„Joey! Ruf diese verdammten Hunde nochmal an! Sag ihnen, dass sie noch genau 60 Sekunden Zeit haben, hier aufzukreuzen! Ansonsten hat sich der Deal erledigt! Verstanden?“
„Klar und deutlich!“
Carlos Weathering brummte unzufrieden. Ihm war von vornherein nicht wohl dabei gewesen, Geschäfte mit der Helgado-Familie zu machen. Aber sein Boss meinte, dass sie die besten Abnehmer für ihre Waffen wären, da die Familie ein ganzes Drogenimperium zu schützen hatte. Und da die Helgados lieber auf Gewalt denn auf Finesse setzten, waren Waffen für sie die perfekten Werkzeuge.
Während er seinen Gedanken nachhing, ließ er seinen Blick ein weiteres Mal unauffällig durch den Lagerraum gleiten. Das Lagerhaus stand weit Abseits an der Grenze zur Stadt und war in Vergessenheit geraten. Geradezu perfekt für Waffen- und Drogendeals aller Art. Die Luft war muffig und abgestanden, Fliegen drehten ihre Runden durch den großen Raum, und nach dem Gestank zu urteilen war Carlos sicher, dass ein Hund hier regelmäßig seine Geschäfte erledigte.
„Sie sind gleich da!“, rief Joey aus dem hinteren Ende des Lagers, wo ein kleiner Tisch mit einem Festnetztelefon stand.
Carlos erwiderte nichts sondern richtete seinen Blick stur auf das große, offen stehende Tor vor ihm. Seine Aufpasser hatten bereits Stellung bezogen und waren bereit, jederzeit einzugreifen, sollte der Deal schieflaufen oder unvorhergesehene Störungen auftreten.
Dann sah er eine schwarze Limousine vor dem Tor halten. Der Fahrer stieg aus und öffnete die hintere Tür. Aus dem Auto stieg ein Mann, den man dank seiner Statur und Behaarung leicht mit einem Grizzlybär hätte verwechseln können. Nur wäre das dem Bären gegenüber echt unfair gewesen, da dieser weitaus schlauer war als Delzin Helgado, Sohn und Laufbursche von Ernesto Helgado, dem Oberhaupt der Helgado-Familie.
Delzin zog sich seinen Mantel fester um den Körper und betrat mit zwei seiner Leute die Lagerhalle. „Carlos, hm? Ich hatte mich schon gewundert, mit wem ich wohl heute das Vergnügen haben würde. Vergnügst du dich immer noch mit den Mädchen von der Straße?“
Carlos zuckte nur mit den Schultern und ignorierte das selbstgefällige Grinsen seines Geschäftspartners. „Was machen deine fünf Exfrauen? Ziehen sie dir noch immer den Unterhalt aus den Taschen?“
„Mittlerweile sind es schon sieben, Carlos! Du bist wohl nicht mehr auf dem neusten Stand, was?“
„Gelinde gesagt ist mir das auch ziemlich egal. Wir sind beide hier, weil unsere Bosse uns das aufgetragen halten. Also wie wäre es, wenn wir den Smalltalk stecken lassen und gleich zum Geschäft kommen?“
„Gute Idee“, stimmte Delzin zu und rümpfte die Nase. „Der Gestank hier ist ja unerträglich.“
„Er kam mit dir dazu“, stichelte Carlos ein wenig nach und schnipste einmal.
Joey pfiff laut und ließ einen weißen Van vorfahren. Carlos öffnete die Kofferraumtüren und gab die Sicht auf aufeinandergestapelte flache Holzkisten frei.
„Eure Bestellung. M16, AK-47, MP5 und weitere Waffen mit ausreichend Munition, um selbst die Army auf den Mond zu schießen.“
„Sehr gut.“ Delzin wies einen seiner Männer an, zum Van zu gehen, doch Carlos stellte sich ihm ihn den Weg.
„Nicht so schnell. Erst will ich sehen, ob du deinen Teil der Abmachung auch einhältst.“ Dem finsteren Blick des Laufburschen vor ihm hielt er ohne große Probleme stand.
„Also gut. Zeig ihm das Geld, Nizza.“
Der Laufbursche brummte etwas, drehte sich dann wieder um und holte eine schwarze Tasche aus dem Kofferraum der Limousine. Diese warf er Carlos vor die Füße.
„Du kannst nachzählen, es ist alles da“, versicherte Delzin.
„Oh, da bin ich mir sicher. Aber ich werde es trotzdem überprüfen lassen.“ Carlos wies Joey mit einer Geste seiner Hand an, den Inhalt der Tasche zu kontrollieren.
Unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen beiden Parteien aus, während der Geldzähler die Scheine überprüfte.
„Es ist alles da“, bestätigte Joey nach einer beinahe endlos langen Zeit.
„Gut, dann kommen wir jetzt zum Geschäft“, sagte Carlos ruhig und bat Delzin an seine Seite.
Gut einen Kilometer entfernt, abseits der Straße, stand ein unauffälliger, schwarzer Van.
„Haben wir eine Bestätigung?“
„Ja, Agent Wellsh. Es handelt sich um Delzin Helgado und Carlos Dacone.“
FBI-Agentin Wellsh schaute gebannt auf den Monitor, welches die Ergebnisse der Gesichtsabgleichungen zeigte. „Wir müssen warten, bis sie den Deal bestätigen. Ansonsten haben wir nichts gegen sie in der Hand. Und diese Drohne nimmt das alles auf?“
„Ja“, bestätigte Benedikt, der Technikfreak, den das FBI Wellsh zur Seite gestellt hatte. „Die Drohne sieht aus wie eine Fliege und kann unbehelligt den Raum auskundschaften, solange sie niemandem zu nahe kommt.“
„Wieso, was passiert sonst?“
„Naja, was machen Sie mit einer Fliege, die Ihnen zu nahe kommt?“
„Verstehe.“
Agentin Wellsh war der Helgado-Familie schon seit Jahren auf den Fersen, doch nie hatte sich so eine gute Möglichkeit ergeben wie dieser Deal. Endlich würde sie die ein ranghohes Mitglied der Familie dingfest machen können. Dadurch würde Ernesto Helgado in Zugzwang geraten und anfangen, Fehler zu machen. Zumindest hoffte sie das.
„Ich glaube, es ist so weit“, unterbrach Benedikt ihre Gedanken und deutete auf den Monitor.
Wellsh beobachtete, wie Delzin, anscheinend zufrieden, nickte und Carlos die Hand schüttelte. Damit war der Deal abgeschlossen.
„Jetzt haben wir sie!“, rief Wellsh und griff nach ihrem Funkgerät, um die auf Standby stehenden Einheiten zu kontaktieren. „Zugriff! Zugriff!“