Das laute Lachen wirkte unecht. Es war viel zu schrill. Aus seinen Augen floss rote Brühe. Moni überlegte, um was es sich dabei handeln könnte. Sie streichelte seinen Rücken, lange und ausgiebig. Glücklich strahlte er sie an. Dann küssten sie sich leidenschaftlich. Sie nahm Herberts Kopf zwischen ihre Hände. Plötzlich wurde er heiß und schwarz. Sein Kopf wurde zur Fratze, er schien aus flüssigem Öl zu bestehen, ach nein, das war Blut! Sie schrie und schrie und schrie. Sie versuchte wegzulaufen, doch sie kam keinen Schritt voran. Sie würde in dem sprudelnden Blutbad ertrinken.
Schweißgebadet wachte Moni auf. Oh nein, derselbe Alptraum wie damals. Wie schrecklich. Ihr Puls raste, sie stöhnte laut auf. Sofort war Uwe hellwach. Er setzte sich auf, nahm sie in den Arm. „Mein Engel, was ist passiert?“ Doch Moni schluchzte nur. Zärtlich streichelte er Haare und Rücken, wiegte sie hin und her. „Psst, mein Engel. Ich bin bei dir. Alles wird gut.“ Wie ein Baby ließ sich Moni von ihm wieder in den Schlaf schaukeln.
***
Mit Kopfschmerzen wachte Moni auf. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen und brannten. Uwe war weder zu sehen noch zu hören. Ihr Handy klingelte, doch es lag wohl auf der Couch. Müde und unausgeschlafen schlurfte sie ins Wohnzimmer. Es war Käthe. „Mama, bist du wieder in Innsbruck? Alles ok bei dir?“ „Käthe, meine Süße, wie geht es dir? Leider hatte ich wieder so einen Anfall, aber jetzt ist es besser.“ „Ach herrje, du Arme. Ich wollte dich fragen, sehen wir uns morgen? Ich muss dir was Wichtiges sagen.“ „Ja klar gerne, aber warum erst morgen?“
„Mama! Also bitte! Heute ist doch die Gala!“
Vor Schreck fiel Moni beinahe das Telefon aus der Hand. „Ach du dicke Scheiße, heute? Das habe ich wohl komplett verdrängt. Oh mein Gott. Das ist ja schrecklich.“ Schnell verabschiedeten sie sich. Moni bereitete sich eine große Kanne Kaffee zu. Auf dem Tisch fand sie den Zettel: Mein Engel, ich hoffe, du konntest noch weiter schlafen. Bin spätestens um 12 Uhr wieder zurück. Kuss, ich liebe dich!
Langsam schob sie die Nachricht weg von sich. Mit der rechten Hand trank sie ihren Kaffee, mit der linken stützte sie ihren Kopf. Wie konnte sie nur so einen wichtigen Termin vergessen? Sie fühlte sich fruchtbar, irgendwie krank. Schnell zog sie sich den Sportanzug an und marschierte rüber in die Klinik. Uwe kam gerade mit Eva aus dem Aufzug, „Aber hallo, mein Engel. Du humpelst ja gar nicht mehr. Wo willst du denn hin?“ „Na zu dir. Sag, ist die Gala wirklich heute?“ Er verabschiedete sich von seiner Stationsärztin, hakte sich bei Moni unter und führte sie Richtung Ausgang. Jetzt bemerkte es Moni auch. Das Humpeln gehörte der Vergangenheit an.
„Schau mich an, ich kann so nicht gehen!“
Uwe lachte, „Doch mein Engel, das kannst du. Irina und ihre Freundin bringen dich auf Vordermann, du wirst schon sehen. Bitte! Es ist für mich ein so wichtiger Abend. Das weißt du doch Liebling. Lass mich bitte nicht im Stich.“
Sie aßen zusammen eine Kleinigkeit. Anschließend kuschelten sie sich ins Bett, Uwe hatte kühle Pads für die Augen mitgebracht. Nach über einer Stunde fühlte sich Moni wieder besser. Uwe flüsterte ihr liebevoll ins Ohr. „Mein Engel, du magst doch Überraschungen?“ „Früher ja, seit ich dich kenne, bin ich mir nicht sicher.“ Lachend küssten sie sich.
Mittags kamen Georg und Rita. Sie brachten einige Leckereien aus Montan mit. Rita war genauso aufgeregt und nervös. Ständig rannte sie zur Toilette. Um 15 Uhr wurden sie vom Taxibus abgeholt, Uwe drückte Moni zwei Briefe in die Hand. „Hier, das Programm für den heutigen Abend. Und das ist dein Text, mein Liebling.“ „Was für ein Text? Hallo? Ich schrei gleich um Hilfe.“
„Mein Engel, wir werden im Rampenlicht stehen, direkt an einem Mikrofon vor vielen Menschen. Bei den verschiedenen Reden werden Liveschaltungen stattfinden. Es werden uns ein paar Fragen gestellt. Vermutlich auch direkt an dich. Du solltest deine Antworten kennen!“ Moni fächerte sich Luft zu, „Wie entsetzlich! Das darf ja wohl nicht wahr sein. Davon war nie die Rede. Das kann ich nicht. Das will ich auch gar nicht, kann ich aussteigen?“ Uwe streichelte ihre Hand und lächelte ihr aufmunternd zu. Rita versuchte, Moni ebenfalls zu beruhigen. „Weißt du, mir gehts doch genauso.“ Ihre Stimme klang zittrig.
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Vorsichtig legte Käthe die noch warmen Schinkenhörnle in die große Schüssel. Seit Stunden waren sie in der Küche beschäftigt. Kim hatte einen bunten Nudelsalat zubereitet. Olga spülte das anfallende Geschirr. Sie waren das perfekte Küchentrio. Die Männer waren im Stall, heute halfen sie sich gegenseitig, damit später alle die Möglichkeit hatten, den Fernsehauftritt der Ärzte zu verfolgen. „So eine Veranstaltung ist schon was Besonderes. Ich bin stolz auf meinen Chef.“ Franz war gut gelaunt.
Die Hunde spielten Fangen in der großen Diele, dabei kläfften sie ordentlich laut. Doch auch das störte heute niemand.
Olga deckte zum Abschluss den Tisch. „Ich geh dann mal rüber zu den Kids.“ Lächelnd zog sie davon. Wie immer freute sie sich sehr über ihren Job als Babysitter bei Lara und Linus auf dem Nachbarhof.
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Die nächsten Stunden waren für Moni Stress pur. Sie bekamen ihre Kleidung im Modehaus angepasst, erhielten gleichzeitig Instruktionen, wie sie zu laufen hatten. Es war heiß, stickig und nervig. „Uwe Schatz, es ist wie in einem Horrorfilm, gell?“ Die Männer lachten, sie waren nur durch eine Sichtschutzwand getrennt. Die Blusen und Kostüme hatten anscheinend endlich die gewünschten Längen, deswegen wurden die Frauen tatsächlich entlassen. Georg und Uwe warteten bereits am Ausgang. Sie hielten Wasserflaschen sowie Kaffeebecher in den Händen. „Was wünschen die Damen?“ Uwe versuchte die aufgeregten Frauen aufzuheitern. „Am besten einen Schnaps!“
Der Wagen fuhr vor, Uwe half Moni beim Einsteigen. Sie musterte ihn beiläufig, unverschämt gut sah er aus, in seinem blauen Anzug. Er küsste sie zärtlich auf den Mund „Was machen deine Kopfschmerzen? Wie geht es dir inzwischen?“ Moni nickte, hob beschwichtigend die Hand, „Alles gut soweit. Bin aber wahnsinnig aufgeregt.“ Wenige Minuten später waren sie im Congress Innsbruck angekommen. Das Taxi hielt an der Rückseite des Gebäudekomplexes, hier war der Künstlereingang. Sie liefen durch einen langen Korridor, aus den Lautsprechern ertönte es: Dr. Uwe Ortner mit Moni bitte in Maske 1, Dr. Ortner Senior und Rita bitte in Maske 2.
Elegant führte Uwe seine Herzdame in den Raum. Von Irina und ihrem Team wurden sie bereits erwartet. Noch einmal flüsterte er Moni ins Ohr. „Mein Engel, bist du bereit für die Überraschung später?“ „Ich habe keine Ahnung was du im Schilde führst. Wenn es etwas Schönes und Positives ist, dann nur zu.“
Um 18:30 Uhr war Saalöffnung, bis dahin waren es noch anderthalb Stunden.
Es herrschte eine angenehme Atmosphäre in der sogenannten Maske. Uwe und Moni tranken gemütlich ein Glas Sekt. Es wurde viel gelacht, während sie gepudert und frisiert wurden. Um Uwe kümmerten sich zwei furchtbar nette Herren. Sie schnitten ihm einige Haarsträhnen ab, damit er auch wirklich Gentlemen-Like aussah. Nach zweimaliger Rasur war kein einziges Härchen mehr in seinem Gesicht vorhanden. Bei Moni waren sogar drei Damen gleichzeitig beschäftigt. Es zupfte hier, ziepte dort. Nebenher las sie immer wieder ihren Text durch, blätterte durch das Programm. Abschließend sollte sie die Augen schließen, öffnen, wieder schließen. Kopf hoch, Kopf runter, nach rechts schauen, dann nach links schauen. Eine richtige Schikane.
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Uwe immer wieder besorgte Blicke in ihre Richtung warf. Doch aus irgendeinem Grund, den sie selber nicht kannte, war sie inzwischen wahnsinnig gut gelaunt. Aufgeregt ja, aber voller Freude. Wahrscheinlich hatte ihr Kopf bei dem Unfall doch einen Schaden genommen.