Ein paar Tage später ging es Käthe wieder besser. Sehr gerne stand sie wieder mit Elsbeth in der Käserei. Aufgeregt erzählte sie der guten Seele von den Ereignissen der letzten Tage und Wochen. Morgen schon war der Termin in der Innsbrucker Schule. Sie freute sich unendlich.
Für die Aufnahme dort benötigte Käthe verschiedene Formulare und Zeugnisse. Zusätzlich musste sie einen Fragebogen ausfüllen und auf ihrem Wahl-Instrument einige Stücke vortragen. Noch dazu war eine Art Intelligenztest eingeplant. Kim hatte versprochen, sie an diesem Tag zu begleiten. Käthe plapperte munter drauf los, den kompletten Nachmittag unterhielt sie Elsbeth in der Käserei. „Meine liebes Mädel, ich drücke dir ganz fest die Daumen!“ Sie freute sich ehrlich. Käthe wirkte wie ausgetauscht, ihre schüchterne, zurückhaltende Art hatte sie irgendwo zwischen Wald und den Bergen verloren.
***
Moni und Uwe lagen aneinander gekuschelt im Bett, obwohl es noch recht früh am Abend war, doch der Tag war für beide anstrengend gewesen.
Moni war den ganzen Tag mit den Kühen beschäftigt. Zusammen mit Franz hatte sie die Frühjahrsweide abgesteckt. Die Tux-Zillertaler weideten heute zum ersten Mal in diesem Jahr dort. Uwe hatte lange Gespräche mit der Klinikverwaltung und der Personalabteilung hinter sich. Das schlauchte ihn immer sehr.
Im Hintergrund lief leise Musik, Bruno lag schnarchend auf dem Fußboden. Uwe hätte gerne ein Glas Wein zum Entspannen getrunken, doch Moni lehnte das entschieden ab. „Nein, heute nicht. Es muss auch Tage geben, an denen wir keinen Alkohol trinken, das hatten wir doch so ausgemacht.“ Für Uwe klang das sehr dramatisch. „Bist du aber streng,“ antwortete er beleidigt.
Dafür streichelte Moni seinen Rücken, massierte seine Muskeln. Uwe gähnte, seufzte wohlig, „Mhmm wie schön.“
„Uwe-Schatz, hast du eigentlich irgendeinen besonderen Wunsch beim Sex?“
„Was? Warum? Wie meinst du das?“ Sofort war der Chefarzt verunsichert.
„Naja, einen Männerwunsch eben. Etwas, das du schon immer gerne mal ausprobieren wolltest.“
„Leider weiß ich nicht so recht was du meinst. Stimmt was nicht? Fehlt dir was? Also ich bin sehr mit unserem Liebesleben zufrieden. Noch besser gesagt, ich hatte noch nie in meinem Leben so wunderbaren Sex wie mit dir, mein Engel.“ Seine Stimme überschlug sich beinahe.
Moni lächelte und flüsterte frech: „Haben Männer nicht immer irgendwelche geheimen Wünsche? Eine verrückte, oder wilde Fantasie?“
„Ich nicht!“ Uwe antwortete verärgert, mit einem ernsten Blick setzte er sich auf. Schnell nahm ihn Moni in den Arm. „Ich wollte dich nicht ärgern, es war nur eine Frage, nur so zum Spaß. Ohne Hintergedanken.“
„Nun, da fällt mir ein, Thommy hat mir neulich etwas Schlüpfriges erzählt.“ Er kicherte und kitzelte Moni an den Füßen. „Was ist denn bei dir schlüpfrig?“
„Er hat seiner Resi offenbart, dass er gerne, also vermutlich nur so in seiner Fantasie, also ich bin mir nicht sicher... in einen Swingerclub, das ist so ein Pärchenclub...“
„Hallo! Ich weiß doch was ein Swingerclub ist,“ unterbrach ihn Moni vorlaut, dabei lachte sie ein wenig zu laut.
„Echt?“ Uwe starrte seine Herzdame entsetzt an. „Warum?“
„Wie, warum? Ha, das weiß man doch!“
„Das hört sich ja fast so an als warst du schon einmal in so einem Club. Warst du?“ Moni konnte nicht schwindeln, daher schaute sie Uwe lange an, ihre Mundwinkel fingen an zu zucken, dann prustete sie los.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Aus Uwes Gesicht wich jegliche Farbe.
„Uwe-Schatz es ist tausend Jahre her, ich war jung und neugierig!“ Moni kicherte immer noch.
„Das ist, das ist ja ... mir fehlen die Worte!“ Moni versuchte, ihn mit einem Kuss zu besänftigen, aber er drehte sich schnell weg.
„Bitte, mach doch deswegen jetzt kein Fass auf!“ Moni fand Uwes Reaktion total überzogen.
„Wie soll ich mir das vorstellen, du bist mit Paul oder Herbert, oder womöglich mit einer Freundin in so einen Club hineinspaziert und hast wahllos rumgevögelt?“
Moni schluckte, rang nach Worten. Er stand auf, öffnete die Balkontür, rannte nach draußen, „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Hörte man den liebevollen Chefarzt schreien.
Bruno hatte sich bewachend neben Moni gesetzt und kläffte in die Dunkelheit.
„Schatz, bitte beruhige dich wieder. Wir haben doch beide unsere Vergangenheit, lass es gut sein. Komm wieder rein.“
Wie ein Tier kam er schnaubend hereingeschossen, schlug die Tür mit einem lauten Knall heftig zu, seine Augen blitzten bitterböse. „Warum hast du sowas gemacht?“
„Uwe! Das kann doch nicht wahr sein! Du hast mit dem Thema angefangen, ich wusste nicht, dass du so doppelmoralisch bist!“ Moni war inzwischen ebenfalls verärgert. Was war denn in ihn gefahren?
„Was bin ich? Doppelmoralisch? Spinnst du? Sagamal! Ok, ok, ich bin also ein Langweiler, alles klar! Dann kannst du ja getrost mit Thommy in so einen Scheißclub gehen, da könnt ihr euch ausleben und rumficken!“ Er brüllte inzwischen laut, „Resi würde so was nie im Leben tun!“
Bruno baute sich vor Uwe in aller Größe auf und bellte ihn gefährlich an.
„Bruno! Ruhig, komm her. Uwe, du spinnst volle Kanne“, Moni unternahm einen weiteren Versuch, ihn zu beschwichtigen. „Schatz, komm her, bitte.“ Gerne hätte sie ihren Schatz in den Arm nehmen, aber er blockte ab, schüttelte den Kopf, „Geh weg von mir!“ Er fing an zu toben. Ungläubig, mit Herzrasen starrte ihn Moni an. „Ich bekomme Angst vor dir.“
Mit lautem Gepolter zog sich Uwe Schuhe und Jacke an. Danach stürmte er hinaus in den Hof. Kopfschüttelnd schaute Moni ihm nach, kraulte Brunos dickes Fell. Womöglich war jetzt das ganze Haus aufgewacht.
Der erst große Krach. Aus heiterem Himmel. Einfach so. Sie hörte Uwes Wagen wegfahren. Nach drei Minuten klingelte ihr Telefon.
„Warum?“
„Uwe, bitte ich...“
„Warum? Gib mir sofort eine Antwort“. Seine Stimme überschlug sich, so laut schrie der sonst so Sanfte.
„Es ist so lange her, ich hatte die Gelegenheit und war neugierig. Deswegen.“
Sie hörte nichts mehr, er hatte aufgelegt. Es war inzwischen weit nach Mitternacht, doch sie schaltete die Kaffeemaschine ein.
Nach einer halben Stunde klingelte ihr Handy wieder. Er sagte nichts, sie hörte ihn nur schnaufen. „Uwe, Schatz, komm zurück, ja?“
„Willst du mich denn überhaupt noch? Ich komme mir jetzt vor wie ein dummer Schlappschwanz.“
„Aber warum denn nur? Ich verstehe gerade überhaupt nicht, was mit uns passiert ist. Komm wieder zurück, ich fühle mich einsam.“
„In meinem ganzen Leben habe ich scheinbar noch nie jemanden so geliebt wie dich. Noch nie so gefühlt, ich glaube es ist Eifersucht“. „Das brauchst du doch nicht, ich bin mit dir zusammen und möchte keinen anderen.“
Er legte auf. Von weitem sah sie die Scheinwerfer, beobachtete wie Uwe auf den Parkplatz fuhr. Georg kam aus der Tür. Die zwei Männer hatten einen kurzen Wortwechsel, dann hörte sie seine Schritte auf der Treppe. Völlig fertig stand Uwe an der Tür. Moni drückte ihm eine Tasse Kaffee in die Hand und schüttelte den Kopf. „Du verrückter Kerl, bist du jetzt völlig übergeschnappt?“
„Entschuldige mein Engel.“ Dann fing er an zu schluchzen. Moni streichelte ihn zärtlich, „Es ist bestimmt wegen Susan und Peter. Komm zu mir, beruhige dich. Hör zu! Ich bin nicht Susan! Ich bin Moni, eine ganz treue Seele. Noch nie in meinem Leben bin ich fremdgegangen oder sowas in der Richtung. Bitte, vertraue mir.“
Uwe nickte, blieb schweigsam und ließ sich von Moni ins Bett bringen.
„Wir haben es beide nicht einfach mit unseren Erinnerungen und Vergangenheit. Aber wir haben uns, sind jetzt ein Paar und füreinander da.“
„Mein Engel, ich liebe dich so sehr. Ich habe Angst, furchtbare Angst, dich zu verlieren.“ Er fiel in einen unruhigen Schlaf.