Triggerwarnung!!!
Kindermissbrauch!!!
Endlich hatte Käthe ihre Mama für sich alleine. Aufgeregt fing sie zu erzählen an: „Mama, stell dir vor, Kim und ich haben einen Plan! Ich werde mich am Bundesrealgymnasium in Innsbruck anmelden. Es ist mitten in der Stadt, deswegen gut zu Fuß erreichbar. Dort gibt es eine Musikklasse in Zusammenarbeit mit der Musikschule. Kim hilft mir mit den Formalitäten, ihre Tante arbeitet nämlich dort als Lehrerin.“
„Aber das sind ja sagenhafte Neuigkeiten. Mensch Käthe, dann kannst du womöglich doch noch dein Abi machen und studieren?“ „Ja, Mami!“ Moni nahm ihre Tochter liebevoll in den Arm. „Wäre das nicht toll? Ich möchte unbedingt Musik studieren. Entweder hier in Innsbruck oder in Salzburg. Aber es gibt auch eine schlechte Nachricht.“ „Und die wäre?“
„Wir suchen uns eine Wohnung in Innsbruck. Das hier wird nur noch mein Ferienzimmer sein. Georg hat gesagt, ich darf das Zimmer behalten, so lange ich möchte.“ „Weißt du Käthe, das ist nicht so schlimm. Ich werde ja auch oft in der Innsbrucker Wohnung sein. Dann sehen wir uns weiterhin regelmäßig.“ Moni hatte Freudentränen in den Augen, sie war so stolz auf ihre Tochter. Käthes süßes Gesicht glänzte vor Aufregung, dabei sah sie so gesund, erholt und glücklich aus. „Am Mittwoch ist dein wichtiger Termin bei Dr. Marowski, oder?“ Käthe nickte.
Darauf war Moni sehr gespannt. Schlummerte ein Geheimnis in ihrer Tochter? Sie hatte ein ungutes Gefühl, aber keinen konkreten Verdacht.
***
Klara war zu Besuch bei Lina. Ohne Hilfe schaffte die junge Mutter es nicht, den Stapel Formulare auszufüllen. „Isch des en Scheiß, i schaffs net aloi“. Lina drehte beinah durch. Klara beruhigte sie, Punkt für Punkt hakte sie die einzelnen Positionen ab. Die Kleinen waren bei ihrem Opa Paul, so herrschte die notwendige Ruhe in der Wohnung. Georg hatte im Vorfeld die wichtigen Abschnitte mit Textmarker angeleuchtet. Wichtige Daten waren bereits hinterlegt. Sie musste nun noch die Nachweise, Diagnosen und verschiedene Unterlagen kopieren sowie zusammentragen. Klara hoffte für Lina, dass die Einrichtung ihr bei ihrem weiteren Lebensweg helfen würde, dennoch war sie traurig, dass sie mit den Kids wegzog. Sie kannte die Kinder, seit sie Babys waren, da sie ja immer wieder bei Omi Moni zu Besuch waren. Was dieser Unfall auf dem Monte Piano alles ins Rollen gebracht hatte. So ein Unglück aber auch. „Klara, mir bsuche dich immer widder. Hab doch a Freindinne hier.“
Abends telefonierte Klara mit Uta. Sie gab die wichtigen Informationen gerne an sie weiter. Doch wieder einmal fiel Uta aus allen Wolken. „Wie bitte? Lina geht auch weg? Was ist denn nur los?“ Klara suchte beschwichtigende Worte. „Uta, die Zeiten ändern sich. Die Mädels hen ihre Zukunft noch vor sich. I persönlich finds gut.“
Als Otto von dieser Neuigkeit erfuhr, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Aha“. Mehr fiel ihm nicht ein. Schein seit vielen Tagen war er extrem schlecht gelaunt. Uta schon es auf das Regenwetter.
***
Uwe war zurück in die Klinik gefahren. Den ganzen Vormittag hatte er zusammen mit dem IT-Fachmann die neuen Computer, Programme und Geräte installiert. In seinem Büro würde auch Moni einen Arbeitsplatz erhalten. Schließlich würde sie ihm ab jetzt bei dem Schriftkram unterstützen. Moni nutzte die Zeit, um den restlichen Umzug vorzubereiten. Sie schlenderte durch jedes Zimmer, machte sich Notizen und schrieb eine Liste mit den noch fehlenden Utensilien. Die Wohnung war ein Traum, sie freute sich wahnsinnig darauf, endlich hier zu wohnen. Nur noch ein paar Tage.
Käthe wartete mit Gepäck, Klarinettenkoffer und Bruno neben Georgs Wagen. Zusammen fuhren sie nach Innsbruck. Sie rauchte drei Zigaretten, sie war äußerst nervös.
Aufgeregt saß sie mit ihrer Mama im Warteraum. „Ob es was bringt, was denkst du?“ „Schwer zu sagen, aber Uwe meinte, wenn es tatsächlich einen Vorfall gab, dann ist die Chance sehr groß.“ „Gell du kommst mit rein?“ „Na klar, meine Süße, ich bleibe die ganze Zeit bei dir“.
In dem gemütlichen, halbdunklen Hypnoseraum war alles perfekt vorbereitet. Es duftete nach Lavendel, ein monotones Summen war zu hören. Eine überdimensionale Couch mit vielen Kissen lud zum Verweilen ein. Im Hintergrund lief epische Musik. „Hi Käthe, schön dich zu sehen. Wie geht es dir? Hallo Moni, schön, dass du dabei bist.“ Seine Stimme klang zuversichtlich. „Käthe, mach es dir bequem, die Schuhe kannst du anlassen oder ausziehen. So wie es für dich bequem ist. Du sollst dich wohl fühlen.“ „Hannes, ich habe Angst.“ „Ja, Käthe, ein wenig Angst ist immer dabei. Musst du aber nicht haben, wir passen auf dich auf, ja?“ Leise und langsam erklärte der Psychologe seine nächsten Schritte. Moni saß auf einem Stuhl direkt neben Käthe und hielt ihre Hand. „Ich bin bei dir!“
Dann schloss der Arzt Käthe an das EEG an, so konnte er sich vergewissern, ob und wann die Grenze zwischen Wachsein und Schlaf erreicht wurde. Da bei Käthe eine bipolare Störung diagnostiziert war, musste er bei der Hypnose vorsichtig sein.
Die Prozedur begann mit den typischen Lockerungs- und Entspannungsübungen. Mit bildhaften Sätzen führte Hannes Marowski Monis Tochter an einen imaginären Wohlfühlort.
Käthes Augen waren geschlossen, doch sie war ansprechbar.
Während der hypnotischen Trance ist die Aufmerksamkeit nach innen gerichtet, nur dann hat man die Möglichkeit, das Unterbewusstsein eines Patienten anzusprechen. Hannes hatte damit schon einige Erfahrung, er konnte mit seiner ruhigen, sanften Stimme dem Probanden die nötige Sicherheit vermitteln.
„Nun beginnt die Reise zu dir selbst.“
Moni musste aufpassen, dass sie nicht ebenfalls in eine Art Trance fiel.
Käthe war im Kindergartenalter angekommen. Mit einer furchtbar süßen Stimme antwortet sie leise auf die gestellten Fragen. Beinahe vergaß Moni zu atmen, so spannend waren die Dialoge.
„Freust du dich wenn deine Mama dich nach dem Kindergarten abholt?“
„Ja, ganz arg," piepste Käthe.
„Holt dich die Mama jeden Tag ab?“
„Ja, aber wenn sie mit meiner Schwester einen Termin hat, dann kann sie nicht kommen.“
„Von wem wirst du denn dann abgeholt?“
„Von der Tante Uta.“
„Magst du denn die Tante Uta?“
„Ja, ich mag die sehr, die hat immer bunte Lollys dabei.“ Das hohe Stimmchen von Käthe war erschreckend echt.
„Freust du dich wenn die Tante Uta dich abholt?“
„Nicht immer.“
„Aber eigentlich schon?“
„Ja, aber wenn der Onki auch daheim ist, dann ist es nicht schön.“
Moni hielt die Luft an, starrte auf den Psychologen, der hob die Augenbrauen.
„Ist der Onki der Mann von der Tante Uta?“
„Ja, das ist der Onki Otto.“
„Wenn der Onki Otto daheim ist, hat die Tante dann keine Zeit?“
Käthe fing an zu wimmern.
„Ich muss dann mit Onki oben im Zimmer spielen.“
„Kann der Onki nicht so schön spielen?“
„Nein, ich mag das Spiel nicht, das tut da unten immer aua machen.“
Das Wimmern wurde lauter. Moni bekam Gänsehaut, Schweiß stand ihr auf der Stirn. Ungläubig starrte sie auf ihre Tochter.
Dr. Marwoski ließ sich Zeit mit den nächsten Fragen. Hochkonzentriert und vorsichtig fragte er weiter.
„Spielt die Tante Uta das Spiel auch?“
Wie von Sinnen schüttelte Käthe den Kopf.
„Nein, die kennt das Spiel gar nicht, es ist doch ein geheimes Spiel.“
Moni hatte inzwischen beide Hände vor dem Gesicht. Sie schluckte.
„Spielt der Onki das Spiel nur mit dir alleine?“
„Wenn Lina dabei ist, spielen wir es zu dritt.“
Moni schloss die Augen.
„Spielt der Onki das Spiel mit seiner Hand?“
„Doch nicht mit der Hand, es ist das Fingerspiel“.
Das Wimmern wurde immer lauter.
Tränen liefen bei Moni, ihre Lippen zitterten.
„Wann ist das Spiel zu Ende?“
„Tante Uta ruft immer Essen ist gleich fertig ihr könnt kommen!“
„Dann ist das Spiel zu Ende? Ist das schön?“
„Ja, dann ist es wieder schön. Aber ich darf niemandem etwas davon sagen, auch der Mama und dem Papa nicht. Das ist nämlich ein geheimes Onki Spiel.“
Dr. Marowski brach ab, langsam holte er Käthe wieder ins echte Leben zurück.
Käthe lag auf der Couch, starrte teilnahmslos an die Decke. Sie fing an zu weinen. Konnte sich überhaupt nicht mehr beruhigen, sie weinte und weinte und weinte. Moni versuchte sie zu trösten, doch sie schluchzte ja selber. Dr. Marowski ließ die beiden alleine.
„Um Gottes willen, wie konnte das nur passieren?“