zu unterzeichnen. Das hatte sie gar nicht gewusst. „Ok, wenn du meinst. Du, hier liegen viele Briefe mit dem Adresszusatz persönlich.“
„Ja, mein Engel ich weiß. Die habe ich dir extra hingelegt, mit dem Wunsch, dass du diese Post für mich erledigst.“
„Aber wie soll ich das tun?“
„Das ist ganz einfach, du öffnest die Briefe, liest dir den Inhalt durch und entscheidest danach, was zu tun ist.“ Uwe lachte laut.
Mit Uwe an der Strippe riss sie den ersten Brief auf, es war eine Einladung vom berühmten Oligarchen. „Stell dir vor, er lädt uns als Dankeschön jedes Jahr zu Ostern in die Suite am Gardasee ein.“
„Schön, jetzt kannst du entscheiden, ob wir diese Einladung annehmen oder nicht. So machst du es bitte mit den anderen Briefen auch. Entweder in den Mülleimer oder an die Pinnwand.“
Moni kicherte, küsste ihren Schatz durchs Telefon und verabschiedete sich. „Alles klar, mach ich! Ich wünsch dir und den Kids noch einen wunderschönen Tag!“
Der zweite Brief war eine Einladung zum Sommerfest von einer Mitarbeiterin aus dem Labor. Sie kannte diese Person nicht. Das sollte nun doch Uwe entscheiden.
Bei vielen Briefen handelte es sich nur um Werbung, welche sie direkt in den Papierkorb warf. Inzwischen hatte sie richtig Spaß daran und öffnete einen roten Briefumschlag. Das war tatsächlich ein Liebesbrief einer jungen Schwesternschülerin. Sie begann ihn eifrig zu lesen, da blieb ihr fast die Spucke weg. „Tztztz“, flüsterte sie zu sich selber.
Beinahe hätte sie deswegen ihren wichtigen Termin verpasst.
Moni fasste schnell Vertrauen und es glückte ihr, sämtlichen Ballast, den sie mit sich trug, loszuwerden. Sie erzählte und erzählte. Offen und ehrlich gab sie ihm gegenüber zu, dass sie ihren Herbert noch immer liebt und ständig an ihn dachte. Auch im Beisein von Uwe. Die Details behielt sie lieber für sich. Der Pfarrer nahm Monis Hand. „Ja, das ist völlig in Ordnung. Das ist sogar gut so. Behalte deinen Mann im Herzen und trag ihn mit dir durch dein weiteres Leben. Er wird immer ein Teil von dir bleiben. Aber dennoch muss dir klar sein, dass er tot ist. So schlimm das auch sein mag. Du musst diese Tatsache akzeptieren. Weinen, jammern, vermissen und über den Tod nachdenken. Ja liebe Moni, das ist deine Trauerarbeit!“
Jetzt blickte er sie sehr ernst an, „Noch etwas, ich denke, es wäre besser, wenn du einen Teil dieser Arbeit in deiner Heimat leistest. Hier wird das nichts werden.“ Er schüttelte leicht den Kopf. Nachdenklich schaute sie den Pfarrer lange an. „Ja, ich verstehe. Das habe ich auch vor.“
Olga wartete bereits am Wagen. Sie hatten vereinbart, noch einen kurzen Abstecher bei Käthe und Kim zu machen, bevor sie wieder nach Montan fuhren.