CN: Gewalt
Hao Feng lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück und betrachtete das Geld, welches vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Dem Tag der Auszahlung hatte er bereits seit Wochen entgegengefiebert. Endlich war es ihm möglich, seine Geschäfte auch auf den Hafen und den Flugplatz auszuweiten.
Natürlich hatte die Razzia vor ein paar Wochen ein kleines Loch in die Einnahmen gerissen, doch Hao wusste schon genau, wie er dieses wieder stopfen würde. Die Übernahme des Hafens bedeutete, dass er seine Rauschmittel nun auch ins Ausland bringen konnte, wo es einen sehr großen Markt für diese Waren gab. Dort würde er sich ein reiches Näschen verdienen und sich gemütlich zur Ruhe setzen.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, zählte er bereits die Tage bis dahin. Über Jahre hinweg hatte er sich sein kleines Imperium aufgebaut, nachdem er lange selbst nur ein Laufhund für die großen Tiere im Geschäft gewesen war. Doch diese Zeiten waren nun endgültig vorbei.
Von draußen hörte er das Lachen seiner Männer, die ihre Anteile zählten. Und das war auch nur richtig so, denn so konnte er sich darauf verlassen, dass sie ihm loyal blieben. Das war es, worauf es ihm ankam. Denn wenn er die Zeit bis zu seiner Pension überleben wollte, brauchte er erprobte Leute, die dafür sorgten. Und aus zuverlässigen Quellen hatte er erfahren, dass kein anderes der Kartelle mehr Geld würde anbieten können um ihn zu hintergehen. Das stimmte Hao ruhig.
„Hier sind nochmal zwei Millionen“, sagte einer der fünf Zähler, die in seinem Büro saßen und das Geld auf ihre Echtheit überprüften.
Natürlich hätte Hao Feng auch mit Falschgeld arbeiten können, aber was gab es schöneres, als echtes Geld in solchen Summen zur Verfügung zu haben?
„Wunderbar, immer her damit“, rief Hao glücklich und lachte, während seine Gedanken wieder zu der Zeit seiner Pension abdrifteten.
Vielleicht ein Haus am Strand? Mit einem Helikopter, einer schönen Yacht und schönen Frauen, so viele ich nur haben will.
Bei dem Gedanken musste Hao leise lachen. Es hörte sich so klischeehaft an, doch allein die Vorstellung, dass dies eines Tages möglich wäre, beglückte ihn.
Hauptsache ich habe meine Ruhe.
Von jetzt auf gleich verstummte das Lachen, welches Hao von draußen gehört hatte. Dafür drang das wohlbekannte Geräusch eines Schusswechsels an seine Ohren und ließ ihn nervös werden.
„Was ist da los? Was geht da draußen vor?“, verlangte er zu wissen und wies einen seiner Männer an, die Tür zu öffnen und nachzuschauen.
Der Mann nickte und eilte, mit seiner Waffe im Anschlag, zur Tür. Er öffnete sie, spähte kurz hinaus und knallte die Tür direkt wieder zu. Schwer atmend drückte er sich an die Wand, sein Gesicht war leichenblass. „B-Boss, das ist einer der Detectives von der Razzia! Der richtet da draußen ein Blutbad an!“
„Was? Wie ist das möglich?“ Wütend schlug Hao mit der flachen Hand auf den Tisch, einige Geldscheine flatterten durch die Luft und vielen zu Boden. „Dann haltet ihn auf, verflucht nochmal! Na los!“
Fieberhaft dachte Hao Feng nach, wie es dem Detective möglich gewesen sein konnte, ihn zu finden. Seine Männer bewaffneten sich derweil, sogar die Geldzähler schnappten sich ein paar Waffen und machten sich bereit. Dann fiel Hao siedend heiß ein, wer als einziger dafür verantwortlich sein konnte.
Wütend griff er zum Telefon und wählte eine Nummer, die er in letzter Zeit viel zu häufig hatte anrufen müssen. Es dauerte kurz, dann meldete sich der Polizeipräsident.
„Ihnen habe ich das doch zu verdanken!“, wetterte Hao los, bevor der Mann auf der anderen Seite der Leitung überhaupt etwas sagen konnte.
„Nun mal ganz ruhig, Mister Feng. Vergessen Sie nicht, mit wem Sie hier sprechen“, mahnte der Polizeipräsident.
Doch Feng war das gleichgültig. „Sie haben mir diesen irren Detective auf den Hals geschickt! Pfeifen Sie ihren Hund sofort zurück!“
Zur Antwort erntete Hao ein gelangweiltes Lachen. „Nein, Mister Feng. Das haben Sie sich ganz allein zuzuschreiben. Ich habe sie vor der Razzia gewarnt. Sie hatten Zeit genug um von dort zu verschwinden. Aber sie wollten unbedingt eine Schießerei mit der Polizei. Macht Sie das etwa geil?“
Hao Feng schäumte vor Wut, seine Finger krallten sich so fest um den Hörer, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Sie haben mich beschissen, von vorne bis hinten! Die Warnung vor der Razzia kam gerade einmal zwei Minuten, bevor die Bullen meine Türen aufgebrochen und meine Räume gestürmt haben! Das haben Sie doch alles so eingefädelt!“
„Denken Sie, ich würde mich für einen Hund wie Sie so eine Mühe machen? Also bitte.“ Der Polizeipräsident seufzte vernehmlich. „Ich habe Sie die Drogengeschäfte in die Hand nehmen lassen, weil ich mir dachte, dass ein armseliger Jammerlappen wie Sie keine große Arbeit verursachen würde. Aber sie mussten ja unbedingt den Partner des gefährlichsten Detective der Stadt erschießen. Das, was sie jetzt erwartet, ist ganz allein Ihre Schuld.“
Bevor Hao noch etwas sagen konnte, hatte der Polizeipräsident bereits aufgelegt. Ungläubig starrte Hao Feng auf den Hörer und legte ihn langsam auf. In diesem Moment gab es eine laute Explosion in der Küche. Die Druckwelle riss die Tür auf, welche durch die Wucht jedoch gleich wieder zugeworfen wurde. Doch der Augenblick hatte dem Drogenboss gereicht. Er hatte seine Männer gesehen, die brennend und schreiend durch den Raum liefen. Seine Gedanken überschlugen sich, während das Geld, welches vorher auf den Tischen gelegen hatte, verirrt durch den Raum flatterte. Einige der Scheine waren durch die enorme Hitze der Explosion angesengt und unbrauchbar.
Erst da fielen Hao die beiden Männer auf, die sich noch mit ihm im Raum befanden. „Was zum Teufel macht ihr noch hier? Seht zu, dass ihr diesen Irren erledigt!“
Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun?, dachte Hao panisch, während die beiden Männer sich vor ihm postierten und blind mit ihren Gewehren durch die Tür schossen, als die Türklinke sich plötzlich bewegte.
Ein kurzer Schimmer der Hoffnung durchflutete den Geist des Drogenbosses.
Sie haben ihn sicher erwischt!
Er wollte gerade den Befehl zum Nachschauen erteilen, als plötzlich von der anderen Seite der Tür aus Kugeln in seinem Büro einschlugen. Schutz suchend ließ er sich hinter seinen Schreibtisch fallen. Die beiden Männer wurden von den Kugeln durchsiebt und schlugen auf dem Boden auf. Hao hörte nur das leise, gurgelnde Röcheln von einem der sterbenden Männer, bevor die Tür krachend aufflog und die Leichen seiner Beschützer durch den Raum rollten.
Vorsichtig blickte Hao Feng über die Kante seines Schreibtisches und da sah er ihn: Den Detective, der die Razzia vor einigen Wochen geleitet hatte. Komplett in Schwarz stand er dort in der Tür, wie eine Art Rächer aus den Comics. Er blutete aus zahlreichen Wunden, sodass es Hao wie ein Wunder vorkam, dass dieser Mann noch aufrecht stehen konnte. Sogar ein Messer steckte ihm in einem Arm.
W-Was ist das für ein Kerl?
„H-Hören Sie“, begann Hao mit zittriger Stimme. „D-Das muss doch alles nicht so e-enden. Hier.“ Er griff nach dem Geld auf dem Schreibtisch und bot es dem Mann an, der sich ihm langsam näherte. Hao kam es so vor, als würde der Detective seine Worte gar nicht hören. „N-Nehmen Sie es ruhig. Alles, wenn Sie wollen!“
Doch egal, was er versuchte, der Man reagierte nicht. Stattdessen trat der Detektiv neben ihn, presste den Kopf des Drogenbosses mit Gewalt auf den Schreibtisch und drückte ihm die Pistole an die Schläfe.
Hao kreischte panisch auf. Sein Körper zitterte vor Angst. Ausgerechnet jetzt kamen ihm die letzten schönen Gedanken an seine Pension in den Sinn, und wie weit diese nun in die Ferne rückten. „B-Bitte nicht! Wir können uns doch s-sicher einigen, oder?“, versuchte er noch einmal um Gnade zu betteln.
Doch dann löste sich der Schuss aus der Pistole. Die Kugel schoss quer durch Hao Fengs Kopf und beendete das Leben des Drogenbarons.