Teil 1:
https://belletristica.com/de/books/18745-fingerubungen/chapter/83225-das-artefakt
Teil 2:
https://belletristica.com/de/books/18745-fingerubungen/chapter/84515-das-artefakt-teil-2
Verflucht, ich muss hier weg!
Noch immer rannte Stresa durch den dichten Wald. Mittlerweile war es dunkel geworden, und die Dämonen hatten sich aus ihrem Schlaf erhoben. Nun machten sie sich auf die Jagd nach ihrer Beute, und Stresa war durch ihre Magie besonders auffällig.
Sie wusste, dass die Dämonen blind waren, doch sie konnten die Magie in allen Lebewesen und Dingen wittern.
Der Regen, der ebenfalls eingesetzt hatte, verwischte langsam alle Spuren, die sie zu Siniel führen sollten.
Die Angst ließ ihr Herz krampfen, während die Erschöpfung ihre Lungen brennen und ihre Beine weich werden ließ. Kann ich ihn überhaupt noch finden?
Diese Zweifel wischte sie schnell zur Seite, in die hinterste Ecke ihrer Gedanken. Sie konnte sich nicht erlauben zu zweifeln. Stresa wollte fest daran glauben, dass sie ihn wiederfinden konnte. Und dass er sie wieder mit in den Turm begleiten würde. Was auch immer seine Strafe sein wird, ich werde bei ihm sein.
Stresa erlaubte sich eine kleine Pause. Sie lehnte sich an einen Baum und legte die Arme schützend um ihren Körper, als der kalte Wind zwischen den Bäumen hindurchfuhr und auf sie traf.
Und wie finde ich den Weg zurück? Dieser Gedanke durchfuhr sie unerwartet, aber sie bemerkte erst jetzt, dass sie keinerlei Überlegungen angestellt hatte, wie sie wieder zum Turm finden sollte. Vielleicht kennt Siniel ja den Weg? Er wird ihn sicher kennen.
Sie wusste, dass sie sich mit diesen Gedanken nur einreden wollte, dass alles wieder gut werden würde. Aber für sie war es besser als die Zweifel nach vorne zu stellen. Sie wollte, dass alles wieder gut wurde, was auch immer sie dazu tun musste.
Stresa horchte in den Wald hinein, doch bis auf den Wind, der die Äste rascheln ließ, und den Regen, der auf die Büsche und den Boden prasselte, konnte sie nichts hören. Dabei waren bis vor kurzem die unverkennbaren Laute der Dämonen so nahe gewesen. Wo sind sie hin?
Nach der kurzen Pause lief Stresa weiter. Der Regen hatte beinahe sämtliche Spuren Siniels weggespült, doch hier und da gab es kleine Anzeichen, dass vor Kurzem jemand dort entlang gekommen sein musste. Ob es Siniel war, ein Tier oder gar einer der Dämonen, das konnte Stresa nicht sagen. Lediglich ihr Glaube an das Gute ließ sie hoffen, dass es Spuren ihres Freundes waren.
Nach zirka zwei Kilometer fand ihre Suche dann ein jähes Ende.
Sie brach mit einem raschen Tempo durch ein Gebüsch und blieb dann schlitternd stehen. Der Wald hatte sich gelichtet, und vor Stresa erhob sich eine meterhohe Ruine.
Vorsichtig und mit klopfendem Herzen näherte sie sich dem Eingang. Über die ganze Ruine waren Ornamente in den mit Moos und Farn bewachsenen Stein gemeißelt. Wenn Stresa sie richtig deutete, musste es sich um eine Ruine aus den Tagen der Elfen handeln.
Die Elfen sind seit mehr als fünfhundert Jahren von der Welt verschwunden, dachte sie, während sie ehrfürchtig mit den Fingerspitzen über den Stein fuhr. Etwas in ihr wollte nicht glauben, was sie hier entdeckt hatte, und musste sich davon überzeugen, dass die Ruine keine Einbildung oder eine magische Täuschung war.
Weiter vorne sah die junge Magierin Fackelschein, und obwohl sich ihr Körper zu weigern schien, setzte sie einen Fuß vor den anderen, tiefer in die Ruine hinein.
Sie folgte dem dunklen Gang, bis sie schließlich auf eine Art großen, kreisrunden Platz trat. Was heute durch wild wachsendes Gras, Moos und Farn überwuchert war, musste einst ein schöner, blühender Garten gewesen sein. Überall waren Flächen angelegt, die wie Beete aussahen, und knorrige Bäume reckten sich in den Himmel empor.
In der Mitte der Anlage entdeckte sie Siniel.
Er stand in einem Kreis aus Fackeln, die ihr warmes Licht ausstrahlten. Vor ihm baute sie in Gebilde auf, welches Stresa nicht richtig erkennen konnte von ihrer Position aus.
Langsam und vorsichtig schlicht sie sich an Siniel heran, drückte sich an einen der großen, morschen Bäume und spähte um ihn herum.
Dann erkannte sie, dass ihr Freund vor einer Art Statue stand. Er hielt sich die Hände an den Kopf, sein gesamter Körper zitterte, und ein leises Wimmern war zu hören.
Oh nein, Siniel! Was ist mir dir?
Panik machte sich in ihr breit. Sie wusste nicht was sie tun sollte. So jedenfalls kannte sie ihren sonst so liebevollen und gut gelaunten Freund nicht. Aber was passiert, wenn ich mich ihm jetzt nähere?
Unschlüssig blieb sie hinter dem Baum stehen. Doch als Siniel plötzlich aufstöhnte und auf seine Knie fiel, ging ein Ruck durch Stresas Körper, der sie direkt auf Siniel zueilen ließ.
„Siniel!“, rief sie, doch ihr Freund reagierte nicht darauf. „Siniel! Antworte mir, Siniel!“
Gerade, als sie zwischen den aufgestellten Fackeln hindurchgehen wollte, erfasste eine Welle der Magie sie und warf sie nach hinten. Mit einem lauten Aufschrei landete sie auf dem Rücken, der Aufprall raubte ihr die Luft.
Trotz der Panik und Angst, die ihren Körper zum Wegrennen veranlassen wollten, stemmte sie sich wieder auf die Beine. Ich werde dich da raus holen, Siniel!
„Bleib weg von ihm, Kind!“, rief eine vertraute Stimme hinter Stresa, kurz, bevor sie Siniel wieder erreicht hatte. Ungläubig wandte sie sich um und erblickte Belthor, den Vorsitzenden des Magierrates.
„Meister, was …? Wie seid Ihr hierher gekommen?“
Erst da bemerkte sie die vermummten Gestalten, die sich bereits in der Anlage verteilt hatten und sich wie Stresa vorher Siniel langsam näherten.
Sie haben die Dämonen von mir ferngehalten, während sie mir durch den Wald gefolgt sind!
Bevor Stresa handeln konnte, packte etwas Mächtiges sie und hob sie vom Boden hoch. Sie strampelte und wehrte sich gegen den Griff, doch sie konnte ihn nicht lösen, was auch immer sie versuchte. Die unsichtbare Hand ließ sie durch die Luft gleiten und stellte sie vor Belthor ab.
Stresa wollte sich umdrehen und wieder zu Siniel laufen, doch der Magier legte eine Hand auf ihren Schulter und ließ ihren Körper erstarren.
„Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste, Kind“, sagt er leise. „Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich diesem Wesen näherst.“
Wesen?
„Aber er ist mein Freund!“, begehrte sie auf und stellte gleichzeitig fest, dass sie das zum ersten Mal laut sagte.
„Eure Verbindung ist unübersehbar, Kind. Aber der Junge da vorne ist nicht mehr der Siniel, den du kanntest.“
„Was soll das heißen? Er steht doch da! Siniel!“, rief sie voller Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen. Ihr starrer Körper war direkt in die Richtung ihres Freundes ausgerichtet. Sie konnte sehen, wie er am Boden lag und sich dort wandte. Dabei schrie er lauthals. Dieser Anblick trieb ihr die Tränen in die Augen.
Dann nahm sie eine Bewegung in ihrem Augenwinkel wahr, und sah kurz darauf Belthor, wie dieser langsam an ihr vorbeiging. Er näherte sich Siniel sicheren Schrittes, und kurz bevor er die Fackeln erreichte, die Stresas Freund weiterhin umringten, löste sich erneut eine magische Welle.
Doch Belthor hielt dieser stand. Er hob einen Arm und wehrte die Welle mit seiner eigenen Magie ab.
Was darauf folgte, konnte Stresa sich nicht erklären. Es wirkte auf sie, als sei die fremde Magie erregt, oder eher aufgebracht, dass der fremde Magier ihr standhalten konnte. Welle um Welle schickte sie aus, doch auch diesen Angriffen hielt Belthor stand.
Dann ebbten die Wellen ab, und die Fackeln, die vorher noch warmes Licht in die Anlage geworfen hatten, wechselten plötzlich die Farbe. Anstatt der gelb-orangen Flammen sah Stresa, wie diese eine grün-schwarze Färbung annahmen. Die Luft um sie herum kühlte sich merklich ab, und nur Siniel wurde noch durch das unheimliche Licht der Fackeln beleuchtet, während die Anlage um sie herum langsam in zunehmender Dunkelheit versank.
„Zeigt Euch, Elf!“, rief Belthor plötzlich.
Stresa erschrak, als sie sah, wie Siniels Körper sich zu bewegen begann.
Langsam, mit unnatürlichen Bewegungen, richtete sich Siniel auf. Für die junge Magierin sah es aus, als würde jede Bewegung ihrem Freund Schmerzen verursachen.
Doch als Siniel sich langsam zu ihnen umdrehte, überkam Stresa die blanke Angst.
Über Siniels Gesicht verliefen elegant geschwungene, schwarze Linien, die seinen Augen zu entspringen schienen. Das, was vorher Weiß war, stach nun in einem tiefen Schwarz hervor, und seine einst fröhlichen, blauen Augen hatten nun das bedrohliche Grün angenommen, welches auch von den Fackeln ausgestrahlt wurde.
Siniel, oder zumindest sein Körper, streckte sich. Dabei löste seine Robe sich oben herum und offenbarte seinen nackten Oberkörper, der ebenfalls von diesen ihr unbekannten Linien übersät war.
Dann fiel Siniels Oberkörper ein Stück weit nach vorne, und als nur der Kopf sich erhob, umspielte ein grässliches Lächeln seine Lippen.
„Seid Ihr schlussendlich doch noch gekommen“, grollte das Wesen, welches in Siniels Körper steckte. „So lange habe ich auf diesen Moment gewartet.“
„Wir werden Euch dahin schicken, wo ihr hergekommen seid, Elf!“, antwortete Belthor und zeigte dabei anklagend auf das Wesen.
„Ihr?“ Der Elf schaute sich um, lachte laut auf und breitete seine Arme aus. „Ihr und welche Armee?“
Stresa, die noch immer durch Belthors Zauber gelähmt war, konnte nur ungläubig zuschauen.
Was hat dieser Elf nur mit dir gemacht?
Sie spürte die Tränen an ihren Wangen hinabfließen. Oh, mein Siniel.
Der Elf riss einen Arm nach oben, und die Fackeln, die ihn umringten, schossen plötzlich in die Luft. Sie ließen sich auf dem Dach der Anlage nieder. Es knisterte leise, als die magischen Energien sich entluden und eine Art Kuppel über der Anlage formten.
„Jetzt wird Euch niemand mehr zu Hilfe eilen können, Mensch“, zischte der Elf und zeigte ein spöttisches Lächeln. „Nicht, dass es Euch etwas gebracht hätte.“
„Wir haben die Elfen schon einmal besiegt! Dann werden wir wohl auch mit einem Vertreter Eurer vergessenen Art fertig werden.“
„Besiegt?“, begehrte der Elf auf und schaute Belthor scharf an. „Vertrieben habt ihr Menschen uns! Ihr seid wie eine Krankheit, die sich immer weiter auf dieser Welt ausgebreitet hat! Ihr Menschen habt uns den Lebensraum Stück für Stück genommen!“ Die Stimme des Elfen wurde immer lauter. „Dachtet ihr wirklich, dass wir uns nicht irgendwann wehren würden?!“
„Alles Lügen!“, hielt Bethor dagegen, doch für Stresa klang das eher nach einer schwachen Erwiderung.
„Und vergessen?“, fuhr der Elf fort. „Wirklich? Ich glaube nicht. Denn dieser Junge hat sich doch sehr für uns interessiert. Hat uns zugehört und verstanden.“
Ihr habt ihn ausgenutzt!, schrie Stresa in ihren Gedanken. Die Angst vor dem Wesen verbot es ihr, den Elf auf sich aufmerksam zu machen.
„Genug geredet! Es wird Zeit, Euch ein Ende zu setzen“, rief Belthor, und die Jäger, die sich bereit gehalten hatten, begannen ihre Angriffe.
Magische Energien zuckten durch die Luft, Blitze prallten auf Schilde, Flammen züngelten über den Boden und durch die Anlage, erleuchteten mit ihrer Kraft die Umgebung lichterloh.
Doch der Elf erwies sich als stärker, als Belthor angenommen hatte.
Einen Jäger griff er mit seiner Magie, hob ihn an und zerquetschte ihn, um seine Leiche auf die anderen zu werfen. Im selben Augenblick beschwor er einen schwarz schimmernden Speer, mit dem er einen anderen Jäger aufspießte, der ihm zu nahe gekommen war.
„Lächerlich!“, rief der Elf laut lachend, während Stresa voller Entsetzten beobachten musste, wie ein Jäger nach dem anderen dem Elf zum Opfer fiel.
Letztendlich wich sämtliche Hoffnung aus Stresas Geist. Ich habe ihn verloren. Ich habe Siniel verloren.
Zuletzt standen noch zwei Jäger und Belthor selbst dem Elf gegenüber. Die Magier waren sichtlich angeschlagen und erschöpft, während der Elf noch frisch wirkte und auf den nächsten Angriff lauerte.
Einer der Jäger sprang mit einem Schwert vor, täuschte einen Angriff an und wich dann kurz vor dem Treffer zur Seite aus.
Ein magischer Blitz, geschleudert von Belthor selbst, zuckte an dem Jäger vorbei, doch der Elf hatte den Trick schon durchschaut. Er hob seine Hand und lenkte den Blitz auf den Jäger, der mit voller Wucht getroffen wurde und in einer Aschewolke verging.
„Seht, was ich mit euch jämmerlichen Menschen anstellen werde“, grollte der Elf, hob den letzten Jäger hoch und zog ihn zwischen sich und Bethor.
Der Jäger strampelte mit den Beiden und versuchte vergeblich die Umklammerung zu lösen. Dann begann der Kopf des Jägers sich von selbst immer weiter zu drehen. Die Augen des Menschen wurden groß vor Schreck, er gab einen gequälten Schrei von sich. Es knackte laut, als das Genick des Jägers brach, doch der Kopf drehte sich immer weiter. Der Körper des Menschen zuckte und gab unnatürliche Laute von sich, bis der Kopf sich vom Körper trennte und zu Boden viel. Der Körper folgte ihm direkt.
„Ihr habt keine Chance, Mensch“, lachte der Elf. „Dafür werden die Elfen ihre Rache bekommen.“
Doch Belthor brüllte nur laut eine Wut hinaus und griff mit allem was, was seine Reserven hergaben.
Stresa musste die Augen schließen. Die beiden Energien trafen flackernd und krachend aufeinander, und keiner wollte auch nur ein Stück an Boden verlieren.
Die Luft in der Anlage wurde immer dicker, es roch nach verbranntem Fleisch und Tod.
Dann ging ein erneuter Ruck durch ihren Körper. Belthors Magie hatte versagt, sie konnte sich wieder bewegen. Doch sie wollte es nicht.
Während die beiden Feinde auf Leben und Tod kämpften, sackte Stresa schluchzend auf die Knie. Siniel! Siniel! Nur der Name ihres Freundes ging ihr durch den Kopf, zusammen mit allen Erinnerungen an ihn und dem Wissen, ihn für immer verloren zu haben.
In ihrem tiefsten Inneren wollte sie nicht glauben, dass Siniel auf ewig verloren war. Doch sie musste es sich eingestehen. Wut und Verzweiflung mischten sich zu ihrer Trauer, der Zorn flackerte immer weiter in ihr auf.
Sie wusste, dass sie als Schülerin keine Chance gegen den Elfen hatte. Es war ihr egal, was mit ihr passieren würde. Sie spürte, dass sie den Lebensmut verloren hatte. Sollte der Elf doch mit ihr anstellen, was er wollte. Ihr Geist war bereits gestorben.
„Siniel, hör auf!“, brachen die Emotionen in einem lauten Aufschrei aus Stresa heraus. Ihr Schrei hallte durch die Anlage, und der Elf drehte kurz den Kopf in ihre Richtung. Verwirrung stand in seinen Augen, während die Augen kurz von Grün auf Blau flackerten.
Diesen Moment nutzte Belthor, sammelte seine restliche Energie in einen Angriff und ließ sie auf den Elf los.
Der Elf wurde mit voller Wucht von der Magie getroffen und eingehüllt. Ein schrecklicher, unmenschlicher und wütender Schrei erfüllte die Anlage.
Der Körper des Elfen wandte und krümmte sich, sackte auf die Knie und verging dann in einer gewaltigen Explosion.
Die Druckwelle erfasste auch Stresa und warf sie quer durch die Anlage. Hart prallte sie mit dem Rücken gegen den Baum, hinter dem sie sich kurz zuvor noch versteckt hatte. Kraftlos fiel sie mit dem Gesicht voran auf den Boden und blieb liegen. Sie konnte ihre Beine nicht spüren, aber das war ihr egal. Ihre Gedanken hingen noch ihrem Freund nach, dem sie nie gestanden hatte, was sie wirklich für ihn empfunden hatte. Sie fühlte, wie ihr Geist daran zerbrach, wie sich ein bodenloser Abgrund in ihr auftat, genährt durch Enttäuschung, Verzweiflung, Angst und Wut.
Dann wurde sie ohnmächtig.
„Meisterin, Ihr hattet gerufen?“
Stresa schaute auf und sah die junge Schülerin im Eingang zu ihrem Büro stehen.
„Ah, ja. Ich bräuchte einmal deine Hilfe, Hannah.“
„Natürlich“. Die Schülerin kam direkt zu ihr. „Wie kann ich helfen?“
„Könntest du mich bitte einmal zum Friedhof bringen?“, fragte Stresa und nahm einen Strauß Blumen von ihrem Schreibtisch. „Ich muss dort heute jemanden treffen.“
„Wie Ihr wünscht.“
Die Schülerin griff an Stresas Stuhl, an dem zwei große Räder und eine Haltestange befestigt waren, und schob sie aus dem Büro hinaus.
Seit dem Vorfall vor zehn Jahren war sie an diesen Stuhl gefesselt, und auch nach all der Zeit hatte sie sich daran nicht gewöhnt. Sie mochte es nicht, von anderen abhängig zu sein, war aber froh, dass es Schüler gab, die auch freiwillig ihre Hilfe angeboten hatten.
„Woran habt Ihr gearbeitet?“, fragte die Schülerin neugierig.
„Elfenmagie“, antwortete Stresa abwesend. „Und ihre Gefahren.“
„Kommt das im Test dran?“, fragte Hannah unsicher. „Das hatten wir noch nicht.“
Stresa lächelte milde. „Natürlich nicht. Noch nicht jedenfalls.“ Bald werde ich die letzten Geheimnisse enthüllt haben, dachte sie und legte die Hand auf ihre Brust. Unter der Robe konnte sie das Artefakt spüren, welches vor so vielen Jahren so viel Unglück über sie und Siniel gebracht hatte.
„Dort vorne“, sagte Stresa und deutete auf ein gut gepflegtes Grab, welches beinahe direkt am Eingang zum Friedhof stand.
Hannah schob sie zum Grab, und während Stresa die Blumen davor legte, las die Schülerin den Namen auf dem Grabstein.
„Wer war dieser Siniel? Kanntet Ihr ihn gut?“
„Ich hätte ihn gerne besser gekannt“, antwortete Stresa traurig. „Aber vielleicht wirst du auch bald seine Geschichte hören.“
Hannah nickte, doch Stresa wusste, dass die Schülerin nicht verstanden hatte – oder gar nicht verstehen konnte – was sie wirklich gemeint hatte.
Stresa schloss kurz die Augen und legte eine Hand auf den Grabstein. Du wirst immer bei mir sein, Siniel.
„Du kannst mich jetzt zurück in mein Büro bringen, Hannah.“
Es wartet noch viel Arbeit auf mich.