Im Biohotel Montan wartete der bestellte Tisch auf sie. Heute veranstaltete das Hotel ein traditionelles, sommerliches Gala Dinner, mit allerlei leckeren Spezialitäten. Uwe blickte auf die Uhr, noch über eine Stunde bis zum Beginn. Sollte er seiner Moni hinterherlaufen? Oder lieber hier warten? Er hatte das Gefühl, egal, für was er sich entscheiden würde, er wäre bestimmt falsch. Auf der Couch lag Monis Handy. Ebenso der Schlüsselbund und ihre Handtasche, sie hatte nichts mitgenommen.
Lange stand er im Ankleidezimmer vor dem Spiegel. Schließlich entschied er sich für einen sommerlichen hellbraunen Leinen-Anzug, dazu ein weißes Hemd. Passend wären die ebenfalls neuen italienischen Designer Schuhe. In diesem Outfit fühlte er sich sehr wohl. Vor zwei Tage erst hatte er einige kostbare Stunden bei Irina verbracht. Er liebte es, mit Gesichtspflege, Maniküre und Pediküre verwöhnt zu werden. Sein gepflegtes Äußeres gab ihm eine Art Sicherheit, verlieh die benötigte Kraft und Energie. Zufrieden setzte er sich in sein Arbeitszimmer. Immer wieder spähte er durchs Fenster, um nach Moni Ausschau zu halten. Ein weiterer Anruf in der Klinik, noch ein letztes Mal die E-Mails abrufen. Danach würde er sich selber in den Feierabend schicken. Er sah, wie seine Hand zitterte, während er die Computermaus benutzte.
So ein Mist.
Da hörte Uwe das ersehnte Klopfen, schnell lief er zur Tür und ließ Moni in die Wohnung. Sie hatte ebenfalls geweint, er sah es ihr sofort an. Liebevoll schloss er seine Herzdame in seine Arme.
„Mein Engel, bitte verzeih mir. Ich bin ein Idiot!“
Vorsichtig küsste er sie auf die Stirn. „Noch dazu ein Feigling.“
Seine sanfte Stimme meinte es ehrlich. Moni nickte und ließ sich von ihm streicheln und trösten.
„Das bin ich auch. Ich muss mich ebenfalls entschuldigen. Bitte, wir müssen heute unbedingt reden!“ Ihr ernster Blick jagte ihm Angst ein.
Uwe nahm allen Mut zusammen. „Gib unserem Abend noch eine Chance. Lass uns zum Gala-Dinner gehen, ja? Wir nehmen uns dort alle Zeit der Welt für ein Gespräch.“
Eine halbe Stunde später öffnete er die Beifahrertür und half seiner wunderschönen Herzdame gentlemanlike aus dem Wagen. Auf die Schnelle hatte Moni ihre Haare hochgesteckt, ein zartschimmerndes Sommer-Make-Up angelegt und sich für die üppige, goldene Kette vom Gardasee Urlaub entschieden. Sie trug das neue exklusive, kurze Sommerkleid im olivgrünen Dschungel-Look. Dieses Modell war äußerst körperbetont und mit einem großzügigen Ausschnitt versehen, welcher einen kleinen Einblick auf ihre verheißungsvolle Brüste gab. Uwe warf ein Blick auf ihr Dekolleté, fuhr mit seinem Zeigefinger zärtlich über ihre Haut.
Grinsend frage er frech: „Sag, hab ICH das erlaubt?“
„Oh mein Schatz, DU hast das Kleid nicht nur ausgesucht, sondern auch bezahlt“. Moni lächelte. Uwe gab ihr einen sachten Klaps auf den Po, „Du freches Ding!“
Der grüne Stoff funkelte in der Sonne mit ihren Augen um die Wette. Die goldenen, raffinierten Sandaletten rundeten ihr stimmiges Outfit ab. Die Sommerbräune verpasste ihr eine glückliche Ausstrahlung. Uwe fiel es schwer, den Blick von ihr abzuwenden.
„Mein Engel, du bist atemberaubend schön!“
Moni genoss die Komplimente, auch die Blicke der anderen Gäste. Noch nie hatte sie sich so wichtig gefühlt wie an Uwes Seite. Stammte sie doch aus einfachen Verhältnissen. Manchmal aber dachte sie, dass dieses Leben gar nicht zu ihr passte. Es war ihr oft unangenehm.
Der freundliche Kellner begleitete das schicke Pärchen an den hübsch dekorierten Tisch, draußen auf der Panorama-Terrasse. Er zündete die Kerzen an und gab Uwe unauffällig die Getränkekarte. Moni legte die Handtasche um die Stuhllehne, atmete die warme reine Bergluft ein und schaute sich um. Von hier hatte man einen fantastischen Blick auf den zum Hotel gehörenden Natur-Schwimmteich sowie auf den traumhaft illuminierten Garten, den man schon beinahe als Park bezeichnen konnte. Ebenso sah man von hier aus die prächtige umliegende Bergwelt. Es war zwar bereits dunkel, doch sah man überall Lichter blinken. Auch die ersten Sterne funkelten am Himmel. An den anderen Tischen, die in einem gewissen Abstand aufgestellt waren, saßen ebenfalls festlich gekleidete, fein herausgeputzte Pärchen. Sie biss sich auf die Lippen, hob die Augenbrauen, zwinkerte ihm zu. „Das gefällt meinem reichen Schnösel, gell?“
Uwe schloss die Augen und nickte. „Was trinken wir Schönes, mein Engel?“
Moni hielt Uwes zitternde Hände und streichelte sie. „Such dir was aus. Vielleicht ein schicker Cocktail? Oder ein Aperitif? Welcher Wein passt am besten zum Essen? Du bist der Chef!“ Mit ernster Miene blätterte Uwe durch die Karte.
Schon tänzelte der freundliche Kellner heran und fragte nach, was die Herrschaften zu trinken wünschen.
„Als Aperitif nehmen wir den Prosecco, zur Hauptspeise eine Flasche Sauvignon Quarz aus der Kellerei Terlan und zum Dessert ein Glas Goldmuskateller. Dazu bitte eine Flasche Tafelwasser, medium.“ Der Kellner verbeugte sich ehrfürchtig. „Sehr gerne, mein Herr!“ Moni hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. Von der anderen Seite kam eine junge Bedienung mit einer altmodischen Haube auf dem Kopf und einer weißen Schürze, mit der Frage an Uwe: „Darf ich Ihnen die Vorspeise servieren?“ Er nickte kaum merklich. Moni freute sich aufs Essen, ihr Magen knurrte bereits.
Der Titel der Vorspeise hieß Gemischt Geräuchertes aus Montan und schmeckte sehr lecker. Es handelte sich um hochwertigen, in hauchdünne Scheiben geschnittenen, geräucherten Schinken, Forelle und Lachs. Dazu wurde selbstgebackenes Weißbrot mit Butter serviert. Moni nahm ein Schluck Wasser und überlegt krampfhaft wie sie an so einem herrlichen Abend ein ernstes Gespräch mit Uwe führen sollte. Ab und zu lief ein Gast vorbei und grüßte den Chefarzt überschwänglich.
Die Consommé mit Basilikumnockerln wurde in einer edlen Suppenschüssel mit Goldrand gebracht und schmeckte überragend lecker. „Mhm, Uwe Schatz, das ist ja so köstlich.“ Er schaute zur Seite und nestelte nervös an seinem Hemdkragen. „Ja, findest du das wirklich?“ Moni nickte ehrlich. „Aber natürlich!“
Der Kellner rollte einen mobilen Weinkühler heran. In ihm thronte auf einem überdimensionalen Eiswürfelberg der bestellte Weißwein. Nachdem der Chefarzt einen Probeschluck verkostete und wohlwollend nickte, wurden beide Gläser mit einem winzigen Schluck befüllt.
Jetzt suchte Uwe nach Monis Hände, streichelte ihre Finger einzeln und fragte leise: „Mein Engel, was kommt da morgen auf mich zu?“
„Zuerst möchte ich gerne auf den Friedhof, ans Grab von Herbert. Ich habe einen ortsansässigen Floristen beauftragt, einen Gedenkkranz zu erstellen, Uta hat ihn hoffentlich abgeholt. Danach...“
Sie wurde unterbrochen, denn der Kellner brachte die Hauptspeise: Entrecote vom Biorind mit einer Kräuterbutter, Nusskartoffeln und Mischgemüse. Moni lächelte. „Der Teller so groß wie der Tisch, aber das Essen muss man mit der Lupe suchen.“ Rote Flecken bildeten sich an Uwes Wangen, er biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Pst, nicht so laut.“ Dann aber kicherte auch er.
Nach diesem Gang gab Uwe dem freundlichen Personal zu verstehen, dass sie zu einen Spaziergang aufbrachen. Sofort wurde das Geschirr abgeräumt, der Wein zurück ins Eis gestellt und die Gläser ausgetauscht. Eng umschlungen schlenderten sie auf dem kleinen Pfad entlang, der in einen gewöhnlichen Feldweg überging. An einer Holzbank bleiben sie stehen, sahen in die Ferne. Weit hinten zuckten Blitze über den dunklen Himmel. Moni fragte leise, „Ist das ein Wetterleuchten?“
Uwe zuckte mit den Schultern, „Vielleicht, oder es naht eine Gewitterfront.“ Sie küssten sich lange und leidenschaftlich. Uwe spürte, wie das Verlangen in ihm aufkeimte. Moni bremste ihn, „Uwe Schatz. Hör zu. Ich habe in den letzten Wochen täglich mit Sandra, Andy und Conny telefoniert. Tom, also das ist Andys Mann. Er... er hat eine Immobilie gefunden, der Traum vom Strickcafé wird wahr.“
Uwe ließ sie los, kratzte sich am Kinn und starrte sie entsetzt an. Vorsichtig fragte er: „Was bedeutet das genau?“