Ein weiterer Schritt trug er seinen Leib umher. Diese Hitze der immer noch strahlenden Sonne brannte ihm die Haut weg, während kleine Tierchen unter seiner Haut einen Juckreiz verursachten. Doch die mittlerweile stumpfen Fingernägel waren derart abgekaut, dass man die obere Schicht nur noch abschaben könnte. Die Haare klebten an der Haut, der Schweiß klebte die Kleider an seinem Körper fest. So sehr zitterte der Mann unter dem Schock, unter welchem er immer noch zu leiden drohte. Würde er diesen, seinen Fehler, je verarbeiten? Oder nicht?
Der Blick wich vom Boden, die trüben Augen fixierten einen schwammigen Punkt über ihm. Waren das etwa Wolken? Nein, ein Kopfschütteln berichtigten seine Gedanken. Das war ein Vogel, welcher sich in der windlosen Wüste dem stetigen Windhauch entgegenstreckte. Ja sicherlich, ein Vogel, sicher ein Göttergleicher, welcher ihm gleich helfen würde.
Die Dünen erstreckten sich in der endlosen Weite, während das Auf und Ab seines Kopfes seine Orientierung beeinträchtigte. Der einzige Punkt, den der einst so stolze Mann helfen könnte, war ein Strahlender, welcher ihn zur Blindheit treiben würde. Er hatte hineingesehen, und sich an dieser Wärme erfreut. Die Götter hatten ihm die Hitze geschenkt, er musste nie mehr frieren. Nur, wenn der Tag sein Ende nahm und er sich weiter abmühte, wagte er zu fluchen und zu toben. Doch nun, so hoch wie das sonnige Geschenk in der Höhe sich erstreckte, würde der einstige königliche Berater es nicht wagen, die Stimme zu erheben. Es stand ihm nicht zu, solch hochwürdigen Geschenke wie das Leben wegzuwerfen und sich über den Umstand zu beschweren, dass er diesen Putsch überlebt hatte. Ihm war die Flucht gelungen, seiner Tochter dagegen nicht. Und nun…
Nun war er inmitten des Nichts, inmitten der von den Göttern geschaffenen Welt. Keine Seele hatte er die letzte Zeit gesehen. Ob es Wochen, oder gar nur Tage waren, vermochte er nicht zu sagen. Zeitrechnung wie auch Nahrung waren etwas, dass er sich als Luxus nicht gönnen konnte. Wie auch, wenn ihm nicht mal Wasser vergönnt war? Wieso war er denn überhaupt geflohen, wieso hatte er sich nicht gestellt? So feige war er gewesen, dass er dem Tod nicht ins Auge blicken konnte.
Ein Schrei entfuhr seiner trockenen Kehle. Mehr glich es einem Röcheln. Nein, verdammter!
„Oh ihr Götter, gebt mir ein Zeichen! Wenn ihr mich nicht sterben lasst, dann lasst mich nicht verkümmern!“
Muskeln verkrampften plötzlich, die Knie wurden weich. Der lange teure Mantel, nun nicht mehr als ein verschwitzter Stück Stoff, verfing sich an den Füßen, sodass er fiel. Mit den Knien voraus spürte er den groben Sand auf der Haut.
Sofort durchschoss ihn ein weiterer Schmerz. Sein Keuchen aus der staubtrockenen Kehle tat mehr weh, als seine eigene Stimme, sein verdammtes schlechtes Gewissen, in seinem Kopf hallte. Kein Laut entfuhr ihm mehr, als der Kopf auf dem Boden aufkam. Der Blickwinkel verstellte sich, alles wurde unscharf und unerkennbar. Wenn man in einer Welt voller Sand überhaupt etwas erkennen konnte. Waren das dunkle Schemen am Horizont? Wieso wurde ihm kalt, wenngleich zuvor das Feuer selbst in ihm brannte?
„Würdet, Oh Ihr Götter, mir keine Chance mehr geben, meinen Fehler wieder gut zu machen?“, dachte er. „Sei es denn, nur unter vielleicht neuem Namen meinem verkümmerten Leben wieder einen Sinn zu geben?“ Die Schemen bewegten sich nicht mehr, wie auch er nichts mehr verstand.
So schlossen sich die Augen, das Schwarz umschlang den ausgemergelten Leib, den Verstand, bis er nichts mehr empfand. Außer, dass die innere Unruhe und der innere Frieden in einem stetigen Kampf miteinander stritten, ob er schnell oder grausam gehen dürfte.
Nachdem die Sonne untergangen war, sah mal den leuchtenden Sternenhimmel. Das strahlende Himmelblau wich den rötlichen Tönen bis hin ins dunkle Blau. Bis der Mond seinen Zenit erreicht hatte, lag der Mann nach wie vor an Ort und Stelle. Die Temperaturen waren gesunken, doch der einstige Berater bewegte sich nicht mehr. Eine dunkle Gestalt in Form eines Fuchses schlich sich an diesen heran, umkreiste ihn, berührte ihn. Während sich ein sanfter Nebel um den Leib hüllte, lächelte der Fuchs.
Kleine strahlende Leuchtpunkte aus den Tiefen des menschlichen Leibs kamen von den halb geöffneten Lippen hervor. Der Mund war zu einem Lächeln geformt, die Augen geschlossen.
„Schlaf“, sagte die sanfte Stimme des Fuchsgeistes. „Werde eins mit dem Kreislauf des Lebens und hüte über deine Könige, wie auch sie über dich wachen. Deine Tochter braucht dich. Und sie sucht dich.“
So flogen die Punkte leicht gen Himmel den Sternen entgegen.