„Das muss wirklich schrecklich sein, oder?“ Das zischende Lachen des Generals suchte mich wieder Heim. Er hörte sich wie das Kratzen von Krallen auf Stein und doch so abgehackt wie spaltende Holzscheite.
„Jeden verdammten Tag, an dem du gelebt hast, verflucht von allen und gemieden von jedem, selbst von Gott verlassen. Wie fühlt es sich an, so zu sterben?“ Wie es sich anfühlte? Meine schwachen Glieder hingen am Holzkreuz. Das Kruzifix als Symbol einer unsichtbaren Übermacht sollte meine Sünden reinigen, mich reinigen, meine Seele reinigen. Doch welche Seele würde sich darauf einlassen, wenn man hintergangen worden ist?
Der General lachte wieder auf, den brennenden Stab aus Holz bereits in der Hand. Eine Bewegung und ich würde nicht mehr leben. Jeder Atemzug brannte in der Hölle, jeder Augenaufschlag nur eine weitere vergangene Sekunde, meine Qualen zu verlängern. Selbst der Verstand, einst so scharf und klar, die Muskeln stark und unantastbar, selbst der Blick so direkt und stur. Davon war nichts mehr übrig. Nichts hielt mich an dieses irdische Leben, nicht einmal mehr meine Tochter, die so weinte am Rande des Platzes. Ich konnte ihre Tränen spüren, ihr Klagelied singen. Sie sang meines. Sie würde leiden nach meinem Ableben und ich würde sterben.
Endlich.
Die Finger bewegten sich leicht, als ich meinen Kopf hob. Der Morgen graute, als die Sommersonne mich begrüßen wollte. Die Menschenmenge, die in Scharen mich leiden sehen wollte, presste ihre Leiber gegeneinander. Es war kaum mehr ein freier Platz zu sehen, so sehr drängten sie um den besten Platz. Wie der Tod auch sie bald umfing, wussten die armen Bürger noch nicht. Bald, so bald würde man ihnen Schwert und Schild in die Hand drücken. Es stand Krieg bevor.
Mein letztes Gebet an mich, an mein Volk, an meine Tochter, folgte im Stillen. Meine Zeit war gekommen. Meine spröden Lippen verzogen sich, es tat weh. Unendlich weh. Der letzte Lufthauch, der sich in meine Lungen presste, strengte den ganzen Körper an. Doch es musste sein.
„Ich liebe dich, Katarina!“ Mein Schrei hallte durch den Platz wie ein Sturm, so augenblicklich hefteten sich alle Augenpaare auf mich. Auch die ihren, meiner Tochter. Meine stolze kleine Tochter. Mein Mädchen. „Ich habe euch verraten müssen! Sonst wäre dein Leben verwirkt gewesen.“
Die Kraft schwand, meine Glieder hingen nun schlaff in den Seilen. Ich sah nichts mehr, der Kopf hing nur noch an dem Genick. Bald werde ich endlich…endlich frei sein. Drei Wochen waren viel zu lang für meine dreißig Jahre.
Das Zischen eines brennenden Strohhaufens erregte meine letzte Aufmerksamkeit. Ich lächelte.
Mit geschlossenen Augen sagte ich leise: „Ich komme wieder, mein General. Und werde dich finden. Dich leiden lassen. Dich töten. Das Versprechen gebe ich dir hier und heute!“
Dann kroch Rauch in meine Lungen, die Welt drehte sich. Schwarz.