Moni stopfte ihre Klamotten in den Koffer, rief nach Bruno und marschierte mit dem Hund zu ihrem Auto. Rita war wieder im Einsatz, zwar nur einige Stunden am Tag, doch übernahm sie schon das Kochen auf dem Hof. Moni hatte ihrer Tochter Lina versprochen, für ein paar Tage nach München zu kommen. Inzwischen vermisste sie auch ihre Enkelkinder Irene und Gerhard. Da Uwe die nächste Zeit sowieso beschäftigt sein würde, ließ er sie schweren Herzens ziehen.
„Schatz, ich wünsche dir viel Erfolg bei der Vorbereitung deiner aufregenden Operation. Ich bin in Gedanken bei dir und bald wieder da.“
Sie gaben sich einen langen Abschiedskuss. Uwe strich eine Haarsträhne aus Monis Gesicht. „Mein Engel, ich liebe dich so sehr!“ Er drückte sie ein letztes Mal fest an sich. „Gute Fahrt!“ Er winkte ihrem Auto hinterher, bis es nicht mehr zu sehen war.
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Rita hatte sich mühsam wieder aufgerafft, band sich die Schürze um und schlurfte zurück in die Küche. Wenn sie längere Zeit stehen musste, verspürte sie ein unangenehmes Ziehen im Bauch. Gleichzeitig fühlte sie sich noch schwach. Olga sah es ihr direkt an.
„Rita, sei ehrlich, du hast doch Schmerzen? Ich mach mir Sorgen.“ Tapfer schüttelte die alte Dame den Kopf, „Nein, nein, ich bin nur ein wenig müde und nichts mehr gewohnt.“
Georg kam zu den Frauen in die Küche und schimpfte gleich los. „Meine Liebe, bitte lass es ruhig angehen. Elsbeth und Olga werden dir helfen.“ Er schloss seine Freundin in die Arme, küsste zärtlich ihre Stirn.
„Ich weiß, ihr seid alle so lieb zu mir. Aber ich möchte mich gerne wieder nützlich machen. Die letzten Wochen waren ziemlich langweilig.“ Sie schmiegte lächelnd ihren Kopf an Georgs breite Männerbrust.
Rita war glücklich darüber, wieder auf dem Hof zu sein. Hier war sie zuhause, schon immer. Sie liebte den Geruch der Kühe, den Ausblick in die umliegende Bergwelt auch das Kochen für die Familie. Das war ihr Leben. Jetzt, mit Georg an ihrer Seite, fühlte sie sich pudelwohl, trotz dieser heimtückischen Krankheit.
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Dr. Uwe Ortner saß hochkonzentriert in seinem Arztzimmer, verglich Ergebnisse und blätterte in einem Buch. Immer wieder hing sein Blick auf den Fotos der Monitore. Auf einem separat geöffneten Programm hatte er einen Einblick aller Auswertungen. In einer Stunde fand die erste Schulung für den Patienten statt. Dieser war seit heute stationär aufgenommen und machte einen nervösen Eindruck.
Der behandelte Arzt, ein Psychologe, ein Logopäde und Uwe selbst bildeten das Haupt-Team. Zwei speziell dafür geschulte OP-Schwestern würden den Chefarzt bei seiner filigranen Arbeit unterstützen. Noch dazu waren seine Assistenzärzte eingeladen, um der OP beizuwohnen. Handelte es sich doch um einen seltenen, komplizierten Eingriff.
Uwe nahm den Stapel Unterlagen sowie sein Tablet und machte sich auf in das Besprechungszimmer. Maria stand lächelnd im Schwesternzimmer, sie hielt ihren Daumen nach oben und winkte ihm freundlich zu. Die komplette Belegschaft der Station K1 hatte erfahren, dass Moni in ihrer Heimat ein Geschäft eröffnen würde. Jetzt witterte die Stationsschwester doch noch eine Chance.
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Nach einem wunderschönen Tag mit ihren Enkelkinder lag Moni mit ihnen im Bett und las aus dem neuen Märchenbuch vor. Bruno saß in der Diele und bewachte gleichermaßen alle Zimmer. Lina war damit beschäftigt, sich für den Abend zurechtzumachen. Moni bestand darauf, heute den Babysitter zu spielen, so konnten die zwei Verliebten ein paar Stunden für sich verbringen.
„Genieß die Zeit mit deinem Simon, ich habe hier alles im Griff,“ munterte Moni ihre Tochter auf. Lina war es nicht gewohnt, die Kinder abends alleine zu lassen. „Ja, i geb mir Müh, du bisch ja schließlich d Oma, gell!“
Als Moni bemerkte, dass die Kleinen schliefen, kroch sie vorsichtig aus dem Bett und setzte sich mit ihrem Strickzeug auf die Couch ins Wohnzimmer. Lina hatte ihr eine Kanne Tee sowie Kekse bereitgestellt. Daneben lag eine Notiz: Danke Mami, ich hab dich lieb! Schmunzelnd zappte sie durch die Programme, entschied sich für einen Musiksender und widmete sich ihrem neuen Strickmuster. Moni warf einen Blick auf das Display ihres Handys. Noch keine Nachricht von ihrem Schatz. Dann fiel ihr ein, was sie erst vor kurzem erfahren hatte. Die schlimmen Ereignisse damals in Afrika. Doch leider verlangte das komplizierte Zopf-Muster ihre ganze Aufmerksamkeit. Bis zum Klingeln ihres Telefons war sie mit Zählen, Vergleichen und Überprüfen beschäftigt.
Uwe beteuerte einmal mehr seine Liebe zu ihr und fühlte sich schon am ersten Abend einsam. Moni wusste keine rechte Antwort und wechselte geschickt das Thema. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie laut die kleine Irene gejauchzt hat vor Glück, als sie den Barbie-Krankenwagen gesehen hatte.“ Außerdem erzählte sie ihm von den fröhlichen Stunden auf dem Abenteuerspielplatz. Moni wusste, dass sie ihrem Schatz damit ein Lächeln ins Gesicht zaubern würde. Nebenher schickte sie ihm die schönsten Fotos des Nachmittags.
„Wie schön, mein Engel, das freut mich sehr. Gib den Süßen morgen eine liebe Umarmung von mir. Übrigens, ich bleibe heute Nacht hier auf Station, hab noch jede Menge Büroarbeit.“
Unruhig wälzte sich Moni nachts im Gästebett hin und her. Lina und Simon waren längst nach Hause gekommen. Das Tuscheln und Kichern war nicht zu überhören. Sie selber war inzwischen sehr müde, fand aber nicht in den Schlaf. Dabei dachte sie extra nur an schöne Dinge. Sie freute sich unbändig auf die Wohnung und das Leben in Stuttgart. Auf das Strickcafé, die Freundinnen und ja, auch auf die gewisse Freiheit. Ein Leben ohne Geldsorgen, das war für Moni neu.
Die Nähe zu ihrem Heimatort und das Wissen, ein Besuch an Herberts Grab war jederzeit möglich, hatte für Moni etwas Tröstliches.
Sie liebte auch ihren Uwe-Schatz, dessen war sie sich sicher. Aber eben nur auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Sie freute sich auf ein Leben mit ihm, nur im Moment war es dafür noch zu früh. Sie spürte es tief in ihrem Inneren, konnte nur hoffen, dass er es auch bemerkte. Beide hatten sie einige Altlasten zu verkraften. Erst wenn diese verarbeitet und abgehakt waren, konnten sie ein richtiges Paar werden. Womöglich sogar heiraten?
Dr. Hannes Marowski hatte ihr angeboten, weiterhin die Gesprächstherapie fortzuführen. Per Telefon oder Video, heutzutage war ja alles möglich. Im Gegenzug hatte Moni ihren Psychiater gebeten, sich auch um Uwe zu kümmern. Doch Hannes gab ihr zur Antwort: „Meine liebe Moni, zuerst muss dein Schatz einsehen, dass er Hilfe benötigt, dann kann ich ihm vielleicht helfen,“ sie dachte an dieses eine, wichtige Gespräch zurück. Mit viel Zuversicht und positiven Gedanken schlief sie endlich ein.
Zusammen mit Karl ritt sie auf Rondo über die saftigen Wiesen in Montan. Sie waren nackt und lachten laut, strahlten um die Wette. Im Stall schnarchte der betrunkene Stallbursche Uwe, neben sich lagen zwei leere Whiskeyflaschen. Tina und Max verscheuchten all ihre Tiere, in der Hand hielten sie Streichhölzer. Georg entführte seine eigenen Enkelkinder. Eine große Suchaktion mit Hubschrauber, welchen Thommy flog, begann...
Schwitzend und mit Herzklopfen wachte Moni auf und starrte an die Decke. Sie benötigte einige Minuten, bis ihr klar war, dass es nur ein Traum war.