Wieder einmal wurde Uwe lieb geweckt, in dem Moni seine Härchen am Po zupfte. „Mhmm, ist heute nicht Sonntag? Wir wollten doch ausschlafen!“, schnell drehte er sich von ihr weg, zog sich dabei die Decke über den Kopf. „Aufstehen Uwe-Schatz, wir machen eine Spritztour. Ich fahre, du kannst weiterschlafen.“ Moni küsste ihn wild, stand auf und zog ihn aus dem Bett.
Als Uwe erkannte, dass Moni auf die Brenner Autobahn fuhr, hatte er die Überraschung durchschaut. „Meeeensch, mein Engel. Wir fahren ins Pustertal?“ Moni nickte und strahlte wie ein Breitmaulfrosch. „Wir sind zum Mittagessen eingeladen“, sie lachte. Insgeheim erhoffte sie sich von dem Besuch die eine oder andere Erinnerung. Georg hatte sie auf diesen Gedanken gebracht. Für einen Ausflug auf den Monte Piano war heute jedoch keine Zeit. Das würde sie mit ihrem rechten Bein sowieso noch nicht schaffen. Die Fahrt mit dem neuen Auto war klasse, Moni hatte sich ruckzuck an den Luxus gewöhnt. Auch die Größe stellte überhaupt kein Problem dar.
Pünktlich kamen sie bei den Freunden in Toblach an. Thommy wusste nichts von dem Besuch, die Überraschung war den Frauen also gelungen. Die Männer umarmten sich, dabei strahlten sie um die Wette. Resi hatte Bauerngröstl gekocht. Dieses typische Südtiroler Gericht bestand vor allem aus Rindfleisch und Kartoffeln. Die Zwiebeln hatte man für Uwe extra weggelassen. Zum Nachtisch gab es Kaiserschmarrn.
Moni fasste sich an den Bauch, „Herrje, hab ich jetzt aber viel und saugut gegessen. Herzlichen Dank für diese leckere Mahlzeit. Wir könnten ja einen Verdauungs-Spaziergang machen?“
„Gute Idee, hast du einen Wunsch wohin, mein Engel?“ „Ja, tatsächlich. Ich würde sehr gerne zum Dürrensee fahren.“ Alle waren einverstanden. Stolz präsentierte Moni den neuen Wagen und fuhr an den Parkplatz. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Drei Zinnen. Am Fuße des Monte Pianos wanderten sie gemütlich über eine Stunde. Moni blieb immer wieder stehen, denn sie spürte eine Art Kribbeln. Es kam ihr so vor, als wäre sie hier schon tausendmal spazieren gegangen. Hand in Hand schlenderte sie mit Uwe zurück zum Auto, dachte aber die ganze Zeit an Herbert. Warum um alles in der Welt waren sie abgestürzt? Sie konnte es immer noch nicht glauben.
Viel zu schnell verging die Zeit und sie saßen wieder im Wagen. „Mein Engel, was hältst du davon, wenn wir Familie Reinhardt, bei der ihr damals in der Ferienwohnung Urlaub gemacht hattet, einen kurzen Besuch abstatten?“
„Oh! Das ist eine hervorragende Idee, das machen wir.“ Moni fuhr los, sie kannte die Strecke. Uwe staunte, „So schlecht kann es mit deinen Erinnerungen nicht stehen“. „Ich wundere mich gerade selber.“ Die beiden lachten sich an.
Frau Reinhardt öffnete die Tür, sofort fiel ihr die Kinnlade herunter. „Frau Häberle, ach herrje, was für eine Überraschung! Wie schön Sie zu sehen. Um Gottes willen, geht es Ihnen wieder so gut?“ Nach der herzlichen Begrüßung und einer Tasse Kaffee, führte Frau Reinhardt Moni hoch in die Ferienwohnung. Was für ein wunderbarer Blick vom Balkon. Überall Wiesen und Weiden, das Dorf Toblach und im Hintergrund die Sextner Dolomiten. Wahnsinn. Hier also hatte sie Urlaub mit ihrem Mann gemacht?
Am Liebsten würde sie sich auf den Kopf hauen, vielleicht würde es den Erinnerungen auf die Sprünge helfen?
Auf der Heimfahrt genoss Uwe das Leben als Beifahrer. Er nutzte die Gelegenheit und bewunderte die herrliche Landschaft, nebenbei telefonierte er mit Victor und Georg.
„Mein Engel, möchtest du mir von früher erzählen? Von dir und deinem Mann Herbert? Vielleicht hilft es ja. Deine Erinnerungen, sie sollten langsam zurück kommen.“
Moni zuckte mit den Schultern, „Möchtest du das wirklich?“ Uwe nickte tapfer.
„Was mir immer wieder auffällt, wie du Herbert ähnlich siehst. Du hast das damals nicht gewusst, gell? So ein Zufall aber auch,“ Moni schmunzelte. Daraufhin fiel Uwe nichts ein, er wartete ab.
„Weißt du, das Schlimmste ist für mich die Tatsache, dass wir ein glückliches Paar waren. Alles war gut, wir hatten ein schönes Leben. Ich spüre Herbert, wie er noch in meinem Herzen sitzt.“ Nach einer kleinen Pause fügte sie leise hinzu: „Es tut mir leid!“
„Mhmm, das weiß ich ja schon. Ich schätze deine Ehrlichkeit.“ Er streichelte dabei liebevoll ihre Schenkel. „Das ist schon ok.“
Uwe drehte noch eine Abendrunde auf seiner Station. „Mein Engel, nur ein Stündchen.“ Da es ein recht milder Abend war, trug Moni die Sitzpolster, Kerzen und Tischwäsche auf die Terrasse. In einer Swarovski-Glasschale, deren Preis sie noch immer nicht wusste, servierte sie Käsewürfel und kleine Dinkelbrezeln. Dazu stellte sie einen guten Wein aus ihrer Heimat bereit. Der Musik-Stick von ihrem Auto steckte noch in der Anlage, gut gelaunt summte sie bei der Musik mit.
***
Der Zug aus München fuhr pünktlich im Innsbrucker Bahnhof ein. Kim stand glücklich mit einem dicken bunten Blumenstrauß wartend am Bahnsteig. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Freundin in die Arme zu schließen. Zuerst sprang das große wollweiße Felltier kläffend aus dem Zug und stürmte auf Kim zu. Beinahe hätte Bruno vor lauter Übermut sie zu Boden geworfen. Kichernd kam Käthe die Treppe herunter und hielt sich die Hand vor den Mund. „Bruno, du Spinner. Sei doch vorsichtig!“ Als könne er die Menschensprache verstehen, duckte er sich sofort, zog den Schwanz ein, dabei winselte er leise.
Die Mädchen standen eng umschlungen, freuten sich übermäßig, dabei küssten sie sich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. „Meine Süße, ich hab dich so vermisst!“
„Was machen wir mit deinem Freund hier?“ „Wir nehmen ihn mit oder bringen ihn zu meiner Mama, ganz wie du magst.“
Die Fahrt zur Klinik dauerte nicht lange, Bruno sprang kläffend an der Tür hoch. Moni schob sich gerade ein Stück Käse in den Mund, als sie lautes Kratzen an der Haustür vernahm. Irritiert fragte sie, „Hörst du das auch?“ Schon bellte Bruno laut zur Begrüßung. Uwe schmunzelte, „Mein Nebenbuhler ist soeben angekommen“.
Käthe erzählte ein wenig von ihrer Zeit in der Heimat, dabei schaute sie immer wieder zu Kim. Beide Mädels waren ziemlich aufgeregt. Moni erkannte schnell die Situation. „Weißt du was? Komm doch morgen zum Frühstück, da kannst du mir alles ganz ausführlich und in aller Ruhe erzählen, ja?“
Zuerst versorgte Moni ihren Bruno mit vielen Streicheleinheiten, danach mit frischem Wasser und einer großen Schüssel seines Lieblingsfutters. Verliebt betrachtete Uwe die beiden. „Meine kleine Familie, ich liebe euch!“
Sie hoben ihre Weingläser, prosteten sich zu, schoben ihre Stühle nah nebeneinander, hielten sich an den Händen und küssten sich leidenschaftlich. „Bei deinen Küssen bin ich immer noch der Ohnmacht nahe,“ stöhnte Uwe leise. Moni grinste und zwinkerte ihm zu. „Pssst, nicht so laut, wir sind doch nicht alleine“. Sie lachten, streichelten sich, schauten in die Flamme der Kerzen und betrachteten den sich langsam verfärbenden Himmel. Die Stimmung war voller Liebe und Romantik, doch dann traf es sie mit voller Wucht.
Bilderfetzen einer steilen Felswand, sie hörte Steine rieseln sowie den schrillen Schrei eines Vogels. Das Pfeifen im Ohr wurde immer lauter. Schnell schloss sie ihre Augen, Sterne tanzten, ein furchtbares bedrohliches Gefühl schlich in Moni hoch. Sie fing an zu zittern, der Angstschweiß stand ihr auf der Stirn.
„Um Gottes Willen, Liebling, was ist denn los?“
„Ich, ich weiß nicht. Ich bekomme keine Luft mehr!“ Schnell stand Moni auf, fächerte sich mit der Hand Luft zu und öffnete weit den Mund. Uwe half ihr vom Stuhl hoch. Bruno beobachtete die beiden ganz genau. „Atme langsam, ganz langsam und tief ein, ja so ist gut. Und jetzt ganz lange ausatmen.“ Ein paar Minuten später hatte sich Moni wieder gefangen. Sie schüttelte sich wie ein Hund.
Hui hui hui, was war denn.