„Endlich ist es soweit“, murmelte Liam, während er verschiedene Kräuter und Tinkturen in den Mörser gab. Mit gezielten Stößen bereitete er daraus eine Art Paste zu. Anschließend gab er diese Paste in eine Schale, die bereits über einer kleinen Flamme erwärmt worden war.
Liam hatte sich lange auf diesen Tag vorbereitet, und er war schon sehr auf das Ergebnis gespannt.
Niemand wusste von seiner Freundschaft zu Jadnogh, dem Schüler des Druiden, der draußen im Wald bei seinem Meister die magischen Künste der Natur studierte, während Liam hier im Zirkel eingeschlossen und gezwungen war, die arkanen Mächte zu studieren.
Dabei fühle ich mich der Natur viel mehr verbunden als den Geistern des Arkanen.
Jeden Monat trafen sie sich zur selben Zeit draußen im Wald, nachdem Liam sich durch einen geheimen Gang aus den Zirkel geschlichen hatte. Denn die Magier und Druiden mochten sich aufgrund ihrer verschiedenen Auffassungen der Magie nicht. Und niemand würde ihre Freundschaft verstehen.
Tief in Gedanken versunken bereitete er das Ritual vor, von dem Jadnogh im erzählt hatte. Eine Art Meditation, in der sich der Geist vom irdischen Körper löste und sich frei durch die Welt bewegen konnte. Und Liam konnte es kaum erwarten, das ebenfalls zu versuchen.
Monatelang hatte er dafür die Zutaten gesammelt und die Aufzeichnungen studiert, die der Druidenschüler ihm mitgegeben hatte.
Er hatte bereits den Bannkreis auf den Boden gezeichnet und war nun dabei, die Kerzen zu entzünden, die in Kerzenständern um den Kreis herum standen.
Rauch stieg langsam aus der Schale und verbreitete sich in der Kammer. Das angenehme Aroma der Paste stieg Liam dabei bereits in die Nase.
Zusätzlich war er gespannt, wie sich seine Anpassung auf das Ritual auswirken würde. Trotz der Lehren seiner Meister wollte er nicht einsehen, dass es unmöglich war, arkane Magie und die Magie der Natur miteinander zu vereinen. Also hatte er sich dazu entschieden, das Ritual mit arkaner Energie zu verstärken, um dadurch länger in der Trance schweben zu können. Er wollte sich frei von den Fesseln fühlen, die diese Mauern für ihn darstellten.
Ich werde frei sein, wie Jadnogh. Ob ich ihn besuchen kann?
Eilig nahm er die Schale von der Halterung und stellte sie in die Mitte des Bannkreises. Dann kniete er sich auf das Kissen, welches er zwischenzeitlich schon dort platziert hatte, schloss die Augen und atmete den Rauch der erhitzten Paste ein.
Jadnogh hatte ihm genau beschrieben, wie er erkennen konnte, dass das Ritual funktionierte.
Zu seinem Schrecken musste er feststellen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
Nachdem er in die Trance gefallen war, glitt sein Geist nicht sanft aus seinem Körper heraus.
Es fühlte sich an, als ob gewaltige Pranken, oder eher eiserne Fesseln, sich um seinen Geist legen und an ihm reißen würden. Die Welt verzerrte sich immer mehr, entrückte ihm, während er sich selbst schreien hörte.
Die Kammer nahm vor seinem geistigen Auge verschiedene Farben an, die immer wieder wechselten, während er Erscheinungen um sich kreisen sah. Schreckliche Erscheinungen, die eher an Dämonen und verfluchte Seelen erinnerten, wie er sie in den Büchern während seines Studiums kennengelernt hatte.
Mit aller Kraft versuchte er, gegen den Griff der Magie anzukommen, während seine Seele Stück für Stück aus seinem Körper gerissen wurde und er immer mehr die Kontrolle über sich verlor.
Dann ging ein Ruck durch ihn. Ob sein Geist oder sein Körper diesen erfuhren, konnte er nicht bestimmen.
Doch er fühlte, dass er schwebte. Er sah den Raum vor sich, konnte sich drehen, doch von der erhofften Freiheit konnte er nichts erkennen. Etwas hielt ihn an Ort und Stelle fest, und als er an sich heruntersah, bemerkte er die eiserne Fessel, die sich um seine Füße gespannt hatte.
Was ist bloß passiert? Ich habe doch alles richtig gemacht!
Dann erst bemerkte er, dass die Fessel durchsichtig schimmerte, so, als wäre sie zwischen der Realität und er Welt der Toten gefangen. So wie ich, dämmerte ihm die Erkenntnis nun.
Ein Flackern im Augenwinkel erregte seine Aufmerksamkeit. Er schaute auf und erkannte voll Schrecken, dass die Kammer in Flammen stand. Die Kerzen waren umgefallen, und die Flammen hatten die Paste in der Schale in Brand gesetzt. Zwischen den Flammen lag sein Körper reglos auf dem Kissen, auf dem er vorher noch gekniet hatte.
Panisch versuchte er sich von seinen Fesseln zu lösen, seinen Körper zu erreichen und in die Welt der Lebenden zurückzukehren, bevor es zu spät war. Doch alles was er tun konnte, war zuzuschauen, wie das Feuer sich seinem irdischen Körper näherte und ihn am Ende verschlang.
Liams Geist jedoch verblieb in der Zwischenwelt, und er musste sich eingestehen, dass seine Lehrer am Ende Recht behalten sollten. Der Anblick seines Körpers, der restlos von den Flammen verschlungen wurde, ohne, dass er was davon spürte, hatte seinem Widerstand, seinem Sträuben gegen das offensichtliche Versagen, ein jähes Ende gesetzt.
Er musste sich eingesehen, dass er töricht gehandelt hatte. Dass er die Gesetze der Magie nicht beachtet und die Auswirkungen seines Handelns unterschätzt hatte.
Schlagartig musste er an seinen Freund denken. In ein paar Tagen hatten sie die nächste Verabredung. Er wird sich sicherlich Sorgen machen.
Inständig hoffte er, dass der junge Druide nicht auch so leichtfertig mit den Gesetzen und Regeln der Magie spielen würde, um nach ihm zu suchen. Dass ihm nicht durch die Sorge um Liam, und was passiert sein könnte, dasselbe Schicksal ereilen würde.
Noch einmal flammte sein Widerstand auf. Er strengte er sich an, sich von seinen Ketten zu lösen, zog an ihnen, um sie zu brechen. Um davon zu kommen, damit er den Druiden warnen konnte.
Doch die Ketten hielten eisern Stand. Nichts würde die Ketten brechen, niemand konnte ihm helfen. Sein Mut schwand erneut, und mit ihm Liams gesamte restliche Kraft.
Die Magie der Natur und die arkane Magie werden niemals zueinander finden können.
Mit diesem Gedanken versank seine Seele in der unendlichen Weite der Ewigkeit.