Rita erwachte erst gegen zehn Uhr. Heute fühlte sie sich ausgeschlafen und fit. Das schmale Gästebett neben ihr war leer. Georg spielte wieder einmal Chefarzt, er marschierte seit über einer Stunde von Zimmer zu Zimmer und absolvierte mit dem jungen Assistenzarzt die Visite. Ganz genau erklärte der Senior die jeweiligen Diagnosen und Therapien. Immer wieder aber schweifte er vom Thema ab, schwelgte in Erinnerungen und erzählte von früher. Der junge Arzt hörte ihm interessiert und geduldig zu.
Rita trank einen Schluck Tee, biss in das Weißbrot, nahm allen Mut zusammen und wackelte alleine zur Toilette. Anschließend wählte sie die Nummer vom Hof. Olga meldete sich schüchtern und freundlich. „Rita, wie schön, dich zu hören. Wie geht es dir?“ Rita erzählte ihr von den letzten Tagen.
Olga berichtete stolz, dass Stefan sich inzwischen auf dem Hof gut eingelebt und integriert hat. „Stell dir vor, wir haben uns heimlich verlobt.“ Sie kicherte leise.
Rita freute sich für das liebe Mädchen. Olga plauderte vergnügt von Franz, den Kühen und schließlich vom Streit zwischen Moni und Uwe. „Weißt du, Rita. Moni, sie geht nicht mit nach Mallorca, sie hilft uns hier auf dem Hof. Ich glaube, Uwe ist darüber sehr verärgert.“
Nach dem Telefonat kuschelte sich Rita wieder unter die Bettdecke, froh darüber, hier in Innsbruck zu sein. Georg hatte das Bett so aufgestellt, dass sie in die wunderbare Bergwelt blicken konnte. Die Gedanken kamen und gingen, dann fiel ihr ein, wie Karl damals auf Moni reagierte. Sie erinnerte sich ganz genau an diesen gierigen Blick des Stallburschen. War das noch immer so? Wusste Uwe davon? Ob es eine gute Idee war, Moni alleine auf dem Hof zu lassen? Natürlich war es wunderbar für alle Bewohner und Mitarbeiter, wenn Moni das Kochen übernahm. Von Tina wusste sie, dass sie die Zeit ohne die Kinder nutzen wollten, um abends auszugehen und die Zweisamkeit zu genießen. Das war auch wichtig.
Durch die Grübelei wurde Rita müde und döste ein. Erst als Georg mit dem Ernährungsplan ins Krankenzimmer kam, wurde sie wieder wach.
Er wedelte mit einem dünnen Büchlein. „Sieh nur, das hier ist dein Plan für die nächste Zeit. Da steht alles ganz genau beschrieben.“
„Lass sehen!“ Rita beschäftigte sich damit, den Inhalt dieses Schreiben zu lesen und vor allem zu verstehen. „Was? Ich soll ein Tagebuch führen?“
„Wichtig ist die Einnahme der Pankreasenzyme, die dir bei der Verdauung helfen, insbesondere wenn du Fett zu dir genommen hast. Denk daran meine Liebe, du musst immer ganz langsam essen und immer nur sehr wenig. Verteile deine Mahlzeit auf bis zu achtmal am Tag, ja?“ Georg küsste sie auf die Stirn und stürmte wieder hinaus. Rita lächelte ihm kopfschüttelnd hinterher.
***
Tim und die anderen Jungs aus Herberts erster Ehe begrüßten Moni und Uwe überschwänglich. Sie hatten sich so lange nicht gesehen, vor allem Tim, der Jüngste, vermisste seine Stiefmama sehr. Moni verteilte großzügig die mitgebrachten Geschenke. Tim bekam das ersehnte Smartphone mit allerlei Zubehör, Axel die Hightech-Drohne und Lukas hatte sich einen neuen Laptop gewünscht. Interessiert setzte sich Uwe zu den dreien und freute sich mit ihnen.
Klara brachte Teller und Tassen, stellte die Kaffeekanne auf die klebrige, löchrige Tischdecke. „Hört oifach net uf ihn, der schwätzt wieder nur Babb. Ihm gehts gar net gut.“ In der Zuckerschale steckte ein schmutziger Löffel, an ihm klebte braun verfärbter Zucker. Das Milchkännchen, welches daneben stand, war mindestens seit einem Jahr nicht gespült. Klara trug eine altmodische Küchenschürze, die vor Schmutz nur so strotzte. Überall am Saum hingen die Fäden herunter.
Es klingelte an der Tür, Uta brachte den versprochenen Kuchen und setzte sich neben Moni.
Unter den strengen Blicken von Adolf servierte Klara die verschiedenen Torten und Köstlichkeiten, schnitt sie umständlich in viel zu große Stücke und leckte die Sahne, welche am Messer hängen blieb, direkt mit ihrer Zunge ab. Bei diesem Anblick drehte es Uwe endgültig den Magen um. An den alten Kuchentellern war der Rand teilweise abgesprungen, das Muster schon nicht mehr zu erkennen. Angeekelt fasste Uwe nichts davon an. Krampfhaft überlegte er, wie Moni es geschafft hatte, jemals hier zu leben.
Es kamen weitere Verwandte und Familienmitglieder zu Besuch, auf die Uwe keinen Wert legte, sie jemals kennenzulernen. Mit der Begründung Kopfschmerzen zu haben, verabschiedete er sich zu einem kleinen Spaziergang. Moni begleitete ihn vor die Tür. „Schatz, noch eine halbe Stunde, dann fahren wir, ok?“ Uwe blickte auf seine Armbanduhr, „Alles klar, dann schauen wir uns später die Immobilie an?“
Sie nickte, „Ja bitte, mein Schatz!“
Moni steckte Klara und den Jungs zum Abschied jeweils einen Briefumschlag zu. Dabei zwinkerte sie liebevoll.
Sie gab dem Chauffeur die Adresse und wählte die Nummer von Andy. „Wir fahren jetzt los, kommt ihr wie versprochen dazu?“
Mit gemischten Gefühlen betrat Uwe das Gebäude. Viele Renovierungsarbeiten waren fällig, damit hier ein schöner Laden samt Café entstehen würde. Aber mit genügend Geld war alles möglich. Sie besichtigten den Lagerraum sowie die dazugehörende Wohnung. Tom fragte seinen neuen Freund: „Na, was denkst du? Sollen wir investieren? Unsere Frauen wäre glücklich darüber.“
Uwe nickte, „Ja, in Ordnung. Ich schenke dir mein Vertrauen und überlass dir die Entscheidung, da ich mich nicht auskenne, wie die Preisgestaltung hier im Ländle ist. Uta würde in die Wohnung ziehen, oder?“ „Ja, das wäre äußerst praktisch. Es wäre immer jemand vor Ort. Gleichzeitig können wir mit der Miete die anfallenden Nebenkosten abdecken, falls das Strickcafé zu Beginn nicht so gut läuft.“ Tom wirkte sehr zuversichtlich.
Uwe tätschele Toms Schulter. „Mein Einverständnis habt ihr.“ Moni und Andy fielen ihren Männern um den Hals, dann hieß es leider auch hier Abschied nehmen.
Die Gewitter hatten sich zurückgezogen, einer freien Fahrt stand nichts im Wege. Moni und Uwe schliefen sofort aneinander gekuschelt ein. Später ließen sie den Tag Revue passieren. Immer wieder küssten sie sich zärtlich, Moni streichelte ihn dabei verführerisch. Uwe stöhnte leise, „Mein Engel, doch nicht jetzt und hier.“ Sie grinste frech.
Spät am Abend packte der traurig wirkende Uwe die letzten Kleidungsstücke in seinen Koffer und besprach sich mit Tina, wann Max alle miteinander nach Innsbruck und anschließend zum Flughafen nach München fuhr. „Euer Flug geht um 14:00 Uhr, also sollten wir spätestens um zehn von Innsbruck los.“ Uwe hatte Herrn Rudel beauftragt, das Gepäck mit seinem Auto zu bringen und diese am Schalter gleich aufzugeben. Er selber würde zusammen mit den Kindern, Margit und Max fahren. Thommy gab ihm den Tipp vom Online-Check-In.
Dr. Uwe Ortner drehte sich von der einen Seite auf die andere. An Schlaf war nicht mehr zu denken, obwohl es erst fünf Uhr in der Früh war. Er stand auf, schaltete die Kaffeemaschine an, spazierte ins Büro und loggte sich im Klinik-PC ein. Er beantwortete wichtige E-Mails, telefonierte mit der Nachtschwester und schrieb seinem Vater eine Nachricht mit der Uhrzeit, wann er eintreffen würde.
Dann legte er sich zurück ins Bett. Mit seinen zärtlichen Händen streichelte Uwe seinem Liebling über den Rücken, massierte sanft und erregt ihren Po. Wohlig räkelte sich Moni auf dem Laken und umarmte ihren Liebsten. Schnell war sie bereit für ihn. Uwe liebte sie an diesem Morgen wild und hart. Bis sein lautes Stöhnen in ein Schluchzen überging.
Moni hielt ihn fest an sich gedrückt. „Uwe, mein Schatz. Wir schaffen das. Es sind nur ein paar Tage. Ich liebe dich!“ Es waren die schönsten Worte, die Uwe seit langem von ihr hörte. „Mein Engel, das tut so gut. Ich liebe dich auch. Du bist alles für mich!“