Der Wind spielte mit seinen langen Haaren, die wie Sonnenstrahlen auf ein dunkles Gewand fielen. Elegant umschloss der sanfte Stoff den schlanken Körper, der ganz untypisch für seine Art muskulöse Ansätze hatte. Um dies zu verschleiern, versteckte Asca sich unter dicken Gewändern und Jacken. Unangenehm war es ihm, schier unerträglich, wie er von Umstehenden angestarrt wurde.
„War das alles?“, fragte der Verkäufer brummig und Asca nickte einmal. Er schwieg, wollte mit diesem Gesindel nicht reden und mit ihnen die gleiche Luft einatmen. War es doch schon eine Beleidigung an sich, dass er in diesem menschlichen Dorf verweilte. Verweilen musste. Überleben stand außer Frage, doch dieses einfache wie auch zweifelhafte Hinken von Tag zu Tag schien ihm weder vernünftig noch sonderlich attraktiv.
„Das macht dann drei Gulden“, raunte der Alte hinter der Holztheke und forderte mit winkenden Fingern den Betrag herbei. Asca nahm sich die paar Münzen, die in der Innentasche seines Umhangs verweilten. Die Augen des Verkäufers wurden größer, als er die goldenen Kreise in seiner Hand betrachtete. Asca dagegen drehte bereits um, nahm sich in der Bewegung die Tasche mit gepökeltem Fleisch und Dörrobst und wollte in der Menge verschwinden. Die blitzenden Gestalten von Klein und Groß, Dick und Dünn, Alt und Jung dominierten den Markt, der einzig durch eine zentrale Figur eines ihm unbekannten Reiters als solcher erkennbar war. Diese bunten Gewänder, schreienden Marktleuten und kläffenden Tiere in Käfigen überstrapazierten sein feines Gehör. Das Pochen an den Schläfen mitsamt dem angespannten Schultern trugen zu keinen ruhigen Nachtstunden bei, doch Asca machte weiter. Gerade wollte er einen Schritt tun, da rief jemand.
„Heyda!“, schrie die finstere Stimme des Verkäufers. Asca stöhnte, besann sich zu Ruhe und machte wieder kehrt. Einzig seinen elfischen Genen sei es zu verdanken, dass er nicht mit einer Gruppe rennender Menschen und einem buckligen Zwerg zusammenstieß. Wenn es denn ein Zwerg war und keine hässliche Hexe.
Am Stand angekommen hob er fragend den Blick und erkannte sofort seinen Fehler.
„Wenn du mich vereiern willst, dann gib mir meine Ware zurück!“, forderte der Verkäufer und klapperte mit den Münzen. Elfisches Geld, aus reinem Gold. Das war mehr wert als diese bronzenen Rostscheiben. Doch auf diesem Markt handelte man anders. Nicht wie Zuhause in den Bergen, in denen man von gegenseitiger Unterstützung und Respekt gezollt wurde, und Reichtum an Erfahrung und Wissen gemessen wurde. Asca gedachte an eine Erweiterung seines eigenen Werts, in dem er die Welt bereiste. Doch je länger er bei diesen Völkern verbrachte, desto eher war er geneigt, sich einsam in einem Wald niederzulassen.
„Du bist ein Elf, stimmt´s?“, fragte der Verkäufer und Asca starrte ihn an. Diese hässliche Fratze verzog die wulstigen Lippen zu einem wölfischen Lächeln. „Ahja, sieh an. Euch sieht man selten heutzutage. Pass auf, dein Leben ist wertvoll.“ Er tippte sich an die eigenen Ohren, waren Ascas spitze Enden doch unter der Haarpracht versteckt. Gleichzeitig sah der Alte an Asca hinab, als würde er in Gedanken bereits seinen Leib in Gold abwiegen.
Der Elf warf die Münzen auf die Theke und verschwand tonlos. Das undefinierbare Grunzen hinter sich ignorierte er. Der ekelhafte Geruch von Lust und Tücke allerdings behielt er noch bis abends in der Nase.
Der Tag verstrich mit jedem Atemzug. Das Fleisch war zäh und das Obst derart süß, dass Asca nicht einmal einen Bissen herunterbekam. Die Lichter der brennenden Fackeln der Kleinstadt waren gut auf der Anhöhe zu erkennen. Die Einwohner glichen widerlichen Insekten, krabbelten herum und suchten nach Essbarem. Jede Menschenstadt war gleich fremd. Menschen waren grausam seltsame Geschöpfe. In den Bergen seit Geburt zu leben war eine so friedvolle Szenerie, dass sich Asca diese dunkle Seite der Welt niemals angeschaut hätte, hätte er von Gier, Hass, Argwohn und Eigennutz gewusst. Wissen war eben nicht alles. Die Hand wühlte geistesabwesend auf dem Boden, ein kleiner Käfer krabbelte auf der Haut. Der Elf spürte jede Bewegung der winzigen Füßchen.
Dann sah Asca auf das Dorf wieder hinab und verzog die Lippen. Sein Amulett pochte auf der Brust wie ein Eigenleben. Mit einem Atemzug vertrieb er sich die düsteren Gedanken, doch je länger er hier saß, je länger er Menschen sah und wusste, dass sie auf der Welt verweilten, desto eher kam der Gedanke von Verderbtheit auf.
Was wäre, wenn man diese Menschen auslöschen könnte? Das Krabbeltier summte auf dem Handrücken. Asca betrachtete die kleinen Flügel, die winzigen schwarzen Knopfaugen.
„Wie Ungeziefer“, flüsterte er. „Zu mehr sind sie nicht fähig.“
Schneller, als das Tier wegfliegen konnte, drehte Asca das Handgelenk und schnappte sich das Insekt. Die Faust umschloss das hilflose Tier. Ein Zucken war noch zu spüren. Es kämpfte ums Überleben, versuchte, aus dem festen Griff zu entkommen.
In ihm wuchs etwas. Ein Plan, ein Keim böser Macht.
„Und genauso leicht zu töten.“
Asca drückte zu. Der Käfer war tot.