Mit konzentriertem Blick achtete ich sorgsam darauf, die ersten Momente der Karten auf meiner Hand zu analysieren. Die Zahlen und Muster einzuprägen. Die Farben innerhalb weniger Augenblicke aufzunehmen, sodass ich spielend leicht mein gesamtes Handblatt in und auswendig kannte. Fünf Karten im Lauf des Spiels wurden seither ausgeteilt und gespielt. Ich verfolgte den Spielverlauf relativ leicht, erkannte meine Chancen und rechnete die besten davon aus, um dem Sieg noch näher zu kommen.
Immerhin waren es aktuell eine Million, die es zu gewinnen galt.
Scheinbar gelangweilt drehte ich mit der freien Hand das Glas mit Whiskey nach rechts. Langsam, sodass sich die Flüssigkeit darin kaum bewegte. Außer die kleinen Wellen, die ich durch meine Bewegung erzeugte, blieb der Inhalt stehen und ich sah hinein. Ich konnte meinen Haaransatz erkennen, doch dies verriet nichts über meine Gefühle oder meine Taktik. Laut aufstöhnend und schier dramatisch kämmte ich anschließend eine schwarze Locke aus der Stirn und schaute mich um. Rumsitzende betrachteten gespannt das Spiel, während ich durch drei schnelle Blicke meine Gegner bereits analysiert hatte. Ein Mann, Mitte Sechzig, nervös, wenn auch er es zu verstecken versuchte. Der Schweißfilm auf seiner Stirn verriet ihn. Wieso sollte man sonst eine Jacke bei einer Außentemperatur von dreißig Grad anhaben? Amateur. Trotz dieser schlaksigen Gestalt, die fast auseinanderbrechen könnte, so dürr war er, und der sorgenvolle Blick in seinen Augen konnte man die Raubtierhaften Augen von meinem rechten Nebensitzer erkennen. Er rechnete und zählte mit, was eigentlich verboten war. Doch nicht nur ich und er schummelten.
Auch meine linke Nebensitzerin, eine junge Dame Anfang dreißig mit edlem Outfit. Sicher eine gehobene Klasse, doch sie hatte keine Ahnung, wie man richtig spielte. Sie kannte zwar die Regeln und konnte unglaublich gut reagieren und man musste ihr auch zugutehalten, dass sie ein gutes Pokerface besaß. Besser als meines war es allemal. Wäre da nicht ihr Hintermann, welcher ihr durch bestimmte Berührungen beim Mogeln half. Mittels Streicheln und Tippen an der rechten und linken Schulter oder Räuspern oder gar Husten musste die Frau wohl wissen, welche Handkarten ihre Gegner haben. Ein Blick des Hintermanns auf meine drei noch verbliebenen Handkarten, die ich absichtlich ein wenig zu offengehalten hatte. Dann erfolgten die Zeichen, sodass die Frau wusste, welche Zahlen und Farben sich in welcher Reihenfolge auf dem Blatt befanden.
Ich musste nicht mehr draufsehen, denn ich wusste, dass ich keine Chance mit diesen Spielkarten hatte. Vielmehr konzentrierte ich mich darauf, dem Hintermann immer wieder Blicke zuzuwerfen, zu grinsen und zu spielen. Mal mehr nach scheinbarem Zufall, doch vollkommen bewusst, warf ich achtlos Karten in die Mitte, als eine neue Runde ausgeteilt wurde und das Ganze von vorn begann.
Das ging mindestens eine Stunde so, bis man die Summe von zwei Millionen auf dem zu gewinnenden Zifferblatt des Casinos erkennen konnte. Einen Betrag, den es zu gewinnen galt! Ich grinste in mich hinein und meine Augen funkelten schelmisch, als ich meine Karten in den Händen hielt. Nicht das richtige Spielen war meine Stärke. Sondern die Manipulation.
Immer wieder drehte ich das Whiskeyglas und bestellte einen zweiten, obwohl mein Glas noch nicht
leer war. Kurz sah die Dame zu meiner Linken zu mir und konzentrierte sich wieder auf das Spiel.
„Was für eine Verschwendung...“, murrte ich in mich hinein und grummelte ein wenig. Als das Glas gebracht wurde, flüsterte ich der Kellnerin etwas ins Ohr, was sie zum Lächeln brachte. Sie musste kichern. Dass meine Hand die ganz bestimmte Stelle an ihrem Oberteil berührte, was jedoch nach voller Absicht aussah, schien meine Gegenspielerin aufzuregen. Jetzt hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit und der Hintermann kam nicht mehr mit dem Zählen hinterher. Er klopfte ihr einmal zu viel auf die linke Schulter, sodass die Dame kein Wissen über mein aktuelles Blatt mehr hatte. Als die Kellnerin verschwand, ließ mich der Falkenblick meines rechten Nebensitzers keine Sekunde mehr aus den Augen.
„Treib deine Spielchen wo anders, hier spielen wir fair“, knurrte er und forderte mich auf, meinen Zug zu machen. Ich legte eine Karte ab und sah dabei nicht auf mein Blatt. Ein wenig Verwirrung spielte sich in dem hochkonzentrierten Blick des Mannes wieder. Trotzdem und mit einem Lächeln im dürren Gesicht, trieb er die von ihm gewonnenen Chips der Runde ein.
Noch eine Karte hatte ich auf der Hand. Eine Runde.
Und dann wurden alle drei Karten der Reihe nach in die Mitte gelegt. Die Frau legte zuerst und spannte sich an, während der Mann, welcher die letzten Spiele die ganze Zeit gewonnen hatte, ein Lächeln kaum noch unterdrücken konnte. Man könnte meinen, er finge gleich an sich zu feiern und hochjauchzend aufzuspringen. Dumm nur, wenn man die gewonnenen Einsätze auch gleich wieder setzte. Beide warteten auf meinen Einsatz. Ich grinste, legte die Karte jedoch noch nicht ab.
„Ich danke für das interessante Spiel“, sagte ich höflich, als das Licht in dem Casino aus ging und es stockdunkel wurde.
Zwei Sekunden später war das Licht wieder an, ich aber nicht mehr vor Ort. Fünf Minuten später befand ich mich mit dem Geldsack in der Hand auf dem Hausdach des Casinos und wartete auf den Heli meines Kumpanen, welcher mich gleich abholen sollte.
Wer sagte denn, dass ich fair gewinnen würde?