CN: Schwangerschaftsabbruch
Ungeduldig tippte Enja mit ihren Fingern auf die polierten Tischplatte und schaute auf ihr Handy.
Wo bleibt er denn bloß?
Sie hatte bereits drei Nachrichten an ihren Verlobten geschickt und gefragt, wo er steckte, doch bisher noch keine Antwort erhalten. Er konnte doch die gemeinsame Zeit mir ihr unmöglich verpassen wollen. Es war für beide schon schwer genug, überhaupt gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen.
Rico war Officer bei der Polizei und konnte jederzeit zu einem Einsatz gerufen werden. Enja hingegen musste ihren wahren Beruf selbst vor Rico verschleiern. Nach außen hin gab sie sich als tüchtige Sekretärin im städtischen Rathaus, wo sie auch tatsächlich arbeitete. Jedoch nicht im Büro irgendeines Beamten, sondern in einem Geheimraum tief unter der Erde. Dort führte sie eine Task Force, die sich auf Terrorismus und den interkontinentalen Waffenhandel spezialisiert hatte.
Da hat die Regierung mal mitgedacht. Wer würde die Zentrale solch einer bedeutsamen Operation schon unter dem Rathaus einer gewöhnlichen Stadt vermuten?
Die Arbeit für die Sondereinheit verlangte oft von Enja, dass sie ins Ausland reiste und Terroristen von ihren niederen Machenschaften abhielt. Dabei musste sie ihrem Verlobten gegenüber immer wieder neue Ausreden erfinden, weshalb sie erneut ans andere Ende der Welt fliegen musste.
Das Vibrieren des Handys und das Aufleuchten des Displays zogen Enjas Aufmerksamkeit auf sich. In großen Buchstaben zeigte sich der Name ihres Verlobten darauf.
„Wo steckst du denn?“, fragte sie ungehaltener als gewollt, nachdem sie den Anruf angenommen hatte, und räusperte sich. „Ist alles in Ordnung?“
„Es tut mir wirklich leid!“, entschuldigte Rico sich sofort. „Das Netz ist ausgefallen und der Bus steckte im Stau. Ich bin gleich bei dir.“
„Komm in den zweiten Stock, von den Rolltreppen aus kannst du mich dann schon sehen.“ Nach einer kurzen Verabschiedung legten beide auf.
Enja lehnte sich zurück und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen, etwas von der angestauten Anspannung fiel ihr von den Schultern. Ihr Job brachte die unangenehme Nebenwirkung mit sich, dass sie sich ständig unter Beobachtung fühlte. Wenn die falsche Person herausfand, wer Enja wirklich war und was sie machte, wäre nicht nur sie in Gefahr. Ihre Erfahrungen lehrten sie, dass die andere Seite nicht davor zurückschreckte, die Familie und nahestehenden Personen der Agenten zu bedrohen.
Das werde ich nicht zulassen!
Gedankenverloren ließ sie ihren Blick über die zweite Etage des Einkaufszentrums gleiten. Trotz des Gefühls der ständigen Beobachtung wollte sie es sich nicht nehmen lassen, ein normales Leben zu führen.
So normal wie es halt eben geht.
Enja beobachtete die Menschen um sich herum und sah andere Paare jeder Altersklasse, die Hand in Hand durch das Zentrum bummelten und sich neugierig die Angebote in den Schaufenstern anschauten. Eis- und Hotdogverkäufer standen an den Fahrstühlen und Rolltreppen und verkauften eifrig ihre Waren. Meist an überglückliche Kinder, die mal zu zweit, mal in Gruppen herumtollten und wetteiferten, wer das coolere Spielzeug besaß. Die Stimmung im Einkaufszentrum wirkte gelöst, leise drang beruhigende Musik aus den versteckten Boxen und untermalte das bunte Treiben der Besucher.
Enjas Blick blieb an einem Mädchen haften, welches wie verloren mitten im Gang stand. Ihr korallenrotes Kleid wurde von den Strahlern an der Decke beleuchtet, ebenso ihre schwarzen Haare, die ihr, einem seidenen Vorhang gleich, das Gesicht verdeckten. Der Anblick des Mädchens, dessen Alter Enja nur schwer bestimmen konnte, löste etwas in ihr aus. Melancholie erfüllte sie, langsam fuhr sie sich mit einer Hand über den Bauch und erinnerte sich zurück, dass auch sie kurz davor gestanden hatte, Mutter zu werden. Doch der Gedanke daran, auf welchem abscheulichen Weg das Kind entstanden wäre, versicherte ihr erneut, dass die Abtreibung die richtige Entscheidung gewesen war.
Ich hätte das Kind niemals so lieben können, wie es das verdient hätte.
„Darf ich Ihnen etwas bringen?“
Enja zuckte zusammen. Sie hatte tief in ihren eigenen Gedanken gesteckt und nicht mitbekommen, dass sich eine Kellnerin aus dem Café ihrem Sitzplatz genähert hatte. Innerlich hoffte sie, dass die Bedienung nichts vom Schreck ihrer Kundin mitbekommen hatte. „Noch nicht, danke sehr. Ich warte noch auf jemanden.“
Die Kellnerin nickte und wandte sich den anderen Gästen zu.
Als Enja sich noch einmal umschaute, stellte sie fest, dass das Kind verschwunden war.
Kurze Zeit später sah sie Rico, der mit der Rolltreppe in ihre Etage gefahren kam und alle Gedanken an das einsame Kind verschwinden ließ. Schnell stand sie auf und winkte ihn zu sich, beide umarmten sich und tauschten einen sanften Kuss zur Begrüßung.
„Endlich bist du da“, sagte sie hörbar erleichtert, während sie sich wieder setzte.
Rico tat es ihr gleich und hängte dabei seine schwarze Lederjacke über die Stuhllehne. „Es tut mir ehrlich leid“, entschuldigte er sich erneut und fuhr sich verlegen mit der Hand durch die kurzen, dunkelbraunen Haare. „Ich weiß, wie kostbar unsere gemeinsame Zeit ist. Heute fühlt es sich so an, als ob die Welt alles daran setzt, unsere Verabredung zu verhindern.“
„Ist denn alles in Ordnung? Möchtest du darüber reden?“
Rico schien kurz zu überlegen, lächelt jedoch charmant und legte seine Arme auf den Tisch. Sanft umschlossen seine Hände die ihren. „Nein, das würde nur die Stimmung ruinieren. Lass uns unsere Verabredung einfach genießen, ja?“
Sie spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Doch wenn er nicht darüber reden wollte, dann war das seine eigene Entscheidung. Das wusste und respektierte Enja, so, wie er es auch tat, wenn sie kaum über ihre eigene Arbeit sprach. „In Ordnung“, sagte sie stattdessen, setzte dabei ebenfalls ein nettes Lächeln auf und winkte die Kellnerin zu sich. Beide bestellten sich einen Kaffee, er nahm noch einen hauseigenen Apfelstrudel mit dazu.
„Für mich bitte auch einen“, rief sie der Kellnerin hinterher, die schon halb im Café verschwunden war. Als Enja sich umdrehte, lief ein kalter Schauer über ihren Rücken.
Gar nicht weit von ihrem Platz entfernt sah sie erneut das Mädchen mit dem roten Kleid und den tiefschwarzen Haaren. Es stand bewegungslos da, doch irgendwas in Enja verriet ihr, dass das Mädchen sie direkt anschaute.
Was ist mit dem Mädchen? Vielleicht sollte ich ...
„Wie war denn dein Tag, Schatz?“
Verwirrt sah Enja ihren Verlobten an, der sie aus seinen ozeanblauen Augen anblickte und sanft ihren Handrücken streichelte. „Wie bitte?“ Als sie erneut nach dem Mädchen sah, war es wieder verschwunden.
„Wie dein Tag war, hab ich gefragt. Ist alles in Ordnung?“
„Ja, alles gut“, wiegelte sie schnell ab und erzählte beiläufig ein paar kleine Geschichten aus dem Büroalltag, die sie sich für diese Gelegenheit zurechtgelegt hatte.
Vielleicht bin ich auch einfach nur überarbeitet. Spielen meine Gedanken mir schon Streiche? Ihre Finger wanderten zu ihrer silbernen Kette, die sie ständig um ihren Hals trug. Daran hing ein kleines Kreuz, welches sie langsam zwischen Daumen und Zeigefinger rieb. Bitte gib mir Kraft.
So abgelenkt, lauschte sie den Worten ihre Verlobten nur mit halbem Ohr. Ihr Blick wanderte konstant über die Etage und suchte nach dem ominösen Mädchen. Doch sie konnte es nicht finden.
Sie war drauf und dran, das alles als seltsamen Spuk abzutun, als sie ihre Augen wieder auf Rico richtete. In dem Moment schrie sie erschrocken auf und fiel beinahe vom Stuhl.
„Schatz!“, rief ihr Verlobter erschrocken und schaffte es knapp, sie an der Hand festzuhalten und verhinderte damit, dass Enja stürzte. „Was ist denn mit dir?“
Enjas Herz pochte alarmiert in ihrer Brust. Sie hatte das Mädchen gesehen, direkt hinter Rico! Doch jetzt war es erneut verschwunden. „Ich glaube, ich bin einfach nur gestresst“, versuchte sie Rico und auch sich selbst zu beruhigen. „Ich arbeite wohl zu viel.“
Einige Leute waren stehen geblieben und schauten Enja mit einer Mischung aus Irritation und Besorgnis an. Ein paar Kinder hatten ihre Handys gezückt und filmten die verrückte Frau.
„Das wird es sicher sein“, antwortete Rico, der sichtlich nicht von Enjas Ausrede überzeugt war. „Dass das Thema Kinder dich so aus der Fassung bringt, hätte ich nicht gedacht. Möchtest du nicht darüber sprechen? Ich meine, wir können gerne auch ein anderes Mal darüber reden.“
Kinder?!, dachte Enja erschrocken. Wann hat er denn was von Kindern gesagt?
Leichte Panik machte sich in ihr breit. Sie wusste nicht, was diese Erscheinung mit dem Mädchen zu bedeuten hatte, und jetzt wollte Rico auch noch über Kinder sprechen? Sie brauchte unbedingt einen Moment Ruhe.
„Das Thema kommt etwas plötzlich“, sagte sie und schaute Rico entschuldigend an. „Natürlich können wir darüber reden. Aber ich würde mich gerne vorher noch einmal frisch machen gehen.“
Ohne auf eine Antwort von ihrem überraschten Verlobten zu warten, stand sie auf und verschwand in Richtung Toiletten.
Dort angekommen, sperrte sie sich sofort in eine der Kabinen ein und setzte sich auf die heruntergeklappte, sauber wirkende Klobrille. Mit den Händen versuchte sie, sich frische Luft zuzufächeln, während die Gedanken wild in ihrem Kopf kreisten.
Was zur Hölle ist denn los mit mir?
Erst nach einiger Zeit stand Enja auf und verließ die Kabine. Sie stellte sich an eines der Waschbecken, betrachtete sich im Spiegel und fuhr sich aufgelöst durch die Haare.
Ich arbeite wirklich zu viel, das wird es sein. Dann dieser Gedanke an die Abtreibung, die Sorge im Rico und mich selbst. Und jetzt auch noch das Kinderthema! Vielleicht sollte ich einfach Urlaub einreichen. Ist ja nicht so, dass ich unersetzlich bin.
Sie wusste, dass sie sich mit dem letzten Gedanken nur selbst etwas vormachte. Sie war unersetzlich. Niemand sonst besaß ihr Fachwissen und ihre Sprachkenntnisse, wenn es um den Themenbereich „Naher Osten“ ging. So, wie die Terroristen keinen Urlaub machten, durfte sie ebenfalls keinen nehmen. Das zehrte an ihren Kräften.
Und der unruhige Schlaf, fügte sie noch zur Liste hinzu.
Frustriert über die Gesamtsituation, drehte Enja den Hahn auf und benetzte ihr Gesicht mit kaltem Wasser. Sie hatte extra nicht viel Make-up aufgelegt, da Rico laut eigener Aussage nicht so sehr auf Tuschkästen stand, was Enja wiederum erleichterte. Und das, was sie an Farbe im Gesicht hatte, war glücklicherweise wasserfest.
Als sie den Kopf hob und erneut in den Spiegel blickte, entfuhr ihr ein spitzer Schrei. Erschrocken machte sie zwei Schritte zurück, als sie das Mädchen direkt neben sich im Spiegel sah. „Was willst du von mir?“, rief sie und schaute neben sich. Doch dort stand das Mädchen nicht! „Wer bist du?“
Das Kind bewegte sich seitlich im Spiegel, streckte einen Arm aus und berührte Enjas Spiegelbild an der Hand.
Enja lief ein eiskalter Schauer über den Handrücken, als die schmalen Finger des Mädchens sich um ihr Handgelenk schlossen. Ihr Magen drehte sich um. Reflexartig zog sie ihre Hand weg, außer Reichweite des Mädchens, welches sich keinen Milimeter rührte.
„Erkennst du mich denn nicht?“, säuselte eine Kinderstimme durch Enjas Kopf, fuhr ihr durch Mark und Bein und ließ sie erschaudern.
Enja bildete sich ein, dass es um sie herum plötzlich kälter wurde, legte die Arme um ihren Körper und sah schockiert, wie ihr Atem sich als dünner Nebel vor ihren Augen kristallisierte. Wieder sah sie das Kind, oder was immer es war, im Spiegel an. Die pechschwarzen Haare hingen noch immer wie ein unheilvoller Vorhang aus Dunkelheit über dem Gesicht. Das Kleid, welches vorher hellrot war, erschien im kalten Licht nun blutrot. „Ich kenne dich nicht“, erwiderte Enja mit zittriger Stimme und wusste nicht, was sie tun sollte.
„Wie schade“, vernahm Enja die Kinderstimme erneut in ihren Gedanken. Ihr war, als würde sie dabei ein bösartiges, gerissenes Kichern heraushören. „Wie kann man denn sein eigenes Kind nicht erkennen?“
In der Hoffnung, vor der grausamen Erscheinung fliehen zu können, drehte sie sich um und stürmte zur Tür. Doch so sehr sie auch an der Türklinke zog, so fest sie sich gegen die Tür warf, sie ließ sich nicht öffnen. „Hilfe! Hilfe!“, schrie sie verzweifelte und knallte mit den Fäusten gegen Tür, doch niemand schien sie zu hören.
„Du kannst deiner Vergangenheit nicht entkommen!“ Blitzschnell verschwand das Mädchen aus dem Spiegel, tauchte in anderen Spiegeln wieder auf und umkreiste Enja, die voller Angst und Schrecken in der Mitte des Raumes stand, hilflos und unwissend, was mit ihr geschah.
Was als Nächstes passierte, konnte Enjas Verstand nicht begreifen. Die Erscheinung hörte auf, von einem Spiegel zum nächsten zu springen, und legte die Handflächen gegen das Spiegelglas. Voller Entsetzen beobachtete Enja, wie das Glas sich unter den schmalen Händen verformte und unter dem Druck langsam nachgab. Nun drückte das Kind auch sein Gesicht gegen das Glas, dehnte und zerrte es auf eine unnatürliche Weise. Enja kam es vor, als würde sich der Spiegel nicht nur verformen, sondern gänzlich verflüssigen und zu einer glibberigen Masse werden, die nach und nach auf den Boden tropfte und eine silberne Pfütze bildete. Die Lache begann, sich zu bewegen und zu verformen, wurde größer und nahm menschliche Gestalt an, bis schließlich das Kind wahrhaftig vor Enja stand.
Das Gesicht blieb verhüllt, die schmalen Arme hingen schlaff an den Seiten des schlanken Köpers herab und endeten an Händen mit zierlichen Fingern, an denen scharfe Fingernägel saßen, die wie polierte Klingen glänzten. Enja hatte keine Zweifel daran, dass das Kind ihr damit ohne Probleme die Haut von den Knochen reißen konnte. Die Füße des Mädchens wurden von einem schwarzen Nebel umgeben, der die Form von Schuhen angenommen hatte. Ihre Haut war, anders als im Spiegel, grau wie Zigarettenasche.
„Was willst du von mir?!“, verlangte Enja erneut zu wissen und ging vorsichtig rückwärts. Sie wusste nicht weshalb, doch sie dachte, mit der Wand im Rücken wäre sie sicherer.
Das Kind legte den Kopf langsam schief, die Haare folgten der Bewegung, flossen einem ruhigen Fluss gleich ihren Körper hinab und schwangen sanft, pendelten von links nach rechts. Dann beugte das Mädchen sich vor und kroch auf allen vieren Enja hinterher, die sich mittlerweile mit dem Rücken an die Theke presste und keinen Fluchtweg mehr sah. Die Bewegungen des Kindes waren langsam, gleichzeitig jedoch anmutig und selbstbewusst.
Enja schrie auf, als das Mädchen an ihre Beine griff und sich schwerfällig an ihr nach oben zog.
„Ich will“, sagte das Kind mit schneidender, schriller Stimme, „dass du deiner Vergangenheit ins Auge siehst!“ Mit einer schnellen Geste wischte das Kind sich die Haare aus dem Gesicht und entblößte damit tiefschwarze Augen, in denen die Iris blutrot flackerte und die sich in die Seele ihres Opfer gruben. Die grauen, gerissenen Lippen verzogen sich zu einem aalglatten Grinsen und zeigten strahlend weiße Zähne, die im völligen Kontrast zum Rest des Köpers standen. Sie liefen spitz zu, ähnlich einer angespitzten Bleistiftmine. Ihr fauliger, nach verrottetem Fisch riechender Atem stieg Enja in die Nase und löste eine furchtbare Übelkeit in ihr aus.
Enja, völlig in die Enge getrieben und starr vor Angst, wusste, dass ihre Stunde geschlagen hatte. Sie hatte es nicht mit einer wilden Einbildung oder übernatürlicher Fantasie zu tun, sondern mit einem leibhaftigen Dämon, der ihr nach dem Leben trachtete. Mit der Kraft der Verzweiflung gelang es ihr, dem lähmenden Grauen zu trotzen, den Anhänger mit dem Kreuz zu greifen und gegen das Mädchen zu erheben. „Weiche! Weiche von mir!“, schrie sie wie von Sinnen. Ihr Herz raste wild, ihr Körper blieb in der Gegenwart des Dämons eiskalt. Sie zitterte wie Espenlaub und versuchte mit aller Kraft, dieses Ungeheuer zu vertreiben.
Doch das Mädchen lachte schallend und riss ihrem Opfer den Talisman aus der Hand. „Wie niedlich“, zischte sie und warf den Anhänger achtlos beiseite, ihre Augen verengten sich zu gefährlich aufblitzenden Schlitzen. „Nichts und niemand wird dich retten!“, versprach sie mit beißendem Unterton, ihr Atem streifte Enja eiskalt und schneidend über das Gesicht. Dann packte sie ihr Opfer am Kragen und warf sie mit überraschender Kraft gegen den Spiegel.
Enja keuchte erschüttert auf und erwartete, gegen die Wand zu krachen und in die Scherben zu fallen. Doch etwas ganz anderes geschah: Der Spiegel und die massive Wand dahinter gaben unter der Wucht des Aufpralls nach. Das Glas schmiegte sich an Enjas Körper, nahm ihn gefangen und zog ihn immer weiter in sich hinein, bis Enja auf der anderen Seite des Spiegels stand und in das Gesicht der Dämonin starrte. Dieses hatte sich zu einem hämischen, triumphierenden Grinsen verzogen.
„Viel Spaß in deiner neuen Welt“, hörte Enja die Stimme des Dämons erneut in ihrem Kopf. Sie schaute zurück, doch erblickte nur eine tiefschwarze Leere hinter sich. Massive Ketten legten sich um Enjas Arme, Beine und den Kopf, während ein Schwindel sich in ihrem Kopf ausbreitete und alles in Watte zu packen schien.
Das Mädchen summte eine unbekannte Melodie, während Enja Zeugin davon wurde, dass der Körper des Dämons sich vor ihren Augen veränderte und eine neue Gestalt annahm. Schlussendlich schaute Enja in ihr eigenes Spiegelbild.
„Ich werde mir jetzt deinen Verlobten vornehmen“, versprach die neue Enja, die die Stimmes ihres Opfers perfekt imitierte, und wandte sich vom Spiegel ab.
Die Ketten um Enjas Körper strafften sich und zogen sie weg vom Spiegel, je weiter sich die Dämonin dem Ausgang des WCs näherte. Sie wehrte sich, so stark sie konnte, schrie, so laut sie konnte, doch nichts half gegen die Kraft, die sie immer weiter zu verschlingen drohte.
Dann versank Enja in einer endlos tiefen Dunkelheit.