Sie stand am Fluss und trank etwas von dem Wasser, welches sich dank des großen Gewässers in den Bergen weit entfernt durch das Tal zog. Verdächtige Geräusche drangen in ihre Ohren, die sie vorsichtig spitze. Sie hielt inne und lauschte. Gefahren gab es überall, und sie wusste, sie musste vorsichtig sein.
Lautes Schreien drang durch die Büsche und über das weite Land, und mit Schrecken sah sie, wie ihre Familie und Freunde vor etwas flüchteten, das sie nicht ausmachen konnte. Dann sah sie den Verfolger, den sie nur allzu gut kannte. Ein Schauer ging über ihren Körper, ihr Herz raste, als sie sich in Bewegung setzte. Sie musste ihre Familie erreichen, sie beschützen, das war das Einzige, an das sie jetzt denken konnte.
So schnell sie konnte hetzte sie über den trockenen Boden, sprang über Büsche und Steine hinweg und holte langsam auf.
Wild entschlossen holte sie alles aus sich heraus und sprang dem Verfolger mit Wucht in die Seite. Beide rollten verkeilt über den Boden, mit hektischen Bewegungen versuchte sie sich zu befreien, während der Feind, den sie aufhalten musste, sie festzuhalten versuchte. Sie wandte sich in seinem Griff und schaffte es, sich zu befreien. Sofort ergriff sie die Flucht, doch in die andere Richtung, weg von ihrer Familie und zurück zum Fluss, aus dem sie gerade noch Wasser geschöpft hatte. Ihr Herz raste, ihre Lungen brannten, und das Adrenalin pumpte durch ihren Körper. Sie wusste zwei Dinge: Ihr Verfolger war auf Dauer schneller als sie, es gab kein Entkommen durch einfaches Rennen. Und ihr Verfolger hasste tiefes Wasser. Sie hatte über die Jahre hinweg genug Zeit gehabt, ihn zu beobachten. Und immer, wenn er sich ans Wasser wagte, ließ er Vorsicht walten.
Sie rannte einen weiten Bogen ins Tal hinein, zu dem See, in den der Fluss mündete. Ihre Kräfte verließen sie langsam, doch sie musste durchhalten. Wenn nicht, das war ihr klar, würde das ihr Ende sein.
Ein Blick zurück reichte aus um zu sehen, dass ihr Verfolger aufholte. Schnell aufholte.
Doch der See war nahe, und kurz bevor sie das Wasser erreichte, wurde sie langsamer. Ihr Verfolger machte einen Satz auf sie zu, doch sie wich ihm aus, und er landete im tiefen See. Jaulend und fluchend versuchte er sich an der Oberfläche zu halten und an Land zu kommen, doch sie verlor keine Zeit und setzte sich wieder in Bewegung. Sie war erschöpft, der Schreck saß noch immer tief und sie atmete schwer, doch sie musste wieder zurück zu ihrer Familie.
„Am Ende konnte die Antilope also ihrem Verfolger durch eine einfache List entkommen“, sagte der Großvater und schloss das Buch mit den Geschichten.
„Nochmal, nochmal!“, riefen seine beiden Enkel. Sie liebten diese Geschichte.
„Ein anderes Mal ihr beiden. Jetzt ist Schlafenszeit.“ Er deckte seine Enkel zu, ging zur Tür und schaltete das Licht aus. „Und nehmt euch vor den Löwen in Acht.“