Bruno nahm sein Frauchen sofort in Beschlag und wich nicht mehr von ihrer Seite. Moni zeigte Käthe Fotos von der Einrichtung in München und den Kleinen. Rita servierte einen Eintopf, den Moni dankbar entgegennahm und aß. Von ihrer Wohnung betrachtete sie die faszinierende Bergwelt durch die riesigen Fenster. Laut seufzend setzte sie sich auf den Boden neben Bruno. In was für ein Schlamassel war ihr Uwe Schatz bloß hineingeraten?
Wie erwartet klingelte ihr Handy kurz nach 17 Uhr. „Mein Engel, alles ok?“ „Hi, Uwe, ja alles ok.“ „Wie war deine Fahrt? Wo steckst du denn?“ „Alles ist gut, ich bin daheim, in Montan.“ In der Leitung blieb es lange still. „Daheim? Was für schönes Wort. Aber mein Dienst endet erst morgen Mittag.“ „Ich weiß, aber bald fahren wir in unseren ersten gemeinsamen Urlaub.“ Uwe ließ nicht locker: „Kommst du später? Ich kann heut nicht weg,“ es war nur ein Flüstern.
„Mal sehen. Ansonsten sehen wir uns ja morgen, bin ziemlich müde, Kuss.“ Schnell legte Moni auf. Mit seinem Telefon in der Hand stand er wie ein Trottel am Eingang seiner Klinik. Enttäuscht wählte er Thommys Nummer. Es sprudelte nur so aus ihm heraus, ohne Punkt und Komma erzählte er seinem Freund von den aktuellen Geschehnissen.
Dieser lies sich mit seiner Antwort Zeit. „Mein lieber Uwe, es war vielleicht ein Fehler, sich in eine Frau zu verlieben, die man überhaupt nicht richtig kennengelernt hat. Und noch dazu hattest du das Alte nicht abgeschlossen gehabt. Du bist immer noch hasserfüllt was Susan anbetrifft. Das hast du jetzt davon. Gefühlschaos pur, du Idiot! Und, verdammte Scheiße! Ich habe dir gesagt, lass die Finger vom Alkohol.“ Es war hart, doch er hatte ja recht. Seine Worte rüttelten ihn wach. „Ja, alles klar, danke du guter Freund.“ „Ach Uwe, ich meine es nur gut. Lass sie für heute in Ruhe, gib ihr Zeit. Warte ab und stürze dich in deine Arbeit. So wie du es dein Leben lang schon getan hast.“
Gemütlich spazierte Uwe durch den Park, genoss die frische Abendluft und machte einen Abstecher in der Wohnung. Dort trank er einen Kaffee, steckte sich zwei Äpfel in die Kitteltasche. Dann trat er hinaus ins Freie. Der Anblick von Garten und Terrasse trieb ihm ein Schmunzeln ins Gesicht. Durch Monis wunderbare Ideen mit den Blumen und Sträucher war eine kleine Wohlfühloase entstanden. Zwar luden hochmoderne, teure Möbel zum Verweilen ein, doch durch die liebevoll ausgewählten Accessoires strahlte die Terrasse eine vornehme Gemütlichkeit aus.
Er liebte diese Frau so sehr, dass es ihn schmerzte. Das Wissen, dass sich Moni auf dem Hof in Montan befand, ließ in ruhiger werden. Er stellte sich vor, wie sie mit Bruno auf der neuen Couch saß, strickte und nebenher eine Doku schaute. Auf den Gedanken, dass auch in der Idylle eine Gefahr lauern könnte, kam er glücklicherweise nicht.
Im Schlafzimmer entdeckte er die beiden Wäschekörbe mit der Sommerkleidung für den Gardasee. Er erinnerte sich lächelnd an den Tag der Anprobe, wie Moni auf seine Frage bezüglich einem Bikini beinahe ausgerastet war. „Hä? Bikini? Ich? Sagmal spinnst du? Ich bin Ende vierzig und habe Kinder zur Welt gebracht. Sicher nicht!“ Uwe streichelte über den schicken, sehr extravaganten Badeanzug. Er freute sich wahnsinnig auf den Kurzurlaub. Die Kleider hatte Moni ohne Etiketten und frisch gereinigt bestellt. Die Oberteile hingen auf Holz-Kleiderbügel.
Im Wohnzimmer fand er Monis Musikstick. Er legte sich aufs Sofa, hörte Corazon Espinado von Santana und schloss seine Augen. Der Arzt döste eine Stunde, bevor er einigermaßen gut gelaunt zurück auf seine Station schlenderte.
***
Moni saß mit ihrem Strickzeug bei Olga, Käthe und Rita im Handarbeitszimmer. Nachdem auch sie eine gute Stunde geschlafen hatte, war sie mit den Frauen zusammen am Werkeln. Jetzt erzählte jede von ihrem Tag. Unkonzentriert wie sie heute war, klappte es nicht so gut, ständig passierten ihr kleine Fehler. „Ich geh mit Bruno ein wenig spazieren, die letzten Tage waren sehr turbulent.“ Die anderen zeigten Verständnis, Käthe verabschiedete sich ebenfalls, „Ich übe noch ein wenig auf der Klarinette.“
Moni brachte ihre Handarbeitstasche nach oben in die Wohnung, trank einen Schluck Wasser und nahm nur Schlüsselbund an sich. Ihr Handy legte sie auf die Couch, sie würde ja gleich wieder hier sein, um ihren Uwe anzurufen. Bruno wartete schon schwanzwedelnd an der Tür. „Na komm, du Bandit!“ Der Hund baute sich in seiner vollen Größe auf und umarmte sein Frauchen. Eigentlich waren die Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde Herdenschutztiere und sicherlich keine Familienhunde. Bei Bruno war das anders, zur Freude von Moni. Der liebe Kerl hatte seinen eigenen Kopf, lebte am liebsten draußen im Freien. Gleichzeitig liebte er das Spazierengehen an der langen Leine und befolgte Monis Befehle. Manchmal hatte Moni das Gefühl, er würde ihre Sprache verstehen. Sie liefen gemütlich am Wagnerhof vorbei Richtung Dorf.
Es war ein schöner, milder Frühlingsabend, bald würde es dunkel werden. Bruno kläffte laut und sprang zur Pferdekoppel, denn er sah Karl, der gerade dabei war, die Pferde in den Stall zu bringen. Fröhlich winkte Moni ihm zu und kam näher, „Hallo Karl, schon dich zu sehen, wie geht es dir?“ Ihm wurde es bei diesem Anblick heiß und kalt gleichzeitig. „Moni, servus.“ Sie kam näher zu Karl, freundlich gab sie ihm die Hand und strahlte ihr schönes Lächeln. Wie ein echter Stallbursche drückte er kräftig zu, spürte ihre zarte Haut. „Ähm“, er räusperte sich nervös. So nah waren sie sich bis jetzt noch nie gekommen. Zum ersten Mal sah er tief in Monis frech blitzende, smaragdgrüne, mandelförmige Augen. „Ja, ähm“.
„Kann ich dir helfen?“ Bruno schnüffelte an Karls Hose, Moni lachte. „Also Bruno, sagmal!“ Endlich fand der Knecht seine Sprache wieder. „Ich habe vorhin Fleisch gekauft und verarbeitet. Sicherlich riecht er das,“ er lachte jetzt ebenfalls.. „In zwei Wochen zieht Uwes Rondo hier ein, komm ich zeig dir seinen Platz!“ „Ok,“ Moni lächelte, marschierte durch das Stroh hinterher. Bruno blieb vor der Tür sitzen und passte auf.
Er gab Moni die Zügel von seinem eigenen Pferd. „Magst du Pferde auch so sehr?“ „Na ja, ein wenig schon, aber reiten kann ich nicht. Bis jetzt habe ich mir diese Tiere lieber von weitem angeschaut.“
So kamen sie ins Gespräch. Karl erzählte von seiner Heimat, dem Defereggental. Moni hörte ihm neugierig und interessiert zu.
Es war inzwischen stockdunkel und kalt geworden. Alle Pferde waren versorgt und standen an ihrem Platz. „Es war richtig schön mit dir, Karl. Bis bald mal wieder, ja?“ Der Stallbursche nahm Moni Hand und küsste sie zum Abschied. „Es war mir eine Ehre, meine Liebe.“
Gut gelaunt spazierte sie zurück zum Hof, Bruno legte sich draußen vor die Treppe. Schnell stieg sie die Stufen hoch. Das leuchtende Display ihres Handys sah sie von weitem. Drei verpasste Anrufe von Uwe. Sie hob die Augenbrauen, murmelte zu sich selber, „Hui hui hui“.
„Uwe-Schatz, alles ok?“ „Mein Engel, ich vermisse dich! Bist du schon im Bett?“ „Nö, ich habe noch was vor heute.“ Uwe verschlug es die Sprache. Unsicher hakte er krächzend nach, „Ja?“
„Ja, ich fahre jetzt ins Krankenhaus zu meinem Arzt, ich benötige dringend meine Medizin. Eine Überdosis Zärtlichkeiten hätte ich gerne.“ „Oh ja, wie wunderbar, du machst mich so glücklich.“