Auch in Montan wurden Pläne geschmiedet. Seit Georg wusste, dass Moni und Uwe nun öfters auf dem Hof sein würden, war er in Gedanken schon durch viele Länder gereist. Heute war der Abend, an dem er seine Rita dazu überreden wollte.
Aus diesem Grund hatte er sie ins Montaner Bio-Hotel zum Abendessen eingeladen. Sie hatten sich beide hübsch angezogen und Rita saß aufgeregt vor ihrem Aperitif. Doch schon nach dem zweiten Schluck bekam sie diesen fiesen stechenden Schmerz im Unterleib. Zwar nur für einen Bruchteil einer Sekunde, aber stark genug, um das Gesicht verziehen zu müssen. „Meine liebe Rita, was hast du denn?“ Georg war ernsthaft besorgt. „Es ist nichts,“ schüchtern schüttelte sie den Kopf. „Alles gut.“ Der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen. Rita war so dankbar für diese Unterbrechung.
Liebevoll nahm der alte Arzt ihre Hand und küsste sie galant. Er lächelte spitzbübisch. „Rita, Liebes, ich würde so gerne mit dir in die große, weite Welt reisen. Was wäre dein Lieblingsziel?“ Rita senkte den Blick, „Ach mein Georg, du weißt doch, dass ich am Allerliebsten hier auf dem Hof bin.“ „Und wo wärst du gerne am Zweitliebsten?“ So schnell gab ein Dr. Ortner nicht auf. Er zwinkerte ihr aufmunternd zu. „Nun, also, ja ich würde gerne durch die Staaten reisen. Aber das geht ja leider nicht.“
„Und warum geht das nicht?“ „Georg, wir wären viel zu lange weg, es geht einfach nicht. Der Hof...“ Georg unterbrach seine Freundin. „Ach der Hof. Wir stellen jemanden ein, ganz einfach. Wir müssen das Leben genießen, wer weiß schon wann unsere Zeit abgelaufen ist. Hörst du es nicht, Rita? Unsere Uhr tickt!“ Er gab ihr einen weiteren zärtlichen Handkuss. Rita gab ihm recht, sprach es jedoch nicht aus. Denn sie hatte das Gefühl, dass ihre Uhr tatsächlich nicht mehr lange tickt.
Der freundliche Kellner brachte den 1. Gang des Menüs. Rita versprach Georg ernsthaft darüber nachzudenken. Sie widmeten sich beide dem leckeren Essen. Es wurde ein sehr schöner Abend, obwohl Rita immer wieder kleine Schmerzattacken hatte. Sie brachte es immer noch nicht übers Herz, Georg davon zu erzählen. Sie würde sich Uwe anvertrauen, gleich morgen, das war ihre neue Idee.
***
Die Stimmung auf dem Schiff war sagenhaft. Die Tische waren einzigartig schön und exklusiv geschmückt. Aus dem Inneren drang unaufdringliche Unterhaltungsmusik, sie passte perfekt zu der dezenten Partybeleuchtung. Elegante Kellner und Bedienungen wuselten lautlos über das Deck und erfüllten die Wünsche der Gäste. Außer Ihnen waren noch etwa zwanzig Passagiere an Bord. Die Tische standen weit auseinander, so wurde die Privatsphäre geschützt. Darauf legte der Arzt immer großen Wert. Denn Uwe war kein Mann der Öffentlichkeit, er wollte lieber unerkannt die kostbare freie Zeit, die er hatte, mit seiner Moni alleine genießen. Er hatte einen Tisch vorne am Bug reserviert, von hier aus hatte man einen genialen Blick auf den Sonnenuntergang, so hieß es zumindest. Durch das Megafon teilte der Kapitän seinen Gästen die abendliche Route mit und versprach ihnen ein paar fröhliche Stunden an Bord.
Moni genoss die Fahrt mit der modernen Yacht über den See. Sie lehnte an der Reling, ihre Haare wehten im Wind, durch ihre sanfte Bräune wirkte sie äußerst attraktiv, jung und gut erholt. Uwe stand hinter ihr, hielt sie eng umschlungen. „Ich liebe dich“, flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr. Sie lachte, warf den Kopf zurück und küsste ihn frech auf den Mund. In diesem Moment schlenderte der Kapitän vorbei, er lächelte den beiden verschmitzt zu. „Meine verehrten Gäste, die Vorspeise wird gleich serviert. Darf ich Sie daher freundlich an Ihren Tisch bitten?“
„Avocado-Mango Salsa mit Garnele“, tönte es aus dem Lautsprecher. „Wir wünschen einen guten Appetit.“ Moni schloss die Augen. Einfach himmlisch, dieser Geschmack war ein Erlebnis für die Sinne. Nach einer halben Stunde wurde die mediterrane Hauptspeise serviert, Lachs mit grünem Spargel und Fenchel vom Blech. Auch dieses Gericht war absolut köstlich. Uwe bestellte eine Flasche Champagner vom Feinsten. Die Sonne tünchte den Himmel in ein unwirkliches Orange, sie prosteten sich verliebt zu und warteten auf den Sonnenuntergang.
Plötzlich wurde es laut am Nachbartisch.
Ein unsympathischer, fetter, grauhaariger Mann stand auf und sang ein russisch klingendes Lied. In seinem Mundwinkel hing eine dicke Zigarre, deren Qualm ihm in die wässrigen kleinen Augen stieg. Seine Haut war dunkelrot und vernarbt. Drei blonde, leicht bekleidete Mädchen hielten ihn dabei fest und lachten laut. Die Szene wirkte billig und äußerst deplatziert. „Oh mein Schnuckelschen, hast du widerrrr zuviel getrrrrunken.“ Dabei tätschelte eins der jungen Dinger seine unrasierte, ungepflegt wirkende Wange. In der Hand hielt sie eine leere Wodkaflasche. Moni erinnerte sich daran, dieses Mädchen schon einmal am Hotelpool gesehen zu haben.
Moni hob die Augenbrauen und schüttelte angewidert den Kopf, „Wie eklig!“ Uwe grinste frech, „Ach komm, lass sie doch. Sie haben einfach ihren Spaß!“ Wie sie später vom Kapitän erfuhren, handelte es ich bei dem unangenehmen Herren um den bekannten Oligarchen Usmanov, der sich hier am Gardasee öfters im Jahr amüsierte. „Uwe Schatz, was ist ein Oligarch?“ „Mein Liebling, das ist ein böser mächtiger Mann, leg dich lieber nicht mit ihm an“. Uwe kicherte leise.
Es folgte ein kleines Unterhaltungsprogramm mit einer bunten Mischung aus italienischer Musik, tänzerischen Einlagen sowie lustigen Sketchen und Spielen. Moni und Uwe blieben dabei Zuschauer und hielten sich dezent im Hintergrund. Nach einer Besichtigung der Yacht durch den Kapitän wurde die Nachspeise serviert. Es handelte sich um überbackene Erdbeeren mit Frischkäse-Guss, die in einer goldenen Schale gereicht wurden. Eine Geschmacksexplosion für Gaumen und Zunge.
Höhepunkt des Abends war ein spektakuläres Feuerwerk mit klassischer Musik. Der Himmel glitzerte und funkelte, Fontänen aus Goldsternen stiegen auf, im Hintergrund leuchteten die Berge abwechselnd rot und grün. Moni strahlte, Uwe hielt sie während der Vorstellung eng an sich gedrückt fest. Überglücklich bedankte sie sich bei ihrem Schatz für seine tolle Idee. „Mensch, war das ein cooles Erlebnis!“ Sie küsste ihn leidenschaftlich.
Gegen 23 Uhr waren Moni und Uwe müde aber glücklich zurück in ihrer Suite. Sie schliefen zufrieden eng aneinander gekuschelt ein.
Doch mitten in der Nacht klopfte es energisch an der Tür.