„Ich möchte keinen Oligarchen zum Freund haben! Und ich wusste gar nicht, dass du so gut italienisch und englisch sprechen kannst!?“ Uwe grinste und zwinkerte ihr zu, „Ach mein Engel hatte ich das nie erwähnt? Aber nicht nur das, ich spreche auch fließend spanisch und französisch. Es tut mir mal wieder sehr leid, dass ich das alles kann!“ Moni starrte ihn entrüstet an. „Du... du bist einfach nur doof!“ Uwe nickte lachend und nahm sie in seine Arme. Erschöpft schlief sie sofort ein. In dieser Nacht träumte sie seit langer Zeit wieder von Blut und ihrem verstorbenen Herbert.
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Käthe saß mit Kim, Olga und Stefan in der großen Küche beim gemeinsamen Frühstück. Alle plapperten aufgeregt durcheinander, denn seit die Mädchen den Umzug in die Stadtvilla planten, waren sie ständig am Organisieren. Kim hatte sich an der Medizinischen Universität Innsbruck für einen Studienplatz der Humanmedizin beworben. Es gab genau 360 freie Plätze. Der Termin für die Veröffentlichung der Ergebnisse war erst im August. Solange galt es nun zu warten. Alle drückten ihr die Daumen und ermutigten sie dazu, einfach positiv zu denken. Uwe konnte hier nichts ausrichten oder beschleunigen. Man hatte sich an die offizielle Vorgehensweise zu halten.
„Wie ich mich auf die Schule freue, ich kann es gar nicht erwarten. Ich glaub das ja selber kaum! Wenn alles klappt, dann kann ich nächstes Jahr mit dem Musikstudium beginnen. Vermutlich werde ich das in Salzburg machen.“ Käthe glaubte an sich und ihre Zukunft. Sie drückte die Hand ihrer Freundin und zwinkerte ihr zu, „Wir beide, wir schaffen das, gell?“ Kim strahlte. „Natürlich!“ Nur Olga blickte traurig zu Boden.
Sie war damals sehr enttäuscht gewesen, als sie vom Umzug erfuhr. Aber diese Situation nutzte Stefan geschickt aus, denn er lächelte und verkündete mit stolzer Stimme: „Meine allerliebste Olga, das ist gar nicht so schlimm, denn du hast ja jetzt mich. Ich werde nicht mehr von deiner Seite gehen. Ich behüte und beschütze dich, Tag ein Tag aus. Wenn du möchtest dann für immer.“ Da war das ukrainische Mädchen vor Rührung in Tränen ausgebrochen und hatte ihren Stefan ganz feste gedrückt. Sie gaben sich einen schnellen Kuss auf den Mund. Mehr nicht, denn die schüchterne Olga benötigte noch sehr viel Zeit. Stefan jedoch hatte es nicht eilig, er wartete gerne.
Mittags fuhren die Mädels mit Georg nach Innsbruck, um sich gemeinsam das Haus und die Wohnung anzuschauen. Stefan nutzte die Zeit, das neue Lied auf der Kirchenorgel zu üben.
Während der Fahrt schaute Käthe aus dem Fenster. Sie dachte an die letzten Wochen und Monate. So vieles war passiert. Die wichtige Genesung ihrer Mama. Die wunderbaren Momente mit Kim, der Spaß mit den Hunden und den Kindern in Montan. Überhaupt die schöne Zeit auf dem Hof. Vor allem aber das große furchtbare Unaussprechliche. Hannes hatte ihr dazu geraten, diese Gedanken, auch wenn sie traurig oder schlimm waren, immer wieder festzuhalten und zuzulassen. Es würde ihr helfen darüber hinweg zu kommen. Vor allem sollte sie sich über eins im Klaren sein: Sie war nicht schuld daran! Auch ihre Eltern nicht. Nur der Onkel, nur er war schuld! Er würde dafür büßen.
Käthe schloss die Augen, sie fühlte eine große Kraft aufsteigen. Sie wusste, sie würde es schaffen. Leise murmelte sie zu sich selber, „Zukunft, ich komme! Mit großen Schritten.“
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Zusammen mit einem wunderbaren Frühstück brachte der Zimmerservice gegen Mittag einen großen Blumenstrauß aufs Zimmer. Uwe erledigte seine E-Mails und telefonierte mit der Klinik. Moni verbrachte die Zeit am Pool. Die blonden Mädchen kamen zu ihr, redeten wild auf sie ein. Sie bekam sogar einen Kuss auf die Wange. Da sie weder italienisch noch russisch sprechen konnte, sagte sie nur: „Ja, ist ja schon gut,“ sie brachte ein kleines Lächeln zustande.
Zum Dinner waren sie im Hotel Restaurant eingeladen. An diesem Tag passierte es endlich, was schon lange nötig war. Sie nahmen sich die Zeit, um ernsthafte Gespräche zu führen. „Uwe Schatz, das Thema Alkohol ist mir wirklich wichtig!“ Zwischen all den leckeren Köstlichkeiten des Menüs gab Uwe seine Erklärung. „Weißt du, ich denke, dass sich das mit dem Trinken einfach in mein Leben eingeschlichen hat. Ohne wirklichen Grund. Hier eine kleine Feier, da ein Meeting. Eine gelungene OP, ein Gala-Dinner mit Champagner, Wochenende mit Freunden usw. Wein, Sekt, Bier, inzwischen gehören diese Getränke zum Alltag dazu.“ Moni schaute ihn ernst an. Sie nickte, „Ja womöglich, aber was ist mit dem Whiskey und den vielen Schnapspralinen? So wie es aussieht, benötigst du den Alkohol inzwischen zur Beruhigung?“
„Vielleicht hast du damit recht“, Uwe nahm ihre Hand und streichelte sie zärtlich, „Aber ich bekomme das in den Griff, ich verspreche es dir!“ Er gab ihr einen Handkuss.
„Mein Gott, ich platze gleich! Ist aber auch alles so lecker hier!“ Uwe hob den Finger an den Mund, „Psst, mein Engel, nicht so laut.“ Moni kicherte und zog ihn mit sich. „Komm, lass uns spazieren gehen.“
Sie erzählten sich abwechselnd aus ihrem Leben, dabei vergaßen sie Zeit und Raum. Moni hörte ihm interessiert zu. „Mama, Tina und ich. Wir waren ein richtig gutes Team. Meine Kindheit habe ich in sehr guter Erinnerungen. Überhaupt die Zeit in Montan, das weißt du ja bereits, war wunderbar. Durch die Privatlehrer genossen wir eine sehr gute Bildung. Das Lernen machte mir auch wirklich Spaß. Durch die vielen Reisen hatte ich zwar keine engen Freunde, dafür studierte ich verschiedene Sprachen, fremde Kulturen und Traditionen. Wann immer mein Vater Zeit hatte, sezierten wir Mäuse oder Ratten. Er erklärte mir alles, lies mich schon als kleiner Knirps einfache Operationen an den Tieren durchführen.“ Moni verzog den Mund zu einer Fratze. „Igitt, das ist ja furchtbar!“
Uwe lachte und redete weiter. „Der Reichtum schenkte uns ein unbeschwertes Leben. Ich durfte alles ausprobieren. Surfen, Reiten, Fechten, Fliegen, Kampfsportarten, es gab nichts was ich nicht konnte. Später habe ich beinahe alle Führerscheine und Lizenzen errungen.“
Moni nickte gönnerhaft.
„Was mir allerdings gar nicht liegt, ist Musik. Ich kann weder singen noch ein Instrument spielen. Das ist einfach nicht mein Ding.“ Uwe lachte, schüchtern ging sein Blick zu Moni.
„Mhm, ja. Schön! Das hört sich toll an! Wirklich! Naja, ich...
stamme nur aus einfachen Verhältnissen. Mein Vater war LKW-Fahrer und meine Mutter Hausfrau. Wir hatten nicht einmal ein Lexikon oder Duden im Schrank. Ich wohnte bis zu meinem 18. Lebensjahr im gleichen alten Haus. Ich besuchte nur die Realschule und sie machte mir keinen Spaß. Ich wollte unbedingt Klavier lernen, doch stattdessen schickte man mich in den örtlichen Musikverein, da kostete es schließlich nichts. So kam ich übrigens mit neun Jahren zur Klarinette. Musik war lange Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens. Das Meer sah ich mit sechzehn Jahren zum ersten Mal, als ich mit meinem ersten Freund in einem grünen Scirocco in die Nähe von Venedig zum Campen fuhr. Dort rauchten wir Joints am Strand und tranken billigen Lambrusco. Da war meine Mama bereist tot.“