Ramirez konnte gerade noch rechtzeitig hinter der Hauswand in Deckung gehen, als der feindliche Beschuss auf die niederprasselte.
Den ganzen Tag kämpfte sein Trupp sich schon durch die Stadt. Sie hatten Straßen von den Rebellen gesäubert, deren Nester ausgehoben und strategisch wichtige Zufahren gesichert.
Vorsichtig spähte er um die Ecke, das Sturmgewehr fest an seinen Körper gedrückt, damit nicht zufällig ein Teil seiner Ausrüstung zu weit aus der Deckung hervorragte. Bei den Granaten, die er bei sich trug, konnte sowas schnell schiefgehen. Was er dort sah, ließ seinen Mut sofort sinken.
„Scheiße, Ramirez, was ist da los?“
Die Stimme in seinem Ohr kam von Hector Chavez, seinem Truppführer und besten Freund sein Kindheitstagen.
Ramirez schaute schnell zur anderen Straßenseite, wo Hector, zusammen mit ein paar anderen Soldaten des Trupps, ebenfalls hinter einem Haus in Deckung gegangen war.
„Die haben da einen beschissenen Panzer auf der Straße stehen!“, fluchte er über Funk.
„Wo zur Hölle haben die einen Panzer her?“ Die Frage des Truppführers ging beinahe im Lärm unter, den das schwere MG auf dem Dach des Panzers verursachte, während die Kugeln in ihre Deckung einschlugen und ganze Stücke aus den Hauswänden herausrissen.
„Woher soll ich das wissen? Gekapert vielleicht? Scheiße, ich kann nicht mal sehen, was für einer das ist, so viel Staub wirbelt das Ding auf! Aber wir müssen an dem Scheißteil vorbei!“
„Hast du auch einen Plan, wie wir das anstellen sollen?“
„Ich hätte vielleicht einen, wenn du mich mal kurz in Ruhe nachdenken lassen würdest!“
Ramirez ging in einem Kopf zahlreiche Möglichkeiten durch. Doch er musste sie alle verwerfen, denn sie hatten keine Ahnung, ob der Panzer alleine war oder ob noch andere Rebellen auf der Straße auf dem Vormarsch waren.
„Und wenn wir ihn von hinten angreifen?“, schlug Hector plötzlich vor.
„Nein! Das wäre Selbstmord! Wir wissen nicht, was in den Gassen los ist und ob da nicht noch andere Überraschungen auf uns warten!“
„Hast du denn eine bessere Idee?“ Hector mochte es ganz und gar nicht, wenn er Ramirez seine Pläne über den Haufen war, vor allem, wenn er damit auch noch Recht hatte.
„Ob sie besser ist weiß ich nicht, aber was hältst du von einer MQ-9?!“ Ramirez griff in seine Tasche, zog ein Tablet hervor und hielt es so hoch, dass Hector es von der anderen Seite der Straße aus erkennen konnte.
„Eine Reaper?!“, schnappte der Mann aufgebracht. „Bist du verrückt? Die wird den ganzen Block zur Hölle jagen!“
„Wir brauchen nur eine Paveway, um den Weg freizumachen!“
„Und wer soll den Panzer mit dem Laser anvisieren?“
„Das mache ich! Hinter mir ist ein Seiteneingang ins Haus. Ich gehe hoch und werde das Ziel von oben markieren. Ihr müsst den Panzer nur von mir ablenken!“
„Das ist doch wohl ein Scherz! Du weißt, was beim letzten Einsatz mit einer Reaper passiert ist!“
„Reitest du etwa noch immer darauf rum?“, rief Ramirez aufgebracht. „Du weißt, dass ich nicht Schuld daran war! Aber die Technik hat sich seitdem verändert!“
Hector zögerte mit seiner Entscheidung.
Ramirez wusste, dass sein Freund den Befehl dazu nicht geben wollte. Nicht nach dem, was vor einigen Jahren in dem Dorf passiert ist, dass Hector und er, zusammen mit ein paar anderen Männern, aus der Hand eines Warlords befreien sollten. Aber Ramirez sah keine andere Wahl. Der Panzer musste beseitigt werden, und das war ihre beste Chance.
„Aber beeil dich!“, rief Hector durch den Funk und seufzte. „Und bete dafür, dass dieses Mal alles gut geht.“
Ramirez machte sich sofort auf den Weg in das Haus. Zur Sicherheit hatte er zwei Soldaten als Schutz mitgenommen, die ihm den Rücken decken sollten.
Zusammen mit ihnen ging er vorsichtig durch das Treppenhaus und stieg die Stufen hinauf, bis er im fünften Stock angekommen war. Auf dem Weg dahin hatten sie einige Rebellen ausschalten müssen, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten. Sie waren durch den Vordereingang in das Haus gekommen und wollten es zur selben Zeit besetzen, als Ramirez mit seinen Leuten sich auf den Weg gemacht hatten.
Er trat die Tür zu einer verlassenen Wohnung ein und sicherte diese mit seinem Team. Zwischenzeitlich hatte er über Funk bereits die Drohne angefordert.
Geduckt lief er zu einem Fenster und spähte hinaus.
Unten auf der Straße konnte er den Panzer stehen sehen, der mit seinem MG Hector und die anderen unter Beschuss nahm.
„Passt auf, dass niemand in die Wohnung hier kommt“, befahl er seinen Männern und wischte sich mit seinem Arm den Schweiß von der Stirn.
Ihm war ebenfalls nicht wohl, die Drohne einsetzen zu müssen, aber er sagte sich immer wieder, dass sie keine andere Wahl hatten.
Von seiner Position aus konnte er auch erkennen, dass er mit seinen Bedenken Recht behalten hatte. Die Rebellen hatten sich neu formiert und sicherten die Straße, während der Panzer ihnen Deckung gab.
Ramirez nahm den Laserpointer vom Tablet und öffnete vorsichtig das Fenster einen Spalt breit, damit der Laser nicht auf das Glas der Scheibe, sondern auf den Panzer traf. Dabei achtete er darauf, keine Geräusche zu verursachen, und auch seine Bewegungen waren langsam und bedächtig.
„Ich hoffe, ich hatte auch Recht, was die Technik betrifft“, murmelte er leise und sandte ein Stoßgebet in Richtung Himmel. Dann aktivierte er den Laser, um die Bombe, die gleich fallen würde, auf die richtige Position zu lenken. Ohne den Laser würde sie ungelenkt in Richtung Boden fallen und wäre so nicht für präzise Angriffe zu gebrauchen.
Sein Blick huschte unruhig über den Himmel, und nur wenige Sekunden, nachdem er den Laserpointer aktiviert hatte, sah er die Bombe fallen.
„Nur noch etwas weiter“, raunte er sich selbst zu.
Als er sicher war, dass die Bombe treffen würde, sprang er auf und lief aus der Wohnung.
„In Deckung!“, rief er dabei, und die zwei Männer folgten ihm sofort.
Kurz darauf folgte der Einschlag.
Die Detonation ließ das gesamte Gebäude erbeben. Wände fielen in sich zusammen, Scheiben zerbrachen und es gab eine ohrenbetäubende Explosion.
Ramirez und seine Männer hielten sich in der Mitte des Treppenhauses auf. Staub rieselte von den Wänden, von weiter oben fielen größere Brocken aus der Decke den Schacht des Treppenhauses hinab.
Als sich die Lage wieder beruhigt hatte, machten sie sich zusammen auf den Weg nach unten, wobei sie über einige eingestürzte Wände und andere Hindernisse klettern mussten. Unten angekommen, warteten bereits Hector und die anderen Soldaten der Truppe auf sie.
„Gut gemacht“, begrüßte der Truppführer ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter, doch sein Gesicht blieb dabei ernst. „Aber ich bleibe dabei, ich setze diese Drohnen nur ungern ein.“
„Verständlich. Aber dieses Mal war es nötig. Und es ist gut gegangen.“ Dass er selbst Zweifel gehegt hatte, verschwieg Ramirez dabei lieber.
„Gut, dann alle sammeln und weiter vorrücken“, befahl Hector im gewohnt scharfen Ton.
Ramirez folgte ihm an zweiter Stelle und hoffte, dass der Tag nicht noch mehr solcher Überraschungen für sie bereithielt.