CN: Erwähnung von Suizid, Blut, Tod
-------------------------------------------------------------------
Nervös tänzelte Maylene umher, drehte mit ihrem Finger die Locken ihrer blonden Haare zwischen den Fingern und schaute immer wieder zu Boden, als sie ihn vor sich hatte. Ihre Linke grub sich in den Stoff ihres Rocks, den sie extra für diesen Moment gekauft hatte. Ihr war er eigentlich zu kurz, aber mit der Strumpfhose würde die Fünfzehnjährige sicher reifer und schöner aussehen als mit ihrem üblichen zu weiten Klamotten. Einzig der Kapuzenpulli stammte aus ihrem Kleiderschrank, auch wenn sie ihn selten trug. Er war ein wenig zu eng, deshalb wurden ihre Rundungen mehr betont.
„Ja?“, fragte ihr Gegenüber und wartete auf eine Reaktion von Maylene. Gott, wieso war sie nur so schüchtern? Also holte die Blondine tief Luft, ließ ihre Strähne los, die sogleich in ihre Ursprungsposition an ihrer Wange zurückfiel. Doch dies kümmerte sie nicht, auch wenn sie das augenblickliche Kitzeln an ihrer blassen Haut störte.
„Würdest du mit mir am Wochenende ins Kino gehen?“, fragte sie, ihren ganzen Mut zusammennehmend, laut genug zu sprechen und ihn damit zu erreichen. Henry blinzelte überrascht und musste sich wohl eingestehen, von Maylene niemals so etwas erwartet zu haben. Doch dieser Typ Mann, der immer so locker und cool wirkte, der richtig nett und aufmerksam war, war leider in der falschen Clique. Und das wurde Maylene klar, als sie die Frage gestellt hatte.
„Ins Kino? Mit dir?“, fragte jemand hinter ihm, die ihre Gitarrentasche schultere und bereits wieder gehen wollte, bevor Maylene auftauchte. „Wieso sollte er mit einem solchen Miststück wie dir ausgehen?“ Dieser Kommentar kam von Mary, seiner Freundin. Oder Ex, wie man es auch betrachtete. Sie waren in der gleichen Band, deshalb hingen sie wohl noch zusammen ab.
Dennoch krallte sich Maylene nicht mehr schüchtern an ihre Kleidung, sondern ballte die Fäuste, lächelte zögerlich und schaute in dieses Gesicht aus wunderhübschen blauen Augen an mit langen Wimpern und von Natur aus getönter Haut. Der Augenblick wurde weiter zerstört, als der Dritte der Gruppe seinen Senf dazu gab.
„Alter, lass das mal. Das ist die...du weißt schon.“ Auch wenn das Flüstern ihre Gefühle nicht verletzen sollte, krachte es in ihr zusammen, als würde man sie erschießen. Henry drehte sich zu seinem Kumpel Francis um und schaute schief. Dieser sah ihn schräg an. „Weißt du das nicht?“ Er schüttelte stumm den Kopf. Francis schüttelte ebenfalls den Kopf, während Mary kicherte, als wäre sie auf Drogen.
„Es gab letztes Jahr doch so einen Vorfall in der Schule. Weißt du nicht mehr, als das Mädchen tot aufgefunden wurde? Man hat behauptet, dass es ein Suizid war.“ Henry nickte und erinnerte sich wohl wieder. „Ja, das war in Ferienzeiten, die ganze Schule war leer gewesen. Doch irgendwie hat man zwei Schülerinnen gesehen, wie sie das Gebäude betreten hätten. Eines davon ist zu Tode gekommen. Ganz zufällig.“
Maylene hielt den Mund, biss die Zähne zusammen, um ihr Geheimnis nicht einfach auszuplaudern. Wenn die wüssten, dass diese Mitschülerin eigentlich SIE hätte töten wollen. Doch die Dämonenjägerin war zum Glück noch rechtzeitig gekommen, um den größten Schaden zu verhindern.
„Henry, lass dieses...“, doch der Junge hob die Hand und gab damit den beiden ein Zeichen zu gehen. Francis klopfte stumm seinem Freund auf die Schultern, während Mary zum Abschied nur schnaubte. Als beide außer Hörweite waren, holte Henry zum ersten Mal Luft und antwortete auf ihre Frage.
„Wieso lügst du mich an?“, fragte er in seiner tiefen Stimme. Maylene wurde augenblicklich rot und sah ihn an wie ein erschrockener Hase. Er kam die paar Schritte auf sie zu, die sie trennten. Sie konnte nicht weiter zurück, hinter ihr war die Mauer, die das Schulgelände umrahmte. Die Kühle spürte sie zu spät an ihrem Rücken, ihre Hitze in ihrem Körper überrannte sie. Ihr war viel zu warm in diesem Pulli, der doch eigentlich nur ihre Waffe verstecken sollte.
Doch Henry war ihre große Liebe. Sie war ihm verfallen, seit sie in der Mittelschule war. Zögerlich schaute sie in seine Augen, als er sich zu ihr runterbeugte und nur Zentimeter blieben, bevor sich ihre Lippen treffen könnten. Er flüsterte etwas Unverständliches und zu spät bemerkte sie, wie sie sich nicht mehr bewegen konnte. Tränen rannen ihr übers Gesicht, als sie langsam begriff.
„Meinst du, mich anzulügen würde dich attraktiver machen, Jägerin?“ Maylene erstarrte, als seine Hand an ihrem Rücken die Waffe erstastete und mit festem Griff fixierte. Sie hätte jede Chance gehabt, zu entkommen. Ihre frühe Ausbildung hatte ihr gelehrt, dass sie sich leicht aus diesem Griff hätte befreien können. Doch niemals hätte sie gedacht, dass dieses Meerblau sich in Etwas Dunkles verwandelte. Das Schwarz übernahm selbst seine Pupillen, als sie nichts als Finsternis darin sah. Doch ihre Gene als Dämonenjägerin hatten sie nicht gewarnt, ihre Sinne waren stumm geblieben. Nicht mal ihr Instinkt sagte ihr aktuell, dass das wahrhaft Böse vor ihr stand. Sie stand wie vom Donner gerührt da. Wie ein erschrockenes Reh.
„Luzifer“, hauchte sie, während er triumphierend lächelte. „Ganz recht.“ Er kam ein wenig näher, während seine Lippen ihre streiften.
„Ich gebe dir ein Tipp, kleine Jägerin.“ Er lachte ein wenig, als er ihren Pullover hochschob, die Pistole aus ihrem Holster nahm. Sie spürte, sie seine Fingerspitzen ihre Haut berührten. Hitze explodierte in ihrem Inneren. Sie konnte nichts tun, auch wenn sie ihre Muskeln anschrie, sich zu bewegen. Wieso war sie nur so schwach? Wieso war sie in diese Falle geraten?
„Man legt sich nicht mit mir an. Aber ein netter Versuch, mit dem Kino.“ Er hatte gedacht, das wäre einen Fall gewesen? Maylenes Augen weiteten sich, als ihre eigene Waffe auf sie gerichtet wurde. Sie blickte direkt in die Rohrmündung „Ich wäre gerne mit einem Mädchen ohne jegliches Selbstvertrauen ausgegangen, das macht immer vieles spannender. Aber diesen Trick kauft dir keiner ab. Nicht einmal diese dummen Menschen.“
Maylene konnte nicht wegsehen, als der Finger sich wie in Zeitlupe krümmte. Ein Schuss erklang, Blut spritzte. Sie zitterte immer noch, stützte sich an der Mauer ab, als Luzifer reglos vor ihr am Boden lag.