Georg und die Mädchen hatten einige Stunden in der Stadtvilla verbracht. Sie schrieben eine Liste, mit all den Veränderungen und Umbauten, die nötig waren, damit Kims Mutter ebenfalls mit einziehen konnte. Die Fläche im Erdgeschoss war mit ca. 130,00 m² riesengroß und auf vier Zimmer verteilt. Vom lichtdurchfluteten Wohnzimmer aus gelang man über die Terrasse in den parkähnlichen Garten. Käthes Augen leuchteten. „Mensch Georg, wir könnten hier ja auch ein paar Hühner und Ziegen halten. Wär das erlaubt?“ „Tja, da müssten wir bei der Stadt nachfragen.“
Kim stand in der Küche und betrachtete die Möbel. „Das hier ist doch viel zu groß für uns, oder nicht?“ „Quatsch, es ist doch super, wenn wir uns ausbreiten können.“ Olga mischte sich ein. „Am besten wäre es, wenn ich euch einen Putzplan erstelle. Sonst wird es hier bald chaotisch aussehen.“ Kim und Käthe starrten sich an, prusteten laut los. „Ja, Olga. Auf jeden Fall wird es hier nicht penibel sauber sein.“
Im ersten Stock wohnte ein Architekt, der auch sein Büro hier hatte. Zwei Mitarbeiter hatte er angestellt und war im Besitz eines Dackels. Er würde rechts vom Haus einen kleinen Anteil vom Garten erhalten. Im Dachgeschoss wohnte im Moment sein Sohn, der in Innsbruck Architektur studierte. Mit den Einkünften der Miete würde sich der Kredit für den Umbau von selbst bezahlen. Der Keller war so geräumig, dass jeder ein Abteil erhielt und die Mädels tatsächlich einen großen Proberaum für ihre Band einrichten konnten. Sie waren restlos begeistert.
Die sanitären Anlagen sollten erneuert und die Zimmer renoviert werden. Georg telefonierte mit den Handwerkern, welche auch in Montan gute Arbeit geleistet hatten. „Wann wäre es Ihnen möglich, mit der Ausführung zu beginnen? Sie haben kurzfristig nächste Woche Zeit? Das ist ja wunderbar. Ich schicke die Mädels vorbei, dann können sie sich Platten, Wanne, Dusche und Armaturen anschauen.“
Vor dem Haus gab es zwei PKW-Stellplätze, eine Seltenheit in dieser Wohngegend. Zu Fuß war man in zwanzig Minuten in der Klinik, am Bahnhof und Käthe an ihrer Schule. Alles in allem: die perfekte Lage.
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Uwe fuhr direkt nach Innsbruck, er wurde bereits sehnsüchtig in der Klinik erwartet. Moni aber freute sich vor allem auf den Hof in Montan. Schon wieder bahnte sich ein kleiner Streit an. „Bestimmt wird es heute sehr spät bei mir!“ Moni zuckte mit den Schultern. „Das ist ja nicht schlimm. Wir waren jetzt so viele Tag am Stück zusammen. Wenn du Feierabend hast und nicht alleine sein möchtest, kommst du einfach auf den Hof.“ „Ach, mein Engel, bleib doch in meiner Nähe.“ „Um was zu tun? Soll ich dir hinterherlaufen und mich langweilen? Lass mich bitte zu meinem Bruno, zu den Kühen und vor allem zu Käthe. Das ist mein Wunsch! Kannst du das nicht verstehen?“
Uwe blieb stumm, stur blickte er geradeaus. Moni erkannte seinen verärgerten Gesichtsausdruck.
„Na toll! Stellst du dir so unsere gemeinsame Zukunft vor? Lass mich doch bitte frei entscheiden, ohne immer gleich verärgert zu sein.“ Uwe schürzte seine Lippen und nickte. „Ja, ok. Es tut mir leid. Wir müssen noch zusammen wachsen. Ich bin eben ein verliebter, eifersüchtiger Gockel und möchte dich gerne immer um mich haben.“ Er lächelte sanft, auch Moni schmunzelte wieder.
„Innsbruck und die Wohnung dort gefallen mir auch sehr gut. Aber mein Hauptwohnsitz möchte ich in Montan haben, das war so besprochen!“
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Die nächsten Wochen und Monate verliefen turbulent und harmonisch zugleich. Montags blieb Moni in Montan, da half sie Rita und Olga beim Kochen oder Backen. Dienstags fuhr sie mit Uwe in die Klinik, damit sie einen Einblick in die einzelnen Verwaltungsabteilungen bekam. Schnell war klar, dass sie sich im Rechnungswesen – Controlling am wohlsten fühlte. Im Büroalltag hatte sie sich gut eingelebt. Durch ihre offene und freundliche Art war sie bei den Kolleginnen und Kollegen beliebt und geschätzt, auch wenn sie die Freundin des Chefs war. Sie ließ diese Tatsache niemanden spüren und wollte deswegen keine Sonderbehandlung. Gerne kümmerte sie sich um die junge Auszubildende, sie erinnerte sie an ihre eigene erste Berufserfahrung.
Oft blieben sie zwei Tage hintereinander in der Innsbrucker Wohnung und fuhren erst abends zurück nach Montan. Der Donnerstag war Monis zweiter Tag auf dem Hof. Entweder half sie Elsbeth in der Käserei oder Franz bei den Kühen. Uwe düste dann wieder alleine Richtung Klinik, oft blieb er bis spät in die Nacht. Er selber litt am meisten darunter. Hatte er seine Moni nicht um sich, zermürbten ihn schreckliche eifersüchtige Gedanken, die ihm das Leben schwer machten. In diesen Momenten wünschte er sich seine große Whiskeyflasche zurück. Doch dank Monis strenger Aufsicht, hatte er seinen Alkoholkonsum sehr reduziert.
Die Wochenenden verbrachten sie abwechselnd in Innsbruck, Montan und Salzburg. Manchmal fuhren sie in Monis Heimat zu den Strickfreundinnen, nach Toblach oder auch mal nach München zu Lina. Immer wieder gab es diese Momente, da wurde es Moni zu turbulent. Dann wünschte sie sich ihr altes, einfaches Leben zurück.
Uwes wunderschöner Hengst Rondo zog in den Stall. Die anderen Pferde akzeptierten ihn sofort. Sein Fell glänzte schwarz und seinen wachen Augen entging keine Bewegung. Wenn Uwe lange Tage in der Klinik hatte, besuchte Moni den Neuankömmling gemeinsam mit Bruno. Zu dritt unternahmen sie kleine Spaziergänge. Uwe hatte ihr gezeigt, wie sie Rondo am besten führte, so dass er spürte, wer der Herr und Meister war. Max und Karl passten gut auf Uwes Pferd auf. Karl half Moni bei der Pflege und beim Füttern. Dass er heimlich in sie verliebt war, bemerkte niemand. Er verhielt sich immer absolut korrekt und zurückhaltend.
Der Umzug von Käthe und Kim in die Stadtvilla verlief entspannt und relativ ruhig. Die Mädels ließen sich dabei alle Zeit der Welt. Käthe besuchte nach wie vor einmal pro Woche die Gesprächstherapie von Hannes. Ihre Fortschritte sah man ihr direkt an. Sie rauchte nur noch selten, vor allem in in stressigen Momenten. Ihre Haut wirkte jung und glatt, die Haare glänzen. Sie wirkte erholt und glücklich.
Moni hatte in Uwes Arbeitszimmer ebenfalls einen PC stehen. So konnte sie sich in den Klinikrechner einloggen und ihre Tätigkeiten auch hier im Home Office absolvieren. Zusammen mit Tina unternahm Moni Wanderungen in die nahe Bergwelt. Dabei erzählten sie sich ihr Leben und daraus entstand eine ganz besondere Freundschaft.
Zu den wöchentlichen Treffen des kleinen Handarbeitsvereins in Montan schaffte es Moni leider höchstens ein zwei Mal im Monat. Sie senkte den Altersdurchschnitt um mindestens zwanzig Jahre, fühlte sich aber trotzdem wohl und herzlich willkommen. Sie strickten, nähten oder häkelten für soziale Projekte. Jedoch auch für den traditionellen, weit über das Dorf hinaus bekannten Weihnachtsmarkt. Es war zwar mitten im Sommer, aber alleine durch die Erzählungen der Älteren freute sich Moni schon jetzt auf die Weihnachtszeit. Das wäre schon das zweite Weihnachtsfest in den verschneiten Bergen. Ein wohliges Gefühl durchzog ihren Körper.