An einem heißen Freitag Anfang August war Moni damit beschäftigt, eine Auswahl der Bewerber zu treffen. Bei der letzten Besprechung wurde vereinbart, dass in der Verwaltung Plätze für drei Auszubildende entstehen sollten. Monis Wunsch war, eine Art Schnittstelle zu sein. Gerne würde sie den jungen Menschen unter die Arme greifen damit sie fit für das Berufsleben werden. Mit einem dicken Stapel Bewerbungsunterlagen lief sie Richtung Besprechungsraum Nummer eins. Dieser verfügte über eine Klimaanlage und lag abseits im etwas ruhigeren Teil des Verwaltungstraktes. Auch in diesem Zimmer standen eine moderne Kaffeemaschine, eine Kiste Wasser und ein Korb frischer Äpfel.
Auf dem Weg dorthin traf sie auf den Oberarzt Victor. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln meinte er beiläufig: „Ach Moni meine Gute, wir müssen bald einen Operationstermin vereinbaren, um die überflüssigen Schrauben und Metalle aus deinem Körper zu entfernen!“ Moni verzog das Gesicht, „Oh ja stimmt. Aber, können wir das verschieben bis nach unserem Urlaub?“ Victor nickte, schrieb sich eine Notiz in den Kalender. „Na klar, dennoch benötige ich demnächst die Röntgenfotos. Noch dazu ein großes Blutbild.“ Moni verdrehte die Augen und marschierte weiter.
Aus einem der Zimmer drang Uwes Stimme, laut und energisch. Sie hörte ihn schimpfen: „Nein, nein, nein! Geht das nicht besser? Wie sieht das denn aus? Ja sind wir hier in der Grundschule? Wenn man nicht alles selber macht...“ Moni lief schnell weiter, darauf hatte sie jetzt gar keine Lust. Uwe war in manchen Dingen äußerst penibel. Nicht nur was die Hygiene auf Station und vor allem im Operationssaal betraf, sondern auch bei schriftlichen Angelegenheiten. Die Formulare und Schriftstücke hatten sauber, ordentlich und natürlich ohne Fehler zu sein. Manchmal brüllte der sonst so besonnene Arzt aus solchen Gründen seine Angestellten an.
Moni freute sich auf das bevorstehende freie Wochenende mit Linus und Lara. Zum ersten Mal übernachteten die Kinder bei Moni und Uwe. Max hatte Tina für morgen Abend ins Kino eingeladen. Uwe hatte sofort zugesagt, den Babysitter zu übernehmen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie sich beeilen sollte. Ihr Handy vibrierte, auf dem Display erschien das Bild von ihrem Schatz. „Mein Engel, wie lange bist du noch beschäftigt?“ „Hallo Süßer, ungefähr zwei Stunden noch, passt das?“
„Ja klar. Müssen wir vorher was erledigen oder fahren wir direkt nach Montan?“ Uwes Stimme klang hell und freundlich. „Wir wollten noch einkaufen gehen, vor allem Überraschungseier für die Kleinen.“ „Gut, kommst du zu mir auf Station und holst mich ab wenn die fertig bist? Ich freue mich wahnsinnig! Aber der heutige Abend gehört nur uns zwei, ja?“ Moni hörte, wie er ihr einen Kuss durchs Telefon gab, dann war die Verbindung weg.
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Klara half ihrem Vater beim Gang zur Toilette. Sein Blick war düster, leer und vom Schmerz verzerrt. „Hasch du dei Tabletten eignomme?“ Ihre Stimme klang besorgt. „Ja, ja ja,“ murmelte Adolf und schlurfte langsam weiter. In der Wohnung roch es muffelig und ekelhaft sauer. Klara versuchte, es zu ignorieren. Auf dem Tisch sah sie zwei leere Weinflaschen. „Du sollsch doch heit koi Alkohol trinken!“ Schimpfte sie. „Lass mich bloß in Ruhe,“ herrschte er sie an.
Zum Glück kam Tim dazu, da wurde er sanft und ruhiger. Gemeinsam wuschen sie den alten Mann. Anschließend zogen sie ihm saubere Kleider an, denn Adolf hatte heute einen wichtigen Untersuchungstermin. Tim begleitete seinen Opa zum Arzt, während Klara sich um die Wohnung kümmerte. Am Liebsten hätte sie sich zwei Paar Handschuhe angezogen. Alles war verklebt, schmutzig und total versifft. Im Schlafzimmer fand sie verdreckte Hosen, Hemden und jede Menge vergilbte Unterwäsche. Sie ekelte sich vor ihrem eigenen Vater. Noch immer sträubte sich Adolf mit aller Gewalt, eine Haushaltshilfe anzunehmen. Er bestand darauf alleine klar zu kommen. „Es kommt mir keine fremde Person ins Haus!“ Er schrie es damals so laut, dass auch die Nachbarn Bescheid wussten.
„Es ist der Altersstarrsinn,“ beruhigte Moni die arme Klara, die immer wieder um Hilfe bat. „Hör zu, ich würde euch gerne helfen und das Finanzielle übernehmen. Bestimmt findet ihr eine gute Seele, die sich um Adolf kümmern kann.“ „Ach Moni du bisch so lieb. Aber du weisch ja, er will oifach net.“
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Uwe öffnete den Kofferraum und verstaute drei prall gefüllte Einkaufstaschen. Dabei strahlte er übers ganze Gesicht. „Mein Engel, ich hoffe wir haben nichts vergessen.“ Moni lachte auf, „Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“. Gut gelaunt steuerte sie ihren Wagen durch den Innsbrucker Feierabendverkehr. Leise summte sie die Melodien aus dem Radio mit. Uwe hatte schon die Augen geschlossen und seine Sitzlehne nach hinten gekippt. Es war seine Art abzuschalten.
Moni parkte den Wagen neben dem Pferdestall. Max und Karl luden Heu vom Anhänger ab und verstauten es in der Scheune. Uwe stieg aus, gab Moni einen langen Kuss, „Bis gleich mein Engel, gib mir eine Stunde.“ „Kein Problem, genieße die Zeit mit Rondo und grüß ihn schön von mir.“
Bruno begrüßte sein Frauchen wie immer übertrieben, indem er kläffend seine Pfoten auf ihre Schultern legte und sie dabei fast umschubste. Der inzwischen ausgewachsene Maremmen-Abruzzen-Schäferhund wog schließlich an die fünfzig Kilo. „Ja, mein Guter, ja, ich bin ja wieder da.“ Der Hund schmiegte sich an sein Frauchen und genoss die Streicheleinheiten. Freudig sprang er ihr bis in die Wohnung hinterher. Unterwegs begrüßte sie Rita und Olga. „Hey ihr Lieben, alles gut bei euch? Ich bin ein wenig in Eile, wir sehen uns morgen.“ „Moni, wie schön dich zu sehen, ja es ist alles gut bei uns. Bei euch bestimmt auch, du siehst sehr glücklich aus." Olga freute sich mit ihr.
„Pünktlich um halb eins gibt es Mittagessern, dann werden die Kinder schon hier sein.“ „Super und vielen Dank.“
Gut gelaunt öffnete Moni alle Fenster, lud die Taschen aus, räumte alles auf, deckte den Tisch und stellte selbstgemachten Ziegenkäse, Schinken, Butter, frisches Brot und ein wenig Obst bereit. Nebenher telefonierte sie mit ihren Töchtern und hörte ihnen interessiert zu. Noch immer meldeten sich beide fast täglich und erzählten eifrig von ihrem Alltag.
Im Wellnessbadezimmer sorgte Moni für ein romantisches Ambiente, indem sie Kerzen anzündete, einen sinnlichen Duft versprühte und die Kuschelrock CD einlegte. Neben die Wanne stellte sie den Sektkühler und zwei Gläser. Alles unter den wachsamen Augen von Bruno, der sie auf Schritt und Tritt verfolgte. Zufrieden mit ihrer Idee zog sie sich ein raffiniertes Kleid an, gab dem Hund den lang ersehnten Knochen und wartete auf der Couch auf ihren Liebsten.
Pünktlich öffnete Uwe die Türe. Sofort sah er den liebevoll gedeckten Tisch und die Leckereien, daneben seine Moni im neckischen Outfit. Er strahlte übers ganze Gesicht. „Mhm lecker, was soll ich nur als erstes vernaschen?“ Sie kam kichernd näher, kitzelte ihn mit ihrer Zunge frech am Ohrläppchen. Uwe nahm sie voller Verlangen in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich.
„Igitt, du stinkst nach Stall! Möchtest du nicht ein Bad nehmen?“
Mit einer Scheibe Brot in der einen Hand und ein Stück Käse in der anderen inspizierte er das Badezimmer. Er nickte wohlwollend, dann suchte er im Kühlschrank nach einem guten Champagner. Zusammen mit einer Schaufel Eiswürfel stellte er die Flasche in den vorbereiteten Kühler. Moni brachte die Häppchen auf einem Tablett, dabei zwinkerte sie ihm zu. „Auf einen schönen Abend du Chefarzt.“
„Mein Engel, du bist die beste Frau auf der ganzen Welt, wie konnte ich nur all die Jahre ohne dich sein. Ich liebe dich!"