„Georg? Bist du da?“ Sie spürte, wie er ihre Hand streichelte, „Natürlich mein Liebling. Hast du Schmerzen?“ Rita schüttelte vorsichtig den Kopf, „Nein, nein...“ gleich darauf schlief sie wieder ein. Georg überprüfte die Aufzeichnungen der Vitalwerte am Monitor, schaute der tropfenden Flüssigkeit zu und beschloss eine Runde spazieren zu gehen. Unterwegs meldete er sich bei Uwe und Tina, erzählte ihnen den aktuellen Stand. Im Gästehaus hatte man ihm freundlicherweise das Abendessen ins Zimmer gestellt. Er löffelte die lauwarme Suppe, aß dazu ein Brot mit Schinken, duschte und lief schnell wieder zurück zur Intensivstation. Für den Abend hatte er sich einen Roman eingepackt, einen Krimi, den er schon so lange lesen wollte.
***
Uwe saß in seinem Arbeitszimmer, vor ihm eine Tasse Kaffee sowie ein Glas. Er hatte sich einen Schluck Whiskey genehmigt, in der Hoffnung, diese furchtbare Unruhe würde vorübergehen. Im Spiegel hatte er die gelblich-grüne Verfärbung seines Auges entdeckt. Inzwischen konnte er darüber schmunzeln. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass Hannes und Moni jetzt alleine in der Wohnung waren. Seine Gedanken spielten völlig verrückt, er wusste sich keinen Rat, warum.
Seine Hände zitterten, als er mit der Maus in der Hand durch die Röntgenbilder und Auswertungen klickte. Vor seinem inneren Auge tauchten Bilder und Szenen auf, die in jeden billigen Porno passen würden. Moni und Hannes beim Sex auf der Couch, Moni und Hannes beim Liebesspiel in der Wanne.
Er hatte wirklich Angst durchzudrehen. Daher trank er noch einen Schluck direkt aus der Flasche. Wie ein Tiger im Käfig lief er in seinem Arztzimmer auf und ab. Jetzt kamen ganz andere Gedanken, was erzählte Hannes seiner Moni? Und vor allem, was vertraute ihm Moni an? Redeten sie von früher, von Herbert? Der Chefarzt hielt es nicht länger aus und stürmte hinunter in den Park. Sein Telefon klingelte, auf dem Display las er: Käthe ruft an.
Auch das noch! Er hatte es völlig verdrängt. „Hi Käthe, es tut mir so leid, ich schaffe es heute nicht nach Montan, zu viel Stress auf Station.“ Er hasste sich dafür, seit wann hatte er es nötig zu lügen? „Hallo Uwe, es ist kein Problem, noch haben wir alles unter Kontrolle. Soll ich Karl ausrichten, dass er mit Rondo ausreiten soll?“ „Nein danke Käthe, das ist lieb von dir, ich ruf ihn später an und klär das .“ „Bringst du Bier und Cola mit? Wir haben kaum noch Getränke.“
Uwe beobachtete die Enten auf dem kleinen See. Er spürte, dass sich langsam eine gewisse Ruhe einstellte. Er schloss die Augen, achtete auf seine Atmung und zwang sich, an etwas Schönes zu denken. Zwei junge Krankenschwesterschülerinnen grüßten ihn kichernd, als er sich gedankenverloren durch seine Haare fuhr, um mit seinen Locken zu spielen. Dann fiel es ihm ein, der Mallorca-Urlaub! Es war für Uwe eine Art Bedrohung.
In seiner Manteltasche piepte es schrill, schnell lief er zurück und hoffte, sich mit seiner Arbeit ablenken zu können.
Auf dem Heimweg traf er Hannes am Haupteingang der Klinik. „Hey mein Freund, alles klar?“ „Ja Uwe, gerade komme ich zurück. Wir haben einen langen Spaziergang mit Bruno am Inn gemacht. Schon ab heute Abend ändern wir Monis Medikamente. Ich bin ganz zuversichtlich, das wird schon. Uwe, sie ist eine tolle Frau! Kämpf um sie!“ Uwe schluckte, „Aber natürlich, was habt ihr...“ Es tut mit leid, aber ich habe noch jede Menge zu tun.“
Uwe starrte ihm skeptisch nach. Spaziergang? Tolle Frau?
Von seiner tierischen Eifersucht geplagt rannte er in die Wohnung, hörte das Wasser im Bad rauschen und weitere heiße Szenen spielte sich in seinem scheinbar kaputten Kopf ab. Aggressiv riss er die Türe auf. Moni erschrak und stieß einen spitzen Schrei aus. Dann sah sie seinen irren Blick. „Sagamal spinnst du?“ Er ballte seine Hand zur Faust, hielt sie sich vor den Mund und biss zu. „Mein Engel, entschuldige bitte.“
Resigniert drückte er auf den Knopf der Kaffeemaschine und setzte sich zu Bruno auf die Couch. Sofort legte sich der Hund auf den Rücken und ließ sich den wuscheligen Bauch kraulen. Zehn Minuten später war Moni bei ihm. „Uwe, sag, was ist passiert?“
„Ich hatte einen schweren Tag.“
„Und was noch?“ Sie roch den Whiskey und drehte sich angewidert von ihm weg.
„Wahrscheinlich bin ich ein verrückter eifersüchtiger Idiot!“
Moni nickte, gähnte herzhaft und gab ihm recht. Sie legte sich draußen auf die Relaxliege und döste in der Abendsonne. Uwe bestellte bei seinem Lieblingsitaliener zwei Lasagne, zwei gemischte Salate und zwei Flaschen trockenen Rotwein. Die Wartezeit nutzte er, um ein duftendes Entspannungsbad zu nehmen.
Moni hatte den Tisch auf der Terrasse gedeckt. Während des Essens erkundigte sie sich nach Rita. Uwe vermied es, das Gespräch mit Hannes zu erwähnen, obwohl er sehr neugierig war. Auch den anstehenden Urlaub sprach er nicht an. Er hoffte, sie würde von sich aus darüber reden wollen. Doch sie blieb stumm, schien in ihren eigenen Gedanken gefangen zu sein. Sie genehmigten sich ein Glas Rotwein, dazu kramte Moni die Schachteln mit den Zigarren aus dem Wohnzimmer. „Das brauche ich heute.“ Dabei lächelte sie schief und bot ihm auch eine an.
Später im Bett blockte sie seine zärtlichen Annäherungsversuche mit den Worten: „Ich schlafe nicht mit Alkoholikern!“, entschieden ab.
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Aufgeregt lauschten die Strickfreundinnen und Uta den Worten von Andys Mann Tom. „Hier haben wir Immobilie Nummer eins. Ein älteres Eckhaus mit zwei großen Räumen und zwei separaten Eingangstüren. Es wäre kein Problem, eine Küche und ein Büro zusätzlich einzurichten. Zum Haus gehören drei Parkplätze, eine geräumige Wohnung und sogar ein großer Lagerraum im hinteren Teil. Allerdings finde ich die Lage eher ungünstig, da es sich um keinen schönen Vorort von Stuttgart handelt.“ Die Frauen blickten neugierig auf den Monitor. „Und hier, die andere Auswahl, etwas Exklusives, ca. zwanzig Kilometer südlich von Stuttgart. Ein großer, moderner Laden im Erdgeschoss eines Hochhauses mit sehr viel Platz drum herum, vielen Stellplätzen und ein geräumiges Kellerabteil. Man müsste den Raum abteilen, damit das Cafe und der Verkaufsraum getrennt zu bewirtschaften wären. Im Haus werden immer wieder Wohnungen frei, sollte Interesse deinerseits bestehen, liebe Uta.“ Tom hatte Prospekte dabei und verteilte sie unter den Frauen.
„Danke, das ist furchtbar lieb von dir. Gleich morgen weihen wir Moni in unseren Plan ein, oder?“ Uta freut sich wahnsinnig, dass sie jetzt zu diesem Kreis dazu gehörte. Seit dem letzten Treffen war auch Andys Bruder Roland, liebevoll Roli genannt, dabei. Er war schon über viele Jahre Single, hatte jede Menge Zeit und ein Auge auf Uta geworfen. Da sie einiges älter war, ignorierte sie diese Tatsache. Insgeheim freute sie sich darüber, denn sie fühlte sich noch zu jung, um das restliche Leben alleine zu bleiben. Roli arbeitete in der gleichen Bank wie Tom. Er war ein einfacher, attraktiver Mann, der sie leider ein klein wenig an Otto erinnerte. Er besaß nämlich die gleichen lieben Teddybär-Augen.
„Gehen wir noch eine Runde mit deinen Hundis?“ Frech zwinkerte Roli ihr zu. Daraufhin sammelten sie die drei Hundeleinen ein und liefen kichernd mit den Fellnasen aus dem Haus.